Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Es geht seit acht Monaten um unsere Existenz“
Handball: Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin, zur aktuellen Situation — nicht nur in der Handball-Bundesliga.
Mit Marian Michalczik und Milos Vujovic wurden zuletzt zwei Füchse-Profis auf das Coronavirus positiv getestet, Quarantäne der Mannschaft und Spielabsagen waren die Folge – welches Gefühl hat sich da bei Ihnen eingestellt?
BOB HANNING Wir hatten mit Jakov Gojun schon mal einen Spieler, der aus diesem Grund ausgefallen ist, von daher war es jetzt nicht unsere erste Berührung. Dass es die Vereine mehrfach betrifft, ist angesichts der Vielzahl an Testungen logisch. Für uns bedeutet das einen höheren logistischen Aufwand und wie immer: Lösungen suchen und nicht Probleme in den Fokus stellen. So war es auch diese Woche. Nach den negativen Tests am Montag fanden diese am Donnerstag Bestätigung. So konnten wir nach der Pause nur eine Trainingseinheit absolvieren, was natürlich mit Blick auch auf Verletzungen Risiken birgt. Am Freitag ging es mit dem Flieger nach Düsseldorf. Wir gehen dennoch positiv an die ganze Sache ran, die Lage erfordert nun mal ein hohes Maß an Flexibilität.
Sie sind in Berlin Geschäftsführer eines bedeutenden deutschen Clubs und zugleich Vizepräsident des Deutschen Handballbundes. Wie schmal ist der Grat, wenn es zum Beispiel um das Pro und Contra zur Weltmeisterschaft geht?
HANNING Für mich ist es bemerkenswert, dass stets der Handball kritisch beäugt wird, während die Fußballer von Bayern, Dortmund oder Leverkusen durch Europa reisen. Es ist vermutlich politisch einfacher. Was die Handball-WM in Ägypten angeht, so ist sie mit engmaschigen Kontrollen absolut durchzuführen. Es gilt, das Risiko maximal zu minimieren. Da wir an festen Plätzen spielen, ist die Durchführung einer Weltmeisterschaft einfacher, als es bei Europapokal-Spielen der Fall ist. Die Kritiker sollen so ehrlich sein und sagen, wir brauchen die Spieltage für die Bundesliga. Wir Deutsche sollten uns zudem nicht aufs hohe Ross setzen und uns als Herrscher der Hygiene darstellen, das ist arrogant und überheblich.
Viele Beteiligte fordern den Zusammenhalt der Liga. Wird dies nicht auf der Strecke bleiben, wenn die Vereine am Punkt angelangt sind, wo es um ihre Existenz geht?
HANNING Es geht seit acht Monaten um unsere Existenz. Die Nationalmannschaft hat Strahlkraft für unseren Sport und vor allem für unsere Kinder. Das halte ich gerade jetzt für existenziell, wo sie nicht in die Hallen dürfen. Wir laufen Gefahr, eine ganze Generation zu verlieren, was einem Selbstmord gleich käme. Es ist eine Krise, die wir nicht gebraucht haben, aber die ehrlich macht – in allen gesellschaftlichen Bereichen. Unser Verband braucht wirtschaftliche Einnahmen. Jeder sollte seine Beweggründe in der Diskussion ehrlich auf den Tisch bringen. So hat natürlich jeder Spieler das Recht, ein mögliches Risiko abzulehnen, aber dann muss man eben darüber reden, den Vertrag auszusetzen. Wir benötigen Ausgewogenheit, und die ist grundsätzlich in der Gesellschaft notwendig. Ich verstehe die Politik, wenn sie keine Leute zulässt. Aber man darf nie vergessen, dass der Sport Leuchttürme produziert – ein Bergischer HC ist als Kulturgut nicht ersetzbar, wir müssen die Vereine schützen. Energie von der Seite aufnehmen. Das geht aktuell nicht und ist auch für eine oder beide Mannschaften dahingehend schwierig, den Motivationsfaktor für den Wettkampfmodus zu erlangen. Die hohe Niederlage von Kiel in Wetzlar ist dafür ein gutes Beispiel.
Sie haben schon desöfteren lobende Wort über den BHC verloren. Wie fällt Ihre aktuelle Einschätzung aus?
HANNING Ehrlich gesagt, habe ich aufgrund unser eigener Problematik noch kein einziges Spiel vom BHC gesehen. Ich bin aber sicher, dass „Seppel“(Trainer Sebastian Hinze, d. Red.) die Mannschaft wieder auf den Punkt einstellen wird.
Ihre Amtszeit beim DHB neigt sich dem Ende zu, in Berlin ist das sportliche Management mit Stefan Kretzschmar prominent besetzt. Deutet sich da ein Wechsel weg von Berlin vielleicht zurück in die Heimat Essen oder gar ins Bergische Land an?
HANNING (lacht) Bis jetzt habe ich von Jörg Föste aus Solingen, mit dem ich Anfang der Woche noch offen über unsere Situation bei den Füchsen gesprochen habe, keine Anfrage erhalten. Natürlich gucke ich immer wieder gerne ins Bergische. Ich fühle mich in Berlin aber unglaublich wohl, so dass ich erst recht nicht in der aktuellen Situation über etwas anderes nachdenke.
Zur sportlichen Aktualität: Mit 7:5-Punkten und Platz zwölf in der schiefen Tabelle würde Ihnen ein Erfolgserlebnis beim Bergischen HC gut tun. Wie wichtig wird es am Samstagabend?
HANNING Es herrschen diesmal ganz andere Maßstäbe. Eigentlich sind wir der Favorit, aber diesmal einfach nur froh, wenn wir überhaupt spielen können. Unser größter Kampf war der am Donnerstag, auf die Testergebnisse zu warten. Nichtsdestotrotz haben wir natürlich nicht vor, das Spiel zu verlieren.
Gespielt wird in einem leeren ISS Dome statt möglicherweise in einer bis auf den letzten Platz gefüllten Klingenhalle. Hat der Heimvorteil an Wert verloren?
HANNING Auf jeden Fall. Die Stimmung, die eine Mannschaft trägt, ist etwas Besonderes. Man kann so zusätzliche
„Unser größter Kampf war der am Donnerstag, auf die Testergebnisse
zu warten“
Bob Hanning Geschäftsführer der Füchse
Werden Sie das Gastspiel Ihrer Füchse für private Momente in Solingen oder Wuppertal nutzen können?
HANNING Leider nicht, denn ich werde diesmal nicht vor Ort dabei sein. Wir trennen in dieser Phase alles bewusst. Natürlich wäre ich gerne gekommen, aber dann auch, um Freunde zu treffen – was ja derzeit nicht wirklich möglich ist. Es ist ansonsten auf jeden Fall immer etwas ganz Besonderes, in die sportliche Heimat des BHC zurückzukommen.
Parallel zum Duell in Düsseldorf
(18.30 Uhr) und zur Partie der Gräfrather Frauen in der Klingenhalle gegen Rödertal (18.15 Uhr) wäre es an diesem Samstag zum Spiel des Berliner Frauen-Zweitligisten in Wuppertal gekommen. Hier sorgte Corona für eine Verschiebung. Wie ist Ihre Beziehung zu den „Spreefüxxen“?
HANNING Ich tausche mich sehr gerne mit Britta Lorenz aus, ohne Dinge zu vermischen. Sie ist mein Pendant und macht das in herausragender Manier. Sie erledigt das als Managerin bemerkenswert, ohne sie gäbe es das Projekt nicht.