Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Virus verstärkt die Krise im Einzelhandel
Die Geschäfte haben geöffnet, dennocht leidet der Modehandel massiv unter der Corona-Pandemie.
In der aktuellen Krise zeigt der Einzelhandel ein höchst unterschiedliches Bild. Während die meisten Lebensmittelmärkte ganz gut durch die Pandemie zu kommen scheinen und Baumärkte sogar einen ungeahnten Boom erleben, geht es anderen Händlern wesentlich schlechter. Allen voran der stationäre Modehandel, der unter deutlichen Umsatzrückgängen leidet. Eine „drohende Pleitewelle“hat das Fachmagazin Textil-Wirtschaft ausgemacht.
Und das gilt wohl auch in Remscheid. „Wir haben schon zu kämpfen“, sagt zum Beispiel Cornelia Wüllenweber, Filialleiterin bei Boecker auf der Alleestraße. Die Menschen hätten einfach weniger Lust auf Shopping. „Wegen der Maske vermutlich. Und vielleicht auch, weil die Leute befürchten, dass die Geschäfte zu voll werden.“Auch der obligatorische Kaffee mit der Freundin sei derzeit ja nicht möglich.
Zudem habe sich das Einkaufsverhalten verändert, hat Wüllenweber festgestellt. „Festliche Mode geht so gut wie gar nicht mehr.“Auch fürs Büro werde weniger verkauft. „Viele sind im Homeoffice und achten darauf, dass die Kleidung bequem ist.“
Vor allem aber werde viel gezielter eingekauft, einfach mal bummeln, das tun nur noch die wenigsten.
Und das schlägt sich in den Kassen der Händler nieder. Von März bis August habe der stationäre Modehandel in Deutschland rund ein Drittel Umsatz im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 eingebüßt, haben erste Hochrechnungen des BTE Handelsverband Textil ergeben. „Boutiquen und Modehäuser haben damit im Vergleich zum Vorjahr etwa fünf Milliarden Euro Umsatz verloren“, sagt BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels.
In einer Phase, in der sich die Branche auch ohne Virus schwergetan hatte. Auch in Remscheid, auch in besten Lagen. Im Allee-Center hatte zum Beispiel die Mode-Kette Bonita erst vor zwei Wochen das Aus zum Jahresende angekündigt. Ein weiterer Modehändler im Center steht ebenfalls kurz vor dem Absprung, wie man hört. Corona wirkt da nun wie ein Brandbeschleuniger.
Auch für andere Trends wie dem zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit, wie Torsten Croll berichtet. In seinem Sport-Geschäft am Bahnhof zeige sich, „dass Geiz nicht mehr geil ist“, wie er es formuliert: „Die Kunden wollen qualitativ hochwertige Produkte und Beratung.“So habe zwar die Kundenfrequenz im Geschäft deutlich abgenommen, aber: „Die, die kommen, haben einen klaren Wunsch und kaufen auch.“Bei Intersport Croll vor allem Outdoor-Bekleidung fürs Laufen, Walken und Wandern an der frischen Luft. Und Geräte für die Fitness daheim. Verkäufe in diesen Bereichen würden die Umsatzeinbußen in anderen derzeit noch teilweise auffangen, berichtet Torsten Croll. So lange die Produkte noch verfügbar sind. „Ich hätte gerne mehr Meindlund Lowa-Schuhe“, sagt er. Außerdem mehr Hanteln. „Und wenn ich wieder Fitnessmatten bekommen könnte, würde ich auch noch einen Laster voll nehmen.“
Dass die Kunden verstärkt Wert auf Nachhaltigkeit und Qualität legen, hat auch Cornelia Wüllenweber bei Boecker festgestellt. Oftmals verbunden mit dem Wunsch nach Beratung. Genau darauf will sie mit ihrem Team setzen, um die Krise zu meistern: Eine Rabattschlacht, wie teilweise von anderen Händlern bereits angekündigt, werde das Modehaus Boecker eher nicht mitmachen, vermutet sie. Stattdessen wolle man lieber punkten, indem man sich jedem Kunden in der Beratung persönlich widme. „Wir freuen uns wirklich über jeden, der zu uns kommt“, sagt Cornelia Wüllenweber. „Es geht ja auch um unsere Arbeitsplätze.“