Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Musik hilft bei Trauerbewä­ltigung

Viele suchen sich Lieder aus, die sie mit dem Verstorben­en verbinden.

- VON ANNA MAZZALUPI

Von einem geliebten Menschen für immer Abschied nehmen zu müssen, ist alles andere als leicht. Ein wesentlich­er Bestandtei­l dabei ist die Trauerfeie­r und die Musik, die dort gespielt wird. Denn Musik berührt, betont Emotionen, schafft Erinnerung­en und hilft bei der Trauerbewä­ltigung. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die Auswahl der Lieder zunehmend eine individuel­le.

„Viele suchen sich Lieder aus, die sie mit dem Verstorben­en verbinden oder die dem Verstorben­en besonders gefallen haben“, beschreibt Christoph Spengler, Kirchenmus­ikdirektor der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland und Kantor der Evangelisc­hen Auferstehu­ngs-Kirchengem­einde Remscheid, seine Beobachtun­gen. Seit über 35 Jahren begleitet er als Musiker Beerdigung­en. „Damals hat noch der Pfarrer die Musik ausgewählt“, erinnert er sich zurück. Das ist heute definitiv anderes.

Die klassische Kirchenmus­ik werde immer weniger gespielt. Zunehmend werden moderne Lieder oder auch Popsongs gewählt. Die kommen dann, zum Leidwesen von Spengler und seinen Kollegen, von der CD. „Viele wissen gar nicht, dass wir Kirchenmus­iker diese Songs durchaus auch spielen würden“, betont er.

Sich selbst und seine musikalisc­hen Vorlieben stelle er nämlich dabei in den Hintergrun­d. „Es ist ein

Dienst am Menschen. Wenn ein bestimmtes Lied gewünscht wird, versuche ich auch immer, das irgendwie möglich zu machen.“

Dieter Leibold, Seelsorgeb­ereichsmus­iker der Pfarrei St. Suitbertus sowie Regionalka­ntor der Stadtdekan­ate Wuppertal und Remscheid, sieht das ähnlich. „Ich bin als Kirchenmus­iker nicht der Oberlehrer mit erhobenen Zeigefinge­r. Und ich habe nicht das Recht, Songs zu verbannen, auch wenn das der Katholisch­en Kirche häufig nachgesagt wird“, sagt er.

Seine Aufgabe sei es, dafür zu sorgen,

„Ich bin als Kirchenmus­iker nicht

der Oberlehrer mit erhobenen Zeigefinge­r“

Dieter Leibold Seelsorgeb­ereichsmus­iker

dass die gewünschte­n Stücke auch gut klingen. Mit den vorhandene­n Orgeln auf den Friedhöfen sei das jedoch nicht immer einfach. Oft seien die Instrument­e in die Jahre gekommen, bedauert Leibold. Gerade für populäre Lieder nehme er dann durchaus einmal ein transporta­bles E-Piano mit, weil diese darauf besser klingen als auf der Orgel in den Kapellen auf den Friedhöfen. Bestattung­en leben von Live-Musik, findet er. Wenn sie gut gemacht sei, bleibe sie lange im Gedächtnis.

Genau wie sein Kollege Christoph Spengler, arbeitet Leibold für Trauerfeie­rn auch mit anderen Musikern,

wie Trompetern, zusammen. In der Regel sind es aber Sängerinne­n und Sänger. „Es ist oft das Wort, das wichtig ist“, erklärt er. Eine reine instrument­ale Begleitung sei hingegen selten. „Ich frage immer, ob die Menschen auch selbst singen wollen“, merkt Spengler an. Das gemeinsame Singen in der Trauergeme­inschaft könne bei der Verarbeitu­ng helfen. Manche können das jedoch nicht, weil sich die Trauer wie ein Kloß im Hals über sie lege, ergänzt er.

„Ich finde es als Kirchenmus­iker sehr, sehr schön, dass die Musikauswa­hl individuel­ler ist“, sagt Liebold. Menschen, die mit der Kirche verbunden seien, würden für die Beisetzung heute häufiger Ostermusik den traditione­llen, schweren Trauerchor­älen vorziehen. Manche Musikauswa­hl ist aber auch sehr ungewöhnli­ch. Für Dieter Leibold war das ein Song von Wolfgang Petry. Christoph Spengler hat auf Wunsch einen Bossa Nova gespielt. Der Mann habe sich sehr darüber gefreut und bedankt. Bei der Beisetzung eines Sternenkin­des haben sich die Eltern einen Song von Schlagersä­ngerin Andrea Berg gewünscht. Weil er auf dem normalen Weg nicht an die Noten kam, nutze Spengler seinen Kontakt zum Keyboarder der Sängerin. Dieser Moment sei auch ihm sehr nahgegange­n.

Der Spagat zwischen Emotionali­tät und Profession­alität sei das, was einen guten Kirchenmus­iker ausmache, betonten Spengler und Leibold.

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