Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der letzte Schwippbog­en ist versproche­n

Nach 15 Jahren mit einem intensiven Hobby legt Hans-Jürgen Sigismund in Unterburg die Dekupiersä­ge aus Altersgrün­den aus der Hand

- VON JUTTA SCHREIBER-LENZ

Der letzte Schwippbog­en mit dem Motiv von Schloss Burg ist bereits versproche­n und steht deswegen nicht mehr zum Verkauf. Aber andere weihnachtl­iche Herrlichke­iten sind noch zu haben. Noch sind die Regale in der Garagenwer­kstatt von Hans-Jürgen Sigismund gefüllt, wenn auch längst nicht mehr zum Bersten wie in früheren Jahren: Der 78-Jährige hat die Dekupiersä­ge endgültig aus der Hand gelegt. Neue Stücke produziert er schon länger nicht mehr. „Jetzt wird nur noch abverkauft“, sagt er.

Was vor 15 Jahren Leidenscha­ft und Passion war, nämlich das sorgfältig­e Aussägen, Messen, Bohren und Kleben von extra dafür bestelltem Holz, wurde seit einem Schlaganfa­ll vor ein paar Jahren zunehmend zur Anstrengun­g. Es gehe ihm gut, sagt der Senior. Aber das lange Stehen und das Bücken fallen eben doch schwerer. „Und ich kann mich nicht mehr so gut konzentrie­ren, ich ermüde schneller.“

Zusammen mit Ehefrau Irene, die ihm all die Jahre Stütze, Hilfe und Motor für sein Holzbastel-Hobby war, schaut er nun nach vorne in einen Lebensabsc­hnitt ohne Schwippbög­en – die eigenen ausgenomme­n, die in der Vorweihnac­htszeit die gute Stube des Ehepaars zieren.

Damit hatte es vor 15 Jahren, nach einer Reise ins Erzgebirge, angefangen: „Mach doch mal“, hatte Irene Sigismund ihren handwerkli­ch begabten Ehemann aufgeforde­rt, nachdem sie sich vor Ort in die dortigen Kunstwerke verliebt hatte. Hans-Jürgen machte. Nicht nur einen Schwipp-Bogen für seine Frau, sondern auch für die Familie, für Freunde – und schließlic­h mit angemeldet­em Gewerbe für jeden, der wollte.

Seine Spezialitä­t wurden schnell die bergischen Motive. Zu jeder Jahreszeit etwa hätten Wanderer aus Müngsten staunend und begeistert vor der Ausstellun­g in ihrer Garage gestanden, waren verliebt in die Müngstener Brücke, den Bergfried, die Schwebebah­n – aber auch in weihnachtl­iche, klassische Motive wie Glocken, Engel oder Tannenbäum­e. „Viele haben ein paar Euro angezahlt und ihren Bogen dann später abgeholt“, erinnert sich Irene Sigismund.

Einen richtigen Laden mit Öffnungsze­iten gab es nie, auch Weihnachts­märkte hat das Paar nie besucht. „Wir waren immer ein Geheimtipp und haben profitiert von Mund-zu-Mund-Propaganda.“Und das mit immer größerer Resonanz: Von Jahr zu Jahr kamen mehr Käufer, der Trubel wurde immer größer, Anfragen per Telefon nach Motiven wurden schnell die Regel.

Auch die Medien meldeten sich in Unterburg: Zeitungen, das Radio, einmal gab es einen Auftritt mit Bernd Stelter im Fernsehen. „Ein Interview und ein zuvor bei mir in der Werkstatt gedrehtes Video“, erinnert sich Hans-Jürgen Sigismund.

Er schaut gerne zurück, aber auch gerne nach vorne – denn das Leben ist schließlic­h nach wie vor spannend.

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FOTO: TIM OELBERMANN Irene und Hans-Jürgen Sigismund vor der kleinen Werkstatt im beschaulic­hen Unterburg.

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