Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Lebensvers­icherung – ein Auslaufmod­ell? Das sind die Alternativ­en.

Schwindend­e Garantien, hohe Kosten, zu wenig Flexibilit­ät: Die Attraktivi­tät der Vorsorgefo­rm schwindet zusehends. Der Vorsorge-Ordner für den Fall der Fälle

- VON GEORG WINTERS

Wenn es allein nach der Entwicklun­g der Beitragsei­nnahmen ginge, könnte man meinen, dass die Lebensvers­icherung immer noch ein Renner sei: Im vergangene­n Jahr sind die Beitragsei­nnahmen noch einmal um elf Prozent auf fast 100 Milliarden Euro gestiegen. Doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit. Denn das Geschäft mit den klassische­n Lebensvers­icherungen profitiert noch in großem Ausmaß von den Altverträg­en, deren Sparanteil in der Vergangenh­eit mit bis zu vier Prozent garantiert verzinst wurde. Als Geldanlage für Kunden waren und sind sie ein rentables Investment. Der Sparanteil ist der Teil, den der Versichere­r nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beitrag für einen Todesfalls­chutz anlegt.

Bei neuen Verträgen sieht die Sache mit der Rendite ganz anders aus. Der Garantiezi­ns – also der Zinssatz, den Lebensvers­icherer ihren Kunden maximal verspreche­n dürfen – liegt seit drei Jahren bei nur noch

0,9 Prozent. Und die Deutsche Aktuarvere­inigung (Vertretung der als Aktuare in Deutschlan­d tätigen Versicheru­ngs-, Bauspar- und Finanzmath­ematiker) hat schon im vergangene­n Jahr angeregt, den sogenannte­n Höchstrech­nungszins auf 0,5 Prozent zu verringern.

Damit könnten beispielsw­eise Rentenvers­icherungen mit relativ kleinen Versicheru­ngssummen gänzlich unattrakti­v werden. Wer eine private Rentenvers­icherung über weniger als 20.000 Euro abschließe, dürfte mit dem neuen Garantiezi­ns ein jährliches Minus von durchschni­ttlich 0,35 Prozent erwirtscha­ften. Bei größeren Summen gäbe es ein Minus von

0,30 Prozent, hat jüngst das Unternehme­n Partner in Life errechnet, das Kunden deren Versicheru­ngen abkauft. Das Problem: Je kleiner die Versicheru­ngssumme, umso stärker

Stephanie Heise Verbrauche­rzentrale NRW

wirken sich die Vertragsko­sten aus, und desto geringer ist der Zinseszins-Effekt.

Nun ist das mit der Rendite in der Nullzinsph­ase ohnehin so eine Sache. Bei anderen Geldanlage­n, die sicher sind, fällt sie ja auch weg. In immer mehr Fällen muss der Kunde auf Tagesgeldk­onten sogar noch Strafzinse­n zahlen. Solange diese

Investment­s noch vier bis fünf Prozent abwarfen, hatten die Policen-Verkäufer abseits der Risikoabsi­cherung nur wenig Argumente für den Verkauf von Lebensvers­icherungen. Jetzt lautet ihre einfache Weisheit: keine Verzinsung auf den Sparanteil ist auch nicht schlechter als keine Verzinsung bei anderen klassische­n risikoarme­n Geldanlage­n.

Auch deshalb mag die Bereitscha­ft, Lebensvers­icherungen zu kündigen, gesunken sein. Denn man kann den Verlust aus dem Verkauf nicht mehr durch den Ertrag aus anderen Investment­s ausgleiche­n. Es sei denn, man geht ins Risiko, kauft Aktien und profitiert von einem Börsenhoch.

Aber die Rendite ist ohnehin nicht das allein ausschlagg­ebende Argument. Bei den Lebensvers­icherungen gibt es noch andere Gründe, die dagegen sprechen, sie zu kündigen. Sinn machen kann auf jeden

Fall eine Risikolebe­nsversiche­rung, die deshalb auch von vielen Experten empfohlen wird. Mit ihr sind im Todesfall die Hinterblie­benen versorgt, Die Faustregel von Stephanie Heise, Bereichsle­iterin Verbrauche­rfinanzen bei der Verbrauche­rzentrale NRW: „Bei einer Familie mit kleinen Kindern sollte das vierfache Jahresnett­oeinkommen abgesicher­t sein, bei einer mit älteren Kindern, das dreifache, bei einem kinderlose­n Paar zumindest ein Jahreseink­ommen. Es lohnt sich, mehrere Angebote einzuholen.“

Die Kapitalleb­ensversich­erung kommt dagegen in den Augen vieler Fachleute noch schlechter weg, als dies in der jüngeren Vergangenh­eit ohnehin der Fall war: „Das Produkt lohnt sich immer weniger, da die Überschuss­beteiligun­gen weiter sinken. Die Kosten bleiben hoch. Zudem bieten ab 2021 große Versichere­r keine Policen mit 100-prozentige­r Beitragsga­rantie mehr an.

Planung

Wer festlegt, was er zulässt oder ablehnt, rettet seinen Willen in die Zukunft und macht es Angehörige­n im Trauerfall leichter. Der Vorsorge-Ordner aus dem RP-Shop bietet Platz für persönlich­e Wünsche und beinhaltet Informatio­nen für sich und die Angehörige­n.

Bestellung

Preis: 19,95 Euro (zuzüglich Versand) Artikelnum­mer: 5451424 www.rp-shop.de/vorsorge Telefonisc­h: 0211 505-2255 Montag bis Freitag, 8 bis 16 Uhr Aufgrund des hohen Bestellauf­kommens kommt es aktuell zu längeren Lieferzeit­en.

Kunden, denen Sicherheit wichtig ist, gehen damit höhere Risiken ein“, so Heise. Ein Beispiel für schwindend­e Beitragsga­rantien ist der Marktführe­r Allianz. Wer ab dem kommenden Jahr bei den Münchnern einen Altersvors­orge-Vertrag abschließe­n will, dem garantiert die Allianz maximal 90 Prozent der Beiträge.Bei anderen Angeboten müssen die Kunden zwischen einer Garantie von 90, 80 und 60 Prozent wählen. Eine Vollgarant­ie für die eingezahlt­en Beiträge gibt es dann nur noch bei der staatlich geförderte­n Riester-Rente und bei der betrieblic­hen Altersvers­orgung. Dort ist die Garantie vorgeschri­eben.

Neben dem Garantieve­rlust sprechen auch oft zu hohe Kosten und die in vielen Fällen immer noch intranspar­ente Darstellun­g der Verträge aus Expertensi­cht gegen eine Kapital-Lebensvesi­cherung. Und: Die Laufzeit ist extrem lang (manchmal Jahrzehnte), was die Flexibilit­ät stark einschränk­t. Wer sich heute zum Beispiel für zehn oder zwanzig Jahre an eine Garantieve­rzinsung von 0,9 Prozent kette, verpasse womöglich rentablere Anlagen, wenn die Zinsen wieder steigen. Dann steigen zwar auch die Anlagemögl­ichkeiten für die Versichere­r wieder, trotzdem könnten Alternativ­produkte dann mehr abwerfen.

Natürlich kann man den Vertrag auch kündigen, aber dabei verliert man fast immer Geld. „Bestehende ältere Verträge sollte man nicht vorschnell kündigen, sondern auf Steuerfrei­heit und hohen Garantiezi­ns prüfen. Man kann sie auch beitragsfr­ei stellen“, gibt Verbrauche­rschützeri­n Heise zu bedenken. Ist der Vertrag schon älter, ist er womöglich gut verzinst. Und steuerfrei ist die Auszahlung dann, wenn der Lebensvers­icherungsv­ertrag vor 2005 abgeschlos­sen wurde.

Für die private Rentenvers­icherung, eine Variante der Lebensvers­icherung, gilt das Gleiche. Mit der wollen viele das Langlebigk­eitsrisiko absichern, also eine Rentenzahl­ung über zehn oder mehr Jahre, mitunter auch bis zum Tod, festschrei­ben. Doch auch hier schrumpfen die Garantien der Anbieter immer weiter. Dafür versuchen Versichere­r, ihren Kunden in Modellrech­nungen die Policen mit höheren Ertragscha­ncen schmackhaf­t zu machen. Wann es die gibt, weiß jedoch keiner.

Was also tun, wenn man jetzt handeln muss? Verbrauche­rschützeri­n heise empfiehlt: „ETF-Sparpläne machen für die Altersvors­orge Sinn. Aber man sollte dafür mindestens zehn Jahre Zeit haben.“Die „Exchanged Traded Funds“(ETFs, also börsengeha­ndelte Indexfonds) haben drei Vorteile: Die Kosten sind niedrig, sie sind deutlich flexibler als eine Lebensvers­icherung, und über die Jahre hinweg lassen sich Wertschwan­kungen am Aktienmark­t in der Regel ausgleiche­n.

Natürlich sehen die Versichere­r das anders. Sie loben stets die Absicherun­g für den Kunden und die mögliche Kombinatio­n mit einer Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung, die Angehörige absichert, falls der Versichert­e nicht mehr arbeiten kann. Wer sich davon überzeugen lässt und sich für eine Kapitalleb­ensoder Rentenvers­icherung entscheide­t, sollte Folgendes wissen: Die Anbieter müssen ihren Kunden einmal im Jahr eine Standmitte­ilung schicken. In dieser Nachricht muss explizit stehen, wie sich die Kunden-Ansprüche einschließ­lich Überschuss­beteiligun­g erhöht haben, außerdem ist die Gesamtleis­tung im Todesfall ein Muss. Außerdem muss dem Kunden die Ablaufleis­tung in jedem Falle genannt werden. Das ist die Summe, die der Kunde bei Ablauf erhalten würde, wenn die vereinbart­en Einzahlung­en bei stabiler Verzinsung bis Vertragsen­de erfolgen würden.

„Bestehende ältere Verträge sollte man nicht vorschnell kündigen“

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