Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wer früh spart, schneller in Ren
Auch wegen Corona sparen die Deutschen so viel wie nie. Experten raten, klug und dauerhaft zu investieren, um im Alter flexibel zu sein und um das Leben zu genießen.
Wie arm oder reich sind die Deutschen? Während der Corona-Krise zeigt sich, dass sie hohe Reserven haben. Die privaten Haushalte haben ihre Sparquote vom beachtlichen Niveau von elf Prozent ihres Einkommens teils auf 20 Prozent verdoppelt. Dabei spielt auch eine Rolle, dass viele Arbeitnehmer sich Sorgen um den Job machen. Noch wichtiger ist, dass die Mehrheit der Bürger weniger Gelegenheiten hat, Geld auszugeben: Die Restaurants sind geschlossen, Konzerte finden nicht statt, der Autokauf wird verschoben.
Der Trend bestätigt sich, dass viele Bürger mehr Geld zurücklegen als oft angenommen. Zwar hat die Hälfte der Bevölkerung fast kein Vermögen auf der hohen Kante. Aber viele Bürger könnten dank relativ hoher Einkommen oft 20 bis 30 Prozent ihrer Einnahmen zur Seite legen. Und weil die westlichen Industriegesellschaften ihren Wohlstand seit Ende des Zweiten Weltkrieges um mehr als 300 Prozent erhöht haben, und gerade Gutausgebildete wie Ingenieure oder Computerexperten in frühen Jahren hohe Einkommen erzielen, sind hohe Sparquoten kein elitäres Thema. „Junge Akademiker sparen häufig sehr ansehnliche Summen“, sagt Bernhard Freytag, Niederlassungsleiter der Quirin Privatbank in Düsseldorf, „damit sorgen sie vor für einen schönen Ruhestand eventuell auch deutlich vor der Rentengrenze. Und sie schaffen sich eine Basis für spätere große Anschaffungen wie ein Haus.“
Drei Dinge spielen eine Rolle: Erstens können natürlich nur Bürger mit einem relativ hohen Einkommen den Traum vom arbeitsfreien Paradies anstreben: Wer nur
1500 Euro netto im Monat verdient, kann nach Abzug von Kosten für Miete, Heizung, Kleidung und Lebensmitteln nur wenig zurücklegen. Doch wenn ein Doppelverdienerpaar von Jung-Studienrat und angestellter Chemikerin gemeinsam 4500 Euro netto im Monat verdient, sieht das schon anders aus. „Solche Familien können dann oft
1500 Euro oder mehr im Monat zurücklegen“, sagt Freytag.
Zweitens ist ohne Konsumverzicht der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit undenkbar. „The Millionaire next door“(zu deutsch: „Der Millionär nebenan“) heißt ein US-Beststeller über den Weg zum Wohlstand. Gemeinsam ist demnach den meisten Menschen mit hohem Vermögen, dass sie jeden Monat 15 bis 20 Prozent des Einkommens auf die hohe Kante legen. „Wenn Menschen diszipliniert viele Jahre lang Geld zurücklegen“, sagt Petra Anton von der Evolog Rentenberatung in Hürth, „bringt das auf Dauer beachtliche Reserven“.
Drittens zählt die richtige Anlagestrategie: Sparbücher oder Festgeld sind zur Zeit der Negativ-Zinsen nicht sinnvoll, Immobilien sind mittlerweile sehr teuer geworden, bei Aktien rechnen viele Experten aber damit, dass sie weiterhin im Schnitt deutlich über fünf Prozent Rendite bringen. „Es kommt auf die langfristige Perspektive an“, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Finanzportals Finanztip. Die Börsen würden zwar schwanken, aber im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte hätte man mit global orientierten Aktienfonds eine Rendite von sieben Prozent pro Jahr erzielen können.
Dabei raten Tenhagen und Freytag zu sogenannten Indexfonds, auch bekannt als ETFs, die das Geld der Kunden breit gefächert anlegen. „Je breiter gestreut, umso besser“sagt Freytag. „So investieren wir das Geld unserer Kunden in mehr als 10.000 Unternehmen weltweit. Damit ist man unabhängiger von einzelnen Regionen oder Branchen und profitiert vom globalen Trend, obwohl auch dies deutliche Rückschläge nicht verhindern kann.“
Dauerhaft stabile monatliche Einzahlungen senken das Risiko. „Der Anleger profitiert dann vom Cost-Average-Effekt“, sagt Freytag. „Denn wenn es an der Börse zeitweise bergab geht, erhält er oder sie in dieser Zeit für sein Geld sogar mehr Fondsanteile als während eines Börsenhochs.“
Die große Frage ist nun, was die Anleger mit dem angesparten Kapital machen, wenn sie es langsam ausgeben wollen. Rentenexpertin Anton rät zum Kauf einer Immobilie, um im Alter mietfrei wohnen zu können. „Das schützt schon einmal sehr vor Finanznöten.“Banker Freytag empfiehlt, auch im Alter den Kapitalmärkten treu zu bleiben. „Wenn jemand mit 55 oder 60 Jahren zum großen Teil von seinem Vermögen leben will, raten wir zu einer Mischstrategie. Ein Teil des Kapitals wird in festverzinslichen Papieren oder ETFs zur Sicherheit investiert, aber der Rest bleibt an der Börse.“
Trotz großer Sympathie fürs Investieren warnt der 55-jährige aber auch davor, es nicht mit dem Sparen zu übertreiben: „Wenn jemand einen Lebenstraum wie den Kauf eines Wohnmobils oder das Abenteuer Weltreise hat, sollte er das besser schon als junger Mensch wagen. Denn ob man das noch mit 55, 60 oder 65 Jahren nachholt, weiß doch niemand“, sagt er und fügt hinzu: „Das Schlimmste sind die verpassten Erlebnisse.“
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