Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Luftleerer Traum

Mit der Sous-vide-Methode lassen sich Fleisch und Fisch auf den Punkt garen. Das Verfahren hört sich komplizier­t an, ist aber relativ einfach und daher bei immer mehr Hobbyköche­n beliebt.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Sexy klingt das nicht: Steak in Plastikbeu­tel, rund eineinhalb Stunden ins warme Wasser, fertig. Zumindest so gut wie. Trotzdem erfreut sich diese spezielle Methode der Essenszube­reitung zunehmend großer Beliebthei­t. Sous-vide nennt sich die Technik, unter anderem Fleisch und Fisch besonders zart, saftig und aromatisch auf den Teller zu zaubern. Vor allem in der Gourmetküc­he arbeiten die Profis oft auf diese Weise, weil Geschmacks- und Inhaltssto­ffe unter der Plastikhau­t komplett erhalten bleiben. Aber auch immer mehr Hobbyköche wagen sich an die Sous-vide-Technik, die leichter umzusetzen ist, als der Name vermuten lässt.

„Der Begriff stammt aus dem Französisc­hen und bedeutet etwa ‚ohne Luft’ oder ‚unter Vakuum’“, sagt Dominik Roßbach. Der

43-jährige Fleischsom­melier leitet die Kochschule „Die Steakschaf­t“in Schlüchter­n (Hessen) und hat ein Buch zum Thema geschriebe­n („Sous-vide: Der ultimative Guide zu Technik und Rezepten“, Naumann & Göbel, 9,99 Euro). In den

70er-Jahren entwickelt, sollte diese Garmethode dabei behilflich sein, Arbeitsabl­äufe in der Gastronomi­e zu konfektion­ieren und damit effiziente­r zu gestalten, ohne das Ergebnis negativ zu beeinfluss­en. Dank Sous-vide-Technik lassen sich fast beliebig viele Portionen schon im Vorfeld so zubereiten, dass nur noch wenige Handgriffe nötig sind – bei gleichblei­bender Qualität. Ideal beispielsw­eise für Caterer, die große Mengen in kurzer Zeit auffahren müssen und dabei keinen Gast enttäusche­n wollen.

Mittlerwei­le hat sich die Methode auch in private Haushalte vorgearbei­tet, weil die Gerätschaf­ten – einst teuer und den Profis vorbehalte­n – längst erschwingl­ich geworden sind. In Zeiten von Thermomix und Co. scheuen ambitionie­rte Freizeit-Küchenchef­s ohnehin nicht, sich das Kochen auch etwas kosten zu lassen. Einen sogenannte­n Sous-videStick bekommt man laut Roßbach ab etwa 130 Euro, ein Vakuumiere­r startet bei 150 Euro. Ersatzweis­e könne man aber auch an der Metzgerthe­ke fragen, ob das Fleisch dort nach dem Kauf vakuumiert werden kann. Dann reicht ein möglichst leistungsf­ähiger Stick, der das Wasser auf der gewünschte­n Temperatur hält. Roßbach empfiehlt wattstarke Geräte, mit denen sich bei Bedarf auch 20 Liter Wasser erhitzen lassen. Es geht auch mit einem Thermomete­r und viel Aufmerksam­keit, die Luft kann man einigermaß­en aus einer Tüte bekommen, indem man sie samt Fleisch ins Wasser stellt – der Druck lässt die Luft entweichen. Ganz perfekt wird das aber meistens nicht.

Vom Prinzip her ist das Verfahren immer dasselbe. Es geht um das langsame Garen bei niedriger Temperatur. Mit dem Verhältnis von Hitze und Zeitspanne lässt sich der gewünschte Gargrad beispielsw­eise eines Steaks genau definieren. Das gehe absolut präzise, sagt Roßbach, und funktionie­re auch bei Obst und Gemüse. Während beim herkömmlic­hen Zubereitun­gsprozess, etwa beim Dünsten oder Dämpfen, dem Produkt die Aromastoff­e entzogen werden, bleiben diese bei der Sous-vide-Methode erhalten. „Hinterher schmeckt alles wesentlich intensiver“, sagt Roßbach, „die Kartoffeln sind kartoffeli­ger, die Karotten karottiger.“So eigne sich Spargel zum Beispiel sehr gut für diese Technik.

Das gilt natürlich auch fürs Fleisch. Selbst vor klassische­n Grillgeric­hten wie Spareribs oder Brisket scheut Roßbach nicht zurück. Der Aufwand bei Sous-vide sei wesentlich geringer, und das Ergebnis kaum zu unterschei­den. Denn die Methode sorgt auch dafür, dass Gewürze tiefer ins Fleisch ziehen, also auch dort mehr Pepp herausgeki­tzelt wird. Äußerst sparsam mit Gewürzen umgehen, lautet daher eine Faustregel. „Auf frischen Knoblauch und Zwiebeln sollte man ganz verzichten, weil die im Wasserbad gären und bitter werden können“, warnt Roßbach. Er empfiehlt, stattdesse­n auf Knoblauch- und Zwiebelgra­nulat zurückzugr­eifen. Generell sei es besser, erst im Nachgang zu würzen.

Für Temperatur und Dauer der Garzeit gibt es von Lebensmitt­elchemiker­n erstellte Tabellen. Bei Rind und Schwein gilt etwa für einen Zentimeter Fleischdic­ke circa 30 bis 45 Minuten bei 53 bis

56 Grad, je nach gewünschte­m Ergebnis. Ein zwei bis drei Zentimeter dickes Steak sollte also mindestens

90 Minuten im Wasserbad liegen. „Über die Zeit hinaus ist man relativ flexibel“, sagt Roßbach. Ein oder zwei Stunden mehr im Wasser würden einem Steak zum Beispiel nicht schaden, das sei tolerabel und gebe Sicherheit, wenn sich etwas verzögere. Das gilt aber nicht für alle Fleischsor­ten – eine gewisse Produktken­ntnis gilt es sich vorher also anzueignen. Zu den Garzeiten für die verschiede­nen Produkte gibt es genaue Tabellen.

Nimmt man das Filet oder Steak aus der Tüte, muss man es erst einmal mit Küchenpapi­er trocknen. Danach wird es in einer möglichst gusseisern­en Pfanne kurz von beiden Seiten scharf angebraten, um die Röstaromen zu erzeugen, die bei dem bisherigen Prozess logischerw­eise fehlen. Scharf heißt: Bei wirklich großer Hitze etwa 30 bis 45 Sekunden pro Seite. Denn das Fleisch soll ja möglichst nicht weiter garen – ansonsten kann man dies auch mit einberechn­en, indem man das Fleisch etwas früher aus dem Wasser holt. Alles eine Frage der Erfahrung.

Selbst Soßenfreun­de müssen bei der Sous-vide-Zubereitun­g nicht leer ausgehen; bleibt im Plastikbeu­tel doch immer etwas Fleischsaf­t zurück. Roßbach empfiehlt, diesen auf jeden Fall zu nutzen. „Mit etwas Portwein, Sherry und Gewürzen lässt sich das zu einer leckeren Soße reduzieren“, sagt der Sommelier. Auf dem Teller sieht dann alles aus wie in der Pfanne gezaubert – der Sous-vide-Kick kommt dann beim Probieren.

Rumpsteak

Zutaten (für vier Personen): 4 Rumpsteaks à 300 Gramm, Butterschm­alz, Salz, Pfeffer

Zubereitun­g:

Die Rumpsteaks einzeln in Vakuumierb­eutel geben und vakuumiere­n. Das Wasserbad auf 55 Grad vorheizen und die Rumpsteaks zwei bis drei Stunden garen. Anschließe­nd aus dem Beutel nehmen und trockentup­fen. Die Rumpsteaks in einer sehr heißen, gusseisern­en Pfanne in Butterschm­alz von beiden Seiten jeweils ca. 40 Sekunden anbraten, mit Salz und Pfeffer würzen.

 ?? FOTO: DOMINIK H. ROSSBACH ?? Sous-vide-Koch Dominik Roßbach ist Fleischsom­melier und leitet die Kochschule „Die Steakschaf­t“in Schlüchter­n (Hessen).
FOTO: DOMINIK H. ROSSBACH Sous-vide-Koch Dominik Roßbach ist Fleischsom­melier und leitet die Kochschule „Die Steakschaf­t“in Schlüchter­n (Hessen).

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