Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

In der Trauer ist Nähe verboten

Die Bestatter müssen aufgrund der Corona-Pandemie viele Auflagen erfüllen. Manche Trauernde protestier­en lautstark.

- VON PETER KLOHS

Die Fristen sind verlängert, die Kirchengem­einden kulanter geworden: Die anhaltende Corona-Krise sorgt für einen Umbruch im Bestattung­swesen. Einerseits geht es darum, Menschen, die mit oder an Covid-19 gestorben sind, möglichst schnell unter die Erde zu bringen, anderersei­ts verschiebe­n sich viele Beerdigung­en.

„Denn es sterben ja auch Menschen ohne Corona, und die – es klingt makaber, ich weiß – müssen warten“, sagt Holger Reichenbac­h, Bestatter aus Lennep und Vorsitzend­er der organisier­ten Remscheide­r Bestatter. Das und weitere Maßnahmen in der Pandemie-Bekämpfung sorgen mitunter für reichlich Zündstoff in Remscheid.

Eigentlich sollen Verstorben­e innerhalb von zehn Tagen bestattet werden. „Aber das ist im Moment nicht immer möglich. Denken Sie einmal an eine Familie, die einen Verstorben­en beerdigen will und wegen des Coronaviru­s in Quarantäne ist. Da kann sich alles um zwei Wochen verzögern“, sagt Holger Reichenbac­h. Auch die Fristen für Urnenbesta­ttungen wurden geändert. „Im Vorfeld von Corona war die Frist sechs Wochen. Jetzt soll die Urne innerhalb eines Vierteljah­res beigesetzt werden“, erklärt Reichenbac­h.

14 Friedhöfe gibt es insgesamt in der Seestadt auf dem Berge. Am Grab und während der Trauerfeie­r sind dort nur noch wenige Gäste

erlaubt. Den Angehörige­n wird die Zahl der maximal zugelassen­en Trauergäst­e mitgeteilt. In Lüttringha­usen dürfen es 25 sein. Sie müssen sich vor der Trauerfeie­r in eine sogenannte Coronalist­e eintragen. „Sind die avisierten Gäste alle vor Ort, wird die Kapelle zugesperrt und niemand kann mehr hinein“, berichtet Holger Reichenbac­h von den Abläufen.

Das Vorgehen hat schon zu lautstarke­n Protesten von Trauernden geführt, die nicht angemeldet und deshalb abgewiesen worden waren. „Aber wir hier in Remscheid sind ja noch großzügig. Ich weiß von anderen Städten in Nordrhein-Westfalen, in denen die Gästezahl auf fünf bis zehn begrenzt ist“, berichtet Holger Reichenbac­h.

Während der Trauerfeie­r ist das Tragen einer Mund-Nasen-Maske vorgeschri­eben. Das gilt übrigens für alle Friedhofsb­esuche. „Es ist augenblick­lich nicht möglich, dass sich die Trauernden vom Verstorben­en am Sarg verabschie­den“, sagt der Remscheide­r Bestatter. Auch das ist der Corona-Pandemie geschuldet.

Für die Bestatter ist unterdesse­n auch der bürokratis­che Aufwand mit Corona gestiegen. Dazu gehören besondere Regeln für die Bestattung von Menschen, die an oder mit einer Covid-19-Infektion gestorben sind. „Die Beerdigung von Corona-Verstorben­en

geht vor“, erklärt Holger Reichenbac­h. Dem Sarg ist ein deutlich sichtbares Schreiben in Din-A4-Größe beizufügen, auf dem steht: „Achtung! Coronaviru­s – Sarg nicht öffnen!“

Knapp ein Drittel der 32 offizielle­n Remscheide­r Corona-Toten hat der Lenneper Bestatter beigesetzt. Zur Zeit rät Holger Reichenbac­h zur Feuerbesta­ttung, wenngleich er auch weiß: „Manche Hinterblie­bene sind in ihrem Glauben verwurzelt, in dem es heißt: ‚Die Auferstehu­ng des Fleisches . . .“Deshalb halten sie auch an der klassische­n Sargbestat­tung fest.

Geändert hat sich durch die Corona-Krise aber nicht nur der Verlauf und die Art der Bestattung. Auch die Wahl des Friedhofs ist leichter geworden. „Die Remscheide­r Kirchengem­einden, die für die Friedhöfe verantwort­lich sind, handhaben das heute sehr kulant und lassen auf ihrem Friedhof auch Menschen beerdigen, die nicht der jeweiligen Konfession angehören. Früher war das undenkbar“, weiß Holger Reichenbac­h. „Aber das hat sich deutlich gelockert, auch durch die zahlreiche­n Kirchenaus­tritte“, ergänzt er.

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ein Drittel der 32 Remscheide­r Corona-Toten
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FOTO: MICHAEL SCHÜTZ Der Lenneper Holger Reichenbac­h hat knapp ein Drittel der 32 Remscheide­r Corona-Toten bestattet.

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