Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Taylor Swift räumt nicht nur bei den American Music Awards ab, sondern auch in der Branche auf.

Die 30-Jährige streitet für Urheberrec­hte in der Musikindus­trie. Aus diesem Grund will sie ihre frühen Alben neu aufzunehme­n.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Taylor Swift gewann mal wieder bei den American Music Awards, sie bekam drei Preise, darunter den für die Künstlerin des Jahres. Und, noch viel wichtiger: Hätte es eine Auszeichnu­ng für die unverbrüch­lichste und widerständ­igste Kämpferin im Pop gegeben, sie hätte ihn ebenfalls bekommen müssen.

Die 30-jährige Amerikaner­in streitet gerade für die Aufwertung des Urhebers im US-Musikbusin­ess. Sie tut das emotional und öffentlich, sie nutzt die Aufmerksam­keit ihrer 140 Millionen Instagram- und

85 Millionen Twitter-Follower bewusst und geschickt.

Hintergrun­d des Streits ist die Tatsache, dass Swift bereits als 15-Jährige einen Plattenver­trag bei Big Machine Records unterzeich­nete. Der Kontrakt sicherte dem Label weitgehend­e Rechte über das Werk Swifts zu. Im Gegensatz zum deutschen Markt sind solche massiven Rechtsüber­tragungen von Urhebern auf Labels in den USA möglich. Die Masteraufn­ahmen ihrer ersten sechs Alben, darunter millionenf­ach verkaufte Juwelen wie „Red“und „1989“, blieben denn auch bei Big Machine, als Swift 2018 zu Republic wechselte, einem Label, das zu Universal gehört.

Swift kämpfte um diese Masteraufn­ahmen, doch statt sie zu bekommen, wurde ihr „schlimmste­r Albtraum“wahr, wie sie selbst es nannte: Scooter Braun, ein Musikmanag­er, dem sie seit Jahren Mobbing vorwirft, kaufte das Label Big Machine und damit die Rechte an Swifts Songs für 300 Millionen Dollar. Scooter Braun ist zudem ein guter Bekannter von Kanye West, mit dem Swift ebenfalls über Kreuz liegt, seit der Rapper sie bei den Video Music Awards 2009 vor laufender Kamera demütigte. Sie entschloss sich also zu einer ungewöhnli­chen Aktion: Sie drohte nicht nur an, alle ihr als Urheberin noch bleibenden Möglichkei­ten zu nutzen, um zu verhindern, dass andere mit den frühen Aufnahmen Geld verdienen – etwa bei der Freigabe für Soundtrack­s. Sie kündigte außerdem an, die frühen Alben auf eigene Faust neu aufzunehme­n, um die Originale wertlos zu machen. Vorbild dafür ist möglicherw­eise Prince, der Ähnliches vorhatte, als er sich mit Warner Records stritt. Plattenfir­ma und Künstler einigten sich damals indes, bevor Prince neue Versionen alter Hits veröffentl­ichte.

Tatsächlic­h drohte Braun an, Swift untersagen zu lassen, ihre Hits bei den American Music Awards 2019 oder in ihrer Netflix-Dokumentat­ion zu spielen. Er wollte der Künstlerin also ihre Lieder wegnehmen. Swift machte diese Vorgänge öffentlich, Braun soll daraufhin Morddrohun­gen erhalten haben und lenkte ein. Allerdings verkaufte er die Swift-Rechte kürzlich ohne Swifts Wissen an ein Private-Equity-Unternehme­n

namens Shamrock Holdings.

Swift bewegte 2015 bereits Apple zum Einlenken. Der Konzern wollte zum Start seines eigenen Streamingd­ienstes Lieder drei Monate gratis anbieten. Wenige Tage nach Veröffentl­ichung eines offenen Briefes

von Swift gab Apple nach. Der neue Vertrag bei Universal räumt ihr die Kontrolle über Kompositio­nen und Texte ein. In einem zweiten Schritt erkämpfte Swift eine Beteiligun­g für alle dort unter Vertrag stehenden Künstler, falls Universal seine Anteile an Spotify verkauft.

Taylor Swift ist so etwas wie die Heilige Johanna der amerikanis­chen Musikindus­trie. Eine Frau, die gegen ein männerdomi­niertes Milieu kämpft. Und sie hat die Macht, dereinst als Siegerin dazustehen. Sie ist der erfolgreic­hste Popstar des vergangene­n Jahrzehnts und auch dieses Jahres. Ihr Album „Folklore“setzte im Corona-Jahr thematisch und wirtschaft­lich Standards. Nun nimmt sie also ihre frühen Alben neu auf. Und vielleicht erfindet sie damit ein neues Genre: die Wiederbege­gnung mit dem eigenen Werk, die kreative Revision. Werde, wer du warst.

Kann man sich schon jetzt drauf freuen.

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FOTO: AP Taylor Swifts Album „Folklore“ist das bestverkau­fte des Jahres.

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