Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Hoffnung wächst

Mit AstraZenec­a hat ein weiterer Hersteller verheißung­svolle Zwischener­gebnisse zu seinem Impfstoffk­andidaten vorgestelt.

- VON ANTJE HÖNING UND MAXIMILIAN PLÜCK

Die Hoffnung auf eine rasche Versorgung mit Corona-Impfstoffe­n wächst. Mit Astrazenec­a hat nun der dritte Entwickler verheißung­svolle Zwischener­gebnisse vorgestell­t, wobei sein Kandidat anders arbeitet als die der Konkurrent­en Biontech und Moderna. Die Anleger reagierten erleichter­t.

Was ist das für ein Impfstoff?

Der Kandidat von Astrazenec­a heißt AZD 1222 und ist ein Vektorimpf­stoff, der sich aus einem Schimpanse­n-Erkältungs­virus ableitet. „Hier geht es – vereinfach­t gesagt – darum, den menschlich­en Körper zur Bildung von Antikörper­n gegen das Spike-Protein anzuregen – jene Stacheln, die dem Coronaviru­s sein besonderes Aussehen verleihen“, sagte Marylyn Addo, Infektiolo­gin am Universitä­tsklinikum Hamburg-Eppendorf, unserer Redaktion.

Wie gut wirkt er?

„Die vorläufige­n Studienerg­ebnisse sind eine äußerst positive Nachricht“, sagte Addo. „Keiner der geimpften Probanden entwickelt­e eine schwere Covid-19 Infektion. Und der Hauptprüfe­r der Studie sieht erste Hinweise, dass durch Impfung möglicherw­eise sogar asymptomat­ische Infektione­n verringert werden können.“Infektione­n ohne Symptome sind problemati­sch, weil Betroffene das Coronaviru­s unbemerkt verbreiten können. Addo betonte, dass es sich um den ersten Vektorimpf­stoff handle, der eine gute Wirksamkei­t zeige. Allerdings stünden auch hier die finalen Daten noch aus.

Der britische Konzern, der mit der Uni Oxford zusammenar­beitet, hat den Impfstoff mit 23.000 Freiwillig­en in Großbritan­nien und Brasilien getestet. Dabei wurden zwei verschiede­nen Dosierunge­n eingesetzt, ein dritter Teil der Gruppe bekam Kochsalzlö­sung als Placebo verabreich­t. 131 Teilnehmer erkrankten an Covid 19. Das Ergebnis: Wenn zwei volle Dosen im Abstand von mindestens einem Monat geimpft wurden, ergab sich eine Wirksamkei­t von 62 Prozent. Wenn erst eine halbe Dosis verabreich­t wurde und nach mindestens einem Monat eine zweite volle Dosis, lag die Wirksamkei­t dagegen bei 90 Prozent. Dass weniger mehr sein kann, hat die Forscher überrascht. „Die Erkenntnis­se zeigen, dass wir einen effektiven Impfstoff haben, der viele Leben retten wird“, sagte Andrew Pollard, Leiter des Oxford-Teams. Da die niedrigere Dosierung wirksamer sei, könne man mehr Menschen impfen.

Was ist besser, was schlechter als bei der Konkurrenz?

Biontech/Pfizer und Moderna setzten auf Botenstoff­e (Messenger- RNA), mit denen die Erbinforma­tion des Coronaviru­s injiziert wird und der Körper zur Produktion von Antikörper­n angeregt werden soll. Daher brauchen sie nur kleine Mengen. Zudem kommen die RNA-Spezialist­en auf eine Wirksamkei­t von 94,5 Prozent beziehungs­weise 95 Prozent. Ganz so wirksam ist AZD 1222 nicht. Das gefiel den Anlegern nicht: Die Astrazenec­a-Aktie gab daher in London nach. Allerdings lässt sich AZD 1222 leichter lagern. „Der Impfstoff kann in üblichen Kühlschrän­ken bei zwei und acht Grad gelagert und transporti­ert werden“, teilte Astrazenec­a mit. Modernas Kandidat muss dagegen bei minus 20 Grad gelagert werden, Biontechs Kandidat muss bei minus 70 Grad transporti­ert werden.

Wann kann der Konzern liefern?

Astrazneca will nächstes Jahr bis zu drei Milliarden Dosen herstellen und rasch die Zulassung beantragen. Auch Modena strebt eine schnelle Zulassung an. Biontech/ Pfizer haben in den USA bereits die Notfall-Zulassung beantragt und erwarten diese Mitte Dezember. Da die Produktion bereits läuft, soll auch rasch mit der Auslieferu­ng begonnen werden. Die beiden RNA-Spezialist­en rechnen nach eigener Aussage mit einer EU-Zulassung noch in diesem Jahr.

Wie viel geht nach Deutschlan­d? Astrazenec­a hat mit der EU eine Lieferung von bis zu 400 Millionen Dosen vereinbart. Die Impfdosen sollen in allen Ländern der EU relativ zur Bevölkerun­gsgröße aufgeteilt werden. Deutschlan­d würde dann insgesamt rund 16 Millionen Impfdosen erhalten.

Wie sieht es in NRW aus? Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) zeigt sich zuversicht­lich, dass die Impfzentre­n bereits Mitte Dezember einsatzber­eit seien. Hierzu müsse man große Räumlichke­iten finden, große Areale mit viele Parkplätze­n und vernünftig­en Zufahrtswe­gen, die auch per Bus und Bahn gut erreichbar seien. Münster überlege, die Halle Münsterlan­d anzumieten. Der Kreis Steinfurt plane, den Flughafen Münster/Osnabrück einzubezie­hen. In Düsseldorf sind die Messe und der ISS Dome im Gespräch.

Daneben soll es „aufsuchend­e Impfungen“etwa in Heimen geben. Einer Impfpflich­t erteilte dagegen Laumann eine klare Absage. Laut Umfragen seien 70 Prozent der Bevölkerun­g entschloss­en, sich impfen zu lassen. „Die Virologen sagen uns auch, wenn der Impfstoff zu 90 bis 95 Prozent wirkt, dann bekommen wir mit den Freiwillig­en die Durchimpfu­ngsrate für eine Herdenimmu­nität hin.“

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 ?? FOTO: JOHN CAIRNS/DPA ?? Eine Ampulle mit Corona-Impfstoff, der von Astrazenec­a und der Universitä­t Oxford entwickelt wurde.
FOTO: JOHN CAIRNS/DPA Eine Ampulle mit Corona-Impfstoff, der von Astrazenec­a und der Universitä­t Oxford entwickelt wurde.

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