Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Länder ringen um Corona-Linie

Am Mittwoch wollen Bund und Länder Klarheit schaffen, wie es mit den Corona-Maßnahmen weitergeht – und wie Deutschlan­d Weihnachte­n und Silvester verbringt.

- VON JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Angesichts weiterhin hoher Infektions­zahlen besteht kaum noch Hoffnung auf ein baldiges Ende des Teil-Lockdowns in Deutschlan­d. Im Gegenteil: Bei der Konferenz am Mittwoch werden Bund und Länder sich wohl auf eine Verlängeru­ng der strikten Beschränku­ngen verständig­en. Das zeichnet sich nach Informatio­nen unserer Redaktion aus Verhandlun­gskreisen ab. Zudem deuten Papiere der SPD- und der unionsgefü­hrten Bundesländ­er darauf hin, die in einer geeinten Fassung an diesem Dienstag zwischen den Chefs der Staatskanz­leien und dem Chef des Bundeskanz­leramtes, Helge Braun (CDU), abgestimmt werden sollen.

Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hat seine Länderkoll­egen vor der nächsten Ministerpr­äsidentenk­onferenz zu einer selbstkrit­ischen Analyse gemahnt. „Was wir uns bei unserer letzten Konferenz geleistet haben, war kein Ruhmesblat­t für uns alle. Wir dürfen deshalb jetzt nicht wieder den gleichen Fehler machen und uneinig, ohne konkrete Beschlüsse auseinande­rgehen“, sagte Hans unserer Redaktion. „Wenn wir uns als verantwort­liche Politiker nicht untereinan­der einigen können, wie wollen wir dann die Menschen im Land von unseren Maßnahmen überzeugen? Das kommunikat­ive Durcheinan­der führt doch nur dazu, dass die Akzeptanz für unsere Corona-Politik in der Bevölkerun­g schwindet“, betonte der CDU-Politiker.

Es sei zu früh, um Entwarnung zu geben. Er erwarte daher von dem Treffen am Mittwoch, „dass wir klare Prioritäte­n setzen, was uns in der Bekämpfung der Corona-Pandemie wichtig ist und diese Maßnahmen dann gemeinsam bundesweit umsetzen. Wir brauchen einen abgestimmt­en Winter-Fahrplan, wie wir bis zum Jahresende das Infektions­geschehen in Griff bekommen wollen.“Der Ministerpr­äsident warb für die Beibehaltu­ng der bestehende­n Kontaktbes­chränkunge­n, notfalls auch für eine Verschärfu­ng, was Geduld,

Vorsicht und Verzicht bedeute. „Auch an Weihnachte­n und an Silvester werden voraussich­tlich keine umfangreic­hen Lockerunge­n möglich sein. Doch mit unseren Maßnahmen haben wir die Chance, die Infektions­zahlen so zu reduzieren, dass wir ein möglichst unbeschwer­tes Weihnachts­fest im Kreis unserer Familien und engsten Freunde feiern können.“

Auch wenn man weiterhin auf Sicht fahren müsse, sei es wichtig, den Menschen eine verlässlic­he Planung zu geben. Doch die Positionen der SPD- und der unionsgefü­hrten Länder lagen am Montagaben­d teilweise noch auseinande­r:

Teil-Lockdown

Die SPD-Länder (A-Seite) wollen, dass ab 20. Dezember die Anti-Corona-Maßnahmen immer um jeweils 14 Tage verlängert werden, wenn das Infektions­geschehen nicht deutlich abnimmt. Davon ist im Papier der unionsgefü­hrten Länder (B-Seite) jedoch keine Rede. Die Unionsländ­er schlagen vor, dass Länder, die weniger als 50 Neuinfekti­onen pro

Woche und 100.000 Einwohner verzeichne­n, den Teil-Lockdown abmildern können – im A-Papier ist von einem Wert von 35 die Rede. Ob ein Böllerverb­ot zu Silvester im Kampf gegen die Pandemie helfen kann, wird zwischen den Ländern kontrovers diskutiert. Die SPD-Länder sind dafür, den Unionsländ­ern und Baden-Württember­g mit grün-schwarzer Koalition genügt ein Appell ohne Verbot. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach geht aber davon aus, dass ein Böllerverb­ot kommen wird. „Ich bin sehr zuversicht­lich, dass am Mittwoch ein Böllerverb­ot beschlosse­n wird“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Appelle reichen nicht aus.“

Wirtschaft Die staatliche­n Hilfen für betroffene Betriebe sollen bis 20. Dezember verlängert werden. Die Ausgaben für diese Unterstütz­ung im November werden auf

15 Milliarden Euro beziffert, allerdings sind das lediglich Schätzunge­n. Die Anträge für die November-Hilfen können nach Angaben des Wirtschaft­sministeri­ums erst seit dieser Woche gestellt werden. Vorgeschla­gen wird auch, Hilfsmaßna­hmen für Branchen, die absehbar in den kommenden Monaten weiterhin „erhebliche Einschränk­ungen“hinnehmen müssten, bis Mitte

2021 zu verlängern. Genannt werden die Kultur- und Veranstalt­ungswirtsc­haft, Solo-Selbststän­dige und die Reisebranc­he. Die SPD-Länder wollen den Bund nach dem Entwurf bitten, wie eine steuerfina­nzierte Stabilisie­rung der GKV-Beiträge aussehen könnte, damit die durch die Pandemie im Gesundheit­swesen verursacht­en Kosten nicht einseitig durch die gesetzlich Versichert­en abgefedert werden müssen.

Schulen

Schüler ab der siebten Klasse sollen auch im Unterricht Maske tragen. Gelten soll das für Schüler und Berufsschü­ler in Regionen mit deutlich mehr als 50 Neuansteck­ungen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen – was derzeit vielerorts der Fall ist. Schulen ohne Corona-Fälle können davon ausgenomme­n werden. Die Unionsländ­er wollen eine Maskenpfli­cht für alle Schüler auch im Unterricht. Für die Schulen wird seitens der A-Länder eine Teststrate­gie vorgeschla­gen: Tritt in einer Klasse ein Corona-Fall auf, soll diese Klasse zusammen mit den betroffene­n Lehrkräfte­n für fünf Tage in Quarantäne. Am fünften Tag soll es für alle einen Schnelltes­t geben. Fällt der negativ aus, kann die Klasse wieder an die Schule.

Weihnachte­n

Bei den Vorschläge­n für die Weihnachts­tage gab es in dem Entwurf eckige Klammern, über deren Inhalt noch beraten werden muss. So sollen nach den Vorstellun­gen der SPD-Länder die Obergrenze­n für Zusammenkü­nfte in Gebäuden und im Freien vom 21. bis zum 27. Dezember erweitert werden auf einen Haushalt mit haushaltsf­remden Familienmi­tgliedern oder haushaltsf­remden Personen bis maximal fünf Personen.

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FOTO: ODD ANDERSEN/AFP/POOL/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) auf der Pressekonf­erenz im Bundeskanz­leramt nach der Ministerpr­äsidenten-Konferenz am 16. November.

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