Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Vorlesenacht auch auf Distanz erfolgreich
Gemeinsam mit den Atelier-Besitzern entwickelte Südpark-Managerin Petra Krötzsch die Idee des Telefon-Formats.
Weil die bundesweite Vorlesenacht wegen der Corona-Regeln am Freitag nicht live stattfinden konnte, setzten die Südpark-Ateliers auf Lesungen am Hörer. Nadine Diab-Heinz war vor ihrem ersten Anruf ein bisschen nervös. Würde es ohne direkte Begegnung mit einem zuhörenden Gegenüber und ohne sichtbare Reaktion gelingen, einen Draht zu ihren Zuhörern zu finden? Die Autorin hatte sich in ihrem gemütlichen Wohnzimmer ihr persönliches „Setting“aufgebaut, wie sie es lächelnd nannte: gedämpftes Licht, ein Mix aus Herbst- und Advents-Deko auf dem Vorlesetisch.
Neben ihrem Handy die Liste mit den gelosten Namen, die sie in dem zweistündigen Zeitfenster anrufen sollte. Als eine der Vorleser, die eigentlich in den Südpark-Ateliers Texte zu Gehör bringen sollten, agierte Nadine Diab-Heinz nun via Telefon.
Die steigenden Covid-19-Infektionszahlen hatten den Organisatoren der traditionellen Vorlesenacht zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, kreative Ideen für einen Ersatz fanden sie dennoch. Gemeinsam mit den Atelier-Besitzern entwickelte Südpark-Managerin Petra Krötzsch die Idee des Telefon-Formats. Interessierte Vorlese-Fans wurden von den bereits geladenen Autoren angerufen.
Als Bonbon war es ihr gelungen, spontan noch die bekannte Schauspielerin und Solingerin Veronica Ferres als Vorleserin zu gewinnen. Das Los entschied, welcher Bewerber
von wem angerufen wurde. Einzige Ausnahme: Eine Dame, die just am Freitag ihren 80. Geburtstag feierte – durch die Kontaktbeschränkungen ohne Familie. „Ein Happy Birthday-Ständchen der berühmten Schauspielerin plus Lesung aus dem Buch ,Der kleine Prinz‘ war „eine wunderbare Überraschung“, so die Seniorin.
„Das Ganze war ein riesiger Erfolg und ganz und gar kein empfundener Notstopfen“, zog Petra Krötzsch ein Fazit des Abends. „Wir hatten so viel bewegendes positives Feedback, dass wir uns in dieser Idee zu der Telefonaktion mehr als bestätigt fühlen.“Teilweise hatten einige Anrufer ihre Telefonate sogar via Live-Stream in den Sozialen Medien online gestellt.
Pünktlich um 20 Uhr griff Nadine Diab-Heinz zum Hörer: Margret Morasch, eine 70-jährige Dame aus Solingen, die sich in ihrem „Bewerbungsschreiben“als regelmäßige Besucherin der Vorlesenacht zu erkennen gegeben hatte, war die erste auf ihrer Liste. Eine charmante Begrüßung ihrer Exklusiv-Hörerin, eine kurze Einleitung in den Text – und dann ging’s los: Das Kapitel „Der Satz aller Sätze“aus Nadine Diab-Heinz’ noch nicht veröffentlichtem Buch „Der Tag, an dem Luzifer davonflog“zu lesen, dauerte rund acht Minuten. „Die waren überraschend schnell vorbei“, wie sie im Anschluss sagte, nach dem begeisterten Echo am anderen Ende der Leitung. „Ich bin erleichtert, dass es der Dame gut gefallen hat“, sagte die Autorin. „Denn es kam keinerlei Zwischenreaktion, das war schwer einzuschätzen.“Die nächsten: Ein Senioren-Ehepaar aus Urdenbach, ebenfalls Literatur-Freunde und durch die aktuelle Kulturpause froh über die Telefon-Aktion.
Schon nachmittags waren Vorlese-Telefondrähte heiß gelaufen: Im Kommunalen Integrationszentrum an der Friedrichstraße warteten die Lesezauber-Kids Büsra Ekmekcibasi, Nazan Diken, Selin Faydaci und Tuana Karabuht mit ausgesuchten Kurztexten auf interessierte Anrufer. Und die kamen reichlich, zumeist aus dem Altenzentrum an der Cronenberger Straße, wo die fünf Mädchen regelmäßig vorlesen. „Ein tolles Feedback“, freute sich Projekt-Leiterin Claudia Elsner-Overberg, die die Anrufe freundlich entgegennahm und nach Wünschen fragte – „Möchten Sie lieber etwas Lustiges, Spannendes oder Tiefsinniges hören?“– und dann an die Vorleserinnen weiterreichte.