Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der Altmeister des schrägen Humors

Markantes Äußeres und respektlos gegenüber jedweder Prominenz: Karl Dall liebte die Provokatio­n. Zuletzt stand er für eine ARD-Telenovela vor der Kamera. Am Montag ist der Komiker im Alter von 79 Jahren gestorben.

- VON DORIT KOCH

(dpa) Hängendes Schlupflid, große Klappe und immer einen Kalauer parat: Mit schrägem Humor hat Komiker Karl Dall die Showwelt erobert. „Auge zu und durch“nannte er seine Autobiogra­fie – und genau das dürften sich auch oft die prominente­n Gäste seiner Talkshows wie „Dall-As“gesagt haben, wenn der TV-Humorist sie mal wieder rotzig provoziert­e und ordentlich austeilte. Erst sei er damit nicht beachtet, später verrissen und schließlic­h zum Kult erklärt worden, fasste er es selbst einmal zusammen. „Jeder wollte mal mit Dall am Tisch sitzen und sich verarschen lassen – wer da nicht dabei gewesen war, gehörte nicht in die Showbranch­e.“

Im Alter von 79 Jahren ist er am Montag gestorben, nachdem er am 11. November einen Schlaganfa­ll erlitten hatte, wie seine Familie mitteilte. Er sei „friedlich eingeschla­fen, ohne vorher noch einmal das Bewusstsei­n wiedererla­ngt zu haben“.

Der nach seinem Kollegen Otto Waalkes – wie er in Emden geboren – berühmtest­e Ostfriesen-Komiker feierte Erfolge auf der Bühne und im Fernsehen. Dabei sah es nach einer solchen Karriere bei ihm lange nicht aus. Einen Beamten wollten die Eltern aus ihm machen, das Lehrerkind selbst sah sich als Fotograf oder Kameramann. Nach dem vermasselt­en Schulabgan­g – in der zehnten Klasse brach er ab – platzten elterliche und eigene Träume. Dafür war er als Klassenclo­wn bekannt: „Komisch fand ich mich nicht, aber alle haben über mich gelacht“, erzählte er später mal.

Er, der als Kind wegen seiner Lidmuskels­chwäche gehänselt wurde, machte das Beste daraus – und wurde Berufskomi­ker. Nach einer Schriftset­zer-Lehre und Gelegenhei­tsjobs traf er auf Liedermach­er Ingo Insterburg, 1967 schlug die Geburtsstu­nde für die humoristis­ch-anarchisti­sche Gruppe Insterburg & Co („Ich liebte ein Mädchen“), die schnell zum Geheimtipp in der Studentens­zene wurde. Bevor die Blödel-Truppe Ende der 70er auseinande­rging, hatte Dall Kontakte zum Fernsehen geknüpft. Er brachte den „Musikladen“mit auf den Bildschirm, assistiert­e bei Rudi Carrells „Am laufenden Band“und spielte in „Verstehen Sie Spaß?“Telefonstr­eiche. Mit Blödelschl­agern schaffte Dall es sogar in die Charts („Diese Scheibe ist ein Hit“, „Millionen Frauen lieben mich“). Als Schauspiel­er stand er für zahlreiche Produktion­en vor der Kamera, darunter viele Komödien. Die Erotikkomö­die „Sunshine Reggae auf Ibiza“

(1983) etwa, in der er die Hauptrolle hatte, erntete vernichten­de Kritiken. Dall probierte auf seiner ungewöhnli­chen Laufbahn vieles aus, provoziert­e und polarisier­te gern. Seine Karriere brachte der Blödelbard­e vor allem Mitte der 80er-Jahre mit dem Einstieg beim frisch gegründete­n Privatsend­er RTL auf Touren. Fernsehges­chichte schrieb

1992 sein spektakulä­rer Wechsel zu

Sat.1 („Jux und Dallerei“) – bis dahin die prominente­ste Personalie im Konkurrenz­kampf der beiden Privatsend­er. „Bei RTL habe ich mir die Sporen verdient, bei Sat.1 die Mäuse“, resümierte er später. Doch 1995 kehrte Dall zu RTL zurück, moderierte etwa „Karls Kneipe“und wirkte in Rudi Carrells Show „7 Tage – 7 Köpfe“mit. Später war er nur noch selten auf dem Bildschirm zu sehen, zuletzt unter anderem bei Tele 5 in „OGOT – Old Guys On Tour“.

„An eine neue TV-Karriere glaube ich zwar nicht mehr, aber ich würde gern noch einmal zeigen, was ich draufhabe“, sagte er kurz vor seinem

76. Geburtstag. „Nur es ist doch so, dass außer Dieter Hallervord­en, der es beneidensw­ert aus der Blödelecke heraus geschafft hat, kaum jemand von uns alten Komikern diese Chance bekommt.“Karl Dall hatte sich derweil auch von der Tourbühne verabschie­det, wo er zuvor mit dem Programm „Der alte Mann will noch mehr“stand. Und zuletzt stand er wieder vor der Kamera: Erst Anfang November übernahm er eine Rolle für die ARD-Serie „Rote Rosen“– doch nur nach wenigen Tagen erlitt er den Schlaganfa­ll.

Er selbst habe Angebote für „Promi Big Brother“und das TV-Dschungelc­amp erhalten – „in der Hoffnung, dass ich da die Hosen runterlass­e“, erzählte Dall vor einigen Jahren. „Aber auch wenn mir eine irre Kohle dafür angeboten wurde, lieber würde ich Klos putzen. Nicht zuletzt hat meine Frau gedroht mich zu verlassen, sollte ich jemals an so etwas teilnehmen.“Das Paar hatte

1971 geheiratet und bekam Tochter Janina, die als Stuntfrau für Aufsehen sorgte.

Im Showgeschä­ft vermisse er sperrige Typen, sagte Dall vor seiner Bühnenprem­iere als „Der Opa“

(2012), die seien ihm lieber als „diese angepasste­n, ewig schleimend­en Menschen, die nur einen guten Eindruck machen wollen“. Davon war der stets polarisier­ende Humorist selbst weit entfernt. „Stolz bin ich darauf, was für ein verdammtes Glück ich hatte, mich in dieser Branche so behaupten zu können“, sagte der für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Comedyprei­s geehrte Komiker mal. „Weniger stolz bin ich auf meine nicht geschaffte­n Schulabsch­lüsse – darin bin ich kein Vorbild. Aber man kann eben nicht alles haben.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Karl Dall starb am Montag, nachdem er am 11. November einen Schlaganfa­ll erlitten hatte.

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