Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Länder ringen um Corona-Linie
Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es mit den Corona-Maßnahmen weitergeht – und wie Deutschland Weihnachten und Silvester verbringt.
Angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen besteht kaum noch Hoffnung auf ein baldiges Ende des Teil-Lockdowns in Deutschland. Im Gegenteil: Bei der Konferenz am Mittwoch werden Bund und Länder sich wohl auf eine Verlängerung der strikten Beschränkungen verständigen. Das zeichnet sich nach Informationen unserer Redaktion aus Verhandlungskreisen ab. Zudem deuten Papiere der SPD- und der unionsgeführten Bundesländer darauf hin, die in einer geeinten Fassung an diesem Dienstag zwischen den Chefs der Staatskanzleien und dem Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun (CDU), abgestimmt werden sollen.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat seine Länderkollegen vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz zu einer selbstkritischen Analyse gemahnt. „Was wir uns bei unserer letzten Konferenz geleistet haben, war kein Ruhmesblatt für uns alle. Wir dürfen deshalb jetzt nicht wieder den gleichen Fehler machen und uneinig, ohne konkrete Beschlüsse auseinandergehen“, sagte Hans unserer Redaktion. „Wenn wir uns als verantwortliche Politiker nicht untereinander einigen können, wie wollen wir dann die Menschen im Land von unseren Maßnahmen überzeugen? Das kommunikative Durcheinander führt doch nur dazu, dass die Akzeptanz für unsere Corona-Politik in der Bevölkerung schwindet“, betonte der CDU-Politiker.
Es sei zu früh, um Entwarnung zu geben. Er erwarte daher von dem Treffen am Mittwoch, „dass wir klare Prioritäten setzen, was uns in der Bekämpfung der Corona-Pandemie wichtig ist und diese Maßnahmen dann gemeinsam bundesweit umsetzen. Wir brauchen einen abgestimmten Winter-Fahrplan, wie wir bis zum Jahresende das Infektionsgeschehen in Griff bekommen wollen.“Der Ministerpräsident warb für die Beibehaltung der bestehenden Kontaktbeschränkungen, notfalls auch für eine Verschärfung, was Geduld,
Vorsicht und Verzicht bedeute. „Auch an Weihnachten und an Silvester werden voraussichtlich keine umfangreichen Lockerungen möglich sein. Doch mit unseren Maßnahmen haben wir die Chance, die Infektionszahlen so zu reduzieren, dass wir ein möglichst unbeschwertes Weihnachtsfest im Kreis unserer Familien und engsten Freunde feiern können.“
Auch wenn man weiterhin auf Sicht fahren müsse, sei es wichtig, den Menschen eine verlässliche Planung zu geben. Doch die Positionen der SPD- und der unionsgeführten Länder lagen am Montagabend teilweise noch auseinander:
Teil-Lockdown
Die SPD-Länder (A-Seite) wollen, dass ab 20. Dezember die Anti-Corona-Maßnahmen immer um jeweils 14 Tage verlängert werden, wenn das Infektionsgeschehen nicht deutlich abnimmt. Davon ist im Papier der unionsgeführten Länder (B-Seite) jedoch keine Rede. Die Unionsländer schlagen vor, dass Länder, die weniger als 50 Neuinfektionen pro
Woche und 100.000 Einwohner verzeichnen, den Teil-Lockdown abmildern können – im A-Papier ist von einem Wert von 35 die Rede. Ob ein Böllerverbot zu Silvester im Kampf gegen die Pandemie helfen kann, wird zwischen den Ländern kontrovers diskutiert. Die SPD-Länder sind dafür, den Unionsländern und Baden-Württemberg mit grün-schwarzer Koalition genügt ein Appell ohne Verbot. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht aber davon aus, dass ein Böllerverbot kommen wird. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass am Mittwoch ein Böllerverbot beschlossen wird“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Appelle reichen nicht aus.“
Wirtschaft Die staatlichen Hilfen für betroffene Betriebe sollen bis 20. Dezember verlängert werden. Die Ausgaben für diese Unterstützung im November werden auf
15 Milliarden Euro beziffert, allerdings sind das lediglich Schätzungen. Die Anträge für die November-Hilfen können nach Angaben des Wirtschaftsministeriums erst seit dieser Woche gestellt werden. Vorgeschlagen wird auch, Hilfsmaßnahmen für Branchen, die absehbar in den kommenden Monaten weiterhin „erhebliche Einschränkungen“hinnehmen müssten, bis Mitte
2021 zu verlängern. Genannt werden die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, Solo-Selbstständige und die Reisebranche. Die SPD-Länder wollen den Bund nach dem Entwurf bitten, wie eine steuerfinanzierte Stabilisierung der GKV-Beiträge aussehen könnte, damit die durch die Pandemie im Gesundheitswesen verursachten Kosten nicht einseitig durch die gesetzlich Versicherten abgefedert werden müssen.
Schulen
Schüler ab der siebten Klasse sollen auch im Unterricht Maske tragen. Gelten soll das für Schüler und Berufsschüler in Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen – was derzeit vielerorts der Fall ist. Schulen ohne Corona-Fälle können davon ausgenommen werden. Die Unionsländer wollen eine Maskenpflicht für alle Schüler auch im Unterricht. Für die Schulen wird seitens der A-Länder eine Teststrategie vorgeschlagen: Tritt in einer Klasse ein Corona-Fall auf, soll diese Klasse zusammen mit den betroffenen Lehrkräften für fünf Tage in Quarantäne. Am fünften Tag soll es für alle einen Schnelltest geben. Fällt der negativ aus, kann die Klasse wieder an die Schule.
Weihnachten
Bei den Vorschlägen für die Weihnachtstage gab es in dem Entwurf eckige Klammern, über deren Inhalt noch beraten werden muss. So sollen nach den Vorstellungen der SPD-Länder die Obergrenzen für Zusammenkünfte in Gebäuden und im Freien vom 21. bis zum 27. Dezember erweitert werden auf einen Haushalt mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden Personen bis maximal fünf Personen.