Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Verhaltenskodex hilft beim Kinderschutz.
Die Evangelische Jugendhilfe Bergisch Land hat mit ihren 140 Mitarbeitern einen Verhaltenskodex verabschiedet. Die Selbstverpflichtung soll sie in der Einrichtung im Reinshagener Waldhof sensibilisieren.
Die Missbrauchsserien in Bergisch Gladbach, Münster und Lügde haben in der jüngsten Vergangenheit für bundesweite Empörung gesorgt. „Aber natürlich sind es auch Fälle in der Kirche und in Heimen, die wachrütteln“, sagt Heiner van Mil, Fachbereichsleiter in der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL). Kinderschutz ist ein brisantes Thema, in dessen Sog die EJBL jetzt einen Verhaltenskodex verabschiedet hat. Die fünfseitige Selbstverpflichtung mit 16 Punkten soll jeden der 140 Mitarbeiter in der Einrichtung im Reinshagener Waldhof sensibilisieren, mit Respekt gegenüber den anvertrauten jungen Menschen umzugehen.
Vorausging ein dreijähriger Prozess, der über weite Strecken extern vom Sozialpädagogen Werner Meyer-Deters (Institut Kogemus) begleitet wurde. Einen Rechtekatalog hatte die EJBL bereits vor Jahren eingeführt, nun wurde nachgelegt. Für Heiner van Mil ein wichtiger Prozess, denn: „Viele Institutionen wollen Kindern aufgrund ihres Auftrags helfen, bewegen sich aber gleichzeitig in einem Rahmen, der gefährlich für die Kinder werden kann.“Aufgrund ihrer Größe und dezentralen Strukturen zählt sich die EJBL zu diesem „Risikopotenzial“.
Eine Zufriedenheitsbefragung unter den rund 160 Kindern und Jugendlichen hatte zuvor einen beruhigenden Wert ergeben. Nur elf Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer Gruppe nicht sicher. Dennoch erkennen die Fachkräfte den Kinderschutz als wichtigen Prozess, der ständig fortgeschrieben werden muss. „Denn letztendlich arbeiten wir in einem Machtgefälle mit den Familien“, stellt Fachbereichsleiterin Melanie Grobe fest. Das gelte es sich immer wieder vor Augen zu führen. Nach einer Auftaktveranstaltung 2017 für alle Mitarbeiter richtete die EJBL einen Arbeitskreis „Kinderschutz“ein und stieg tief in die Risikoanalyse für alle Gruppen und Dienste ein. „Es war ein partizipativer Prozess in einem hochkomplexen Feld, bei dem wir versucht haben, die blinden Flecke zu finden“, stellt Grobe fest. Und so wurde um Regelungen gerungen für Sprache und Wortwahl, den Kleidungsstil, Körperkontakt, Umgang mit Fehlern und Versäumnissen bis zur Annahme von Geschenken.
Es gibt fünf Gruppen, die auf dem großen Zentralgelände am Waldhof untergebracht sind, weitere zwölf verteilen sich auf Wohngruppen in Remscheid, Wermelskirchen und Burscheid. „In unseren Strukturen steht die Beteiligung aller ganz oben“, erklärt Markus Emonts (Fachbereich Zentrale Dienste). Zwar gab es hinterher bei der Vorstellung des schriftlichen Ergebnisses einige wenige, die die Deutlichkeit der Wortwahl irritierte, die große Mehrheit sieht den Verhaltenskodex aber als Selbstverständlichkeit und Grundlage für die tägliche Arbeit.
Diese setzt als ein Schutzmechanismus auf die Partizipation. „Wir haben mehrere Instrumente, bei denen die Kinder und Jugendlichen auf Augenhöhe mit uns reden“, sagt Markus Emonts. So gibt es das Beschwerdemanagement für Kinder und Familien, die Wahl von zwei Vertrauenspädagogen im EJBL-Team, die Ernennung von Gruppensprechern sowie das aufwendige Format der „gerechten Gemeinschaften“, extern moderierte Gruppenabende, bei denen es viermal im Jahr darum geht, dass sich die EJBL-Bewohner mit kontroversen Themen auseinandersetzen. In der Ev. Jugendhilfe sieht man den Kinderschutz als fortlaufende Aufgabe. „Analog zu Erste-Hilfe-Kursen muss die Kinderschutzschulung stets aufgefrischt werden“, erklärt Heiner van Mil. Einig sind sich Mitarbeiter wie junge Bewohner in einem Punkt: „Bei der Zufriedenheitsbefragung wurde der Finger in eine Wunde gelegt, dass nämlich die Erzieher aufgrund des Personalschlüssels nicht genug Zeit haben, sich um die ihnen Anvertrauten zu kümmern“, sagt Heiner van Mil.