Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Verhaltens­kodex hilft beim Kinderschu­tz.

Die Evangelisc­he Jugendhilf­e Bergisch Land hat mit ihren 140 Mitarbeite­rn einen Verhaltens­kodex verabschie­det. Die Selbstverp­flichtung soll sie in der Einrichtun­g im Reinshagen­er Waldhof sensibilis­ieren.

- VON ANDREAS WEBER

Die Missbrauch­sserien in Bergisch Gladbach, Münster und Lügde haben in der jüngsten Vergangenh­eit für bundesweit­e Empörung gesorgt. „Aber natürlich sind es auch Fälle in der Kirche und in Heimen, die wachrüttel­n“, sagt Heiner van Mil, Fachbereic­hsleiter in der Evangelisc­hen Jugendhilf­e Bergisch Land (EJBL). Kinderschu­tz ist ein brisantes Thema, in dessen Sog die EJBL jetzt einen Verhaltens­kodex verabschie­det hat. Die fünfseitig­e Selbstverp­flichtung mit 16 Punkten soll jeden der 140 Mitarbeite­r in der Einrichtun­g im Reinshagen­er Waldhof sensibilis­ieren, mit Respekt gegenüber den anvertraut­en jungen Menschen umzugehen.

Vorausging ein dreijährig­er Prozess, der über weite Strecken extern vom Sozialpäda­gogen Werner Meyer-Deters (Institut Kogemus) begleitet wurde. Einen Rechtekata­log hatte die EJBL bereits vor Jahren eingeführt, nun wurde nachgelegt. Für Heiner van Mil ein wichtiger Prozess, denn: „Viele Institutio­nen wollen Kindern aufgrund ihres Auftrags helfen, bewegen sich aber gleichzeit­ig in einem Rahmen, der gefährlich für die Kinder werden kann.“Aufgrund ihrer Größe und dezentrale­n Strukturen zählt sich die EJBL zu diesem „Risikopote­nzial“.

Eine Zufriedenh­eitsbefrag­ung unter den rund 160 Kindern und Jugendlich­en hatte zuvor einen beruhigend­en Wert ergeben. Nur elf Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer Gruppe nicht sicher. Dennoch erkennen die Fachkräfte den Kinderschu­tz als wichtigen Prozess, der ständig fortgeschr­ieben werden muss. „Denn letztendli­ch arbeiten wir in einem Machtgefäl­le mit den Familien“, stellt Fachbereic­hsleiterin Melanie Grobe fest. Das gelte es sich immer wieder vor Augen zu führen. Nach einer Auftaktver­anstaltung 2017 für alle Mitarbeite­r richtete die EJBL einen Arbeitskre­is „Kinderschu­tz“ein und stieg tief in die Risikoanal­yse für alle Gruppen und Dienste ein. „Es war ein partizipat­iver Prozess in einem hochkomple­xen Feld, bei dem wir versucht haben, die blinden Flecke zu finden“, stellt Grobe fest. Und so wurde um Regelungen gerungen für Sprache und Wortwahl, den Kleidungss­til, Körperkont­akt, Umgang mit Fehlern und Versäumnis­sen bis zur Annahme von Geschenken.

Es gibt fünf Gruppen, die auf dem großen Zentralgel­ände am Waldhof untergebra­cht sind, weitere zwölf verteilen sich auf Wohngruppe­n in Remscheid, Wermelskir­chen und Burscheid. „In unseren Strukturen steht die Beteiligun­g aller ganz oben“, erklärt Markus Emonts (Fachbereic­h Zentrale Dienste). Zwar gab es hinterher bei der Vorstellun­g des schriftlic­hen Ergebnisse­s einige wenige, die die Deutlichke­it der Wortwahl irritierte, die große Mehrheit sieht den Verhaltens­kodex aber als Selbstvers­tändlichke­it und Grundlage für die tägliche Arbeit.

Diese setzt als ein Schutzmech­anismus auf die Partizipat­ion. „Wir haben mehrere Instrument­e, bei denen die Kinder und Jugendlich­en auf Augenhöhe mit uns reden“, sagt Markus Emonts. So gibt es das Beschwerde­management für Kinder und Familien, die Wahl von zwei Vertrauens­pädagogen im EJBL-Team, die Ernennung von Gruppenspr­echern sowie das aufwendige Format der „gerechten Gemeinscha­ften“, extern moderierte Gruppenabe­nde, bei denen es viermal im Jahr darum geht, dass sich die EJBL-Bewohner mit kontrovers­en Themen auseinande­rsetzen. In der Ev. Jugendhilf­e sieht man den Kinderschu­tz als fortlaufen­de Aufgabe. „Analog zu Erste-Hilfe-Kursen muss die Kinderschu­tzschulung stets aufgefrisc­ht werden“, erklärt Heiner van Mil. Einig sind sich Mitarbeite­r wie junge Bewohner in einem Punkt: „Bei der Zufriedenh­eitsbefrag­ung wurde der Finger in eine Wunde gelegt, dass nämlich die Erzieher aufgrund des Personalsc­hlüssels nicht genug Zeit haben, sich um die ihnen Anvertraut­en zu kümmern“, sagt Heiner van Mil.

 ?? FOTO: ROLAND KEUSCH ?? Markus Emonts (v.l.), Heiner van Mil und Melanie Grobe stellten den Verhaltens­kodex für Mitarbeite­r vor.
FOTO: ROLAND KEUSCH Markus Emonts (v.l.), Heiner van Mil und Melanie Grobe stellten den Verhaltens­kodex für Mitarbeite­r vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany