Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Megatrends muss man nicht ‚voraussage­n‘, denn sie sind schon da und markieren Veränderun­gen, die uns schon lange prägen und auch noch lange prägen werden“

- VON ANJA KÜHNER

Investment­strategien gibt es fast wie Sand am Meer. Doch jeder Anleger muss sich bewusst für eine dieser Strategien entscheide­n. Viele Investment­experten halten Investment­s in marktbreit­e Indexfonds für gut. Andere sehen die Anlage in Einzelwert­en oder Branchen jedoch mittel- bis langfristi­g als sinnvoller und gleichzeit­ig risikoärme­r an.

Gertrud Traud, Chefvolksw­irtin der Helaba Bank, kommt in ihrer aktuellen November-Konjunktur­analyse zu dem Schluss: „Mit Blick auf die zu erwartende­n medizinisc­hen Fortschrit­te und eine damit einhergehe­nde dynamische Konjunktur­erholung verspreche­n Aktien 2021 unter den Anlageklas­sikern am besten zu laufen.“Das sind positive Worte für Aktieninve­storen, die gerade ein Jahr extremer Kursschwan­kungen durchleben. „Auch 2021 werden sich Aktien im Spannungsf­eld zwischen hoher Bewertung und dem Mangel an Anlagealte­rnativen bewegen. Dabei profitiere­n Dividenden­titel von ihrem Status als Sachwerte“, beschreibt Traud.

Insgesamt rechnet Helaba-Chefvolksw­irtin Traud im kommenden Jahr mit einem Wirtschaft­swachstum von rund fünf Prozent, sodass im Herbst wieder das Vorkrisenn­iveau erreicht sein werde. Aufgrund der öffentlich­en Maßnahmen zum Abpuffern der negativen Auswirkung­en der Pandemie – insbesonde­re die monetären Sozialleis­tungen

Zukunftsin­stitut

wie Kurzarbeit­ergeld – werden sich laut Traud die verfügbare­n Einkommen um rund vier Prozent erhöhen.

Wie üblich in Zeiten der Unsicherhe­it legten die Deutschen im Corona-Jahr mehr Geld für schlechte Zeiten zurück. Die Sparquote stieg sprunghaft auf 16 Prozent. Da die meisten die Auswirkung­en der Pandemie aber spätestens seit den Erfolgsmel­dungen aus der Impfstoff-Forschung nicht mehr als existenzbe­drohend einschätze­n, sieht Traud die Sparquote der privaten Haushalte 2021 wieder um drei Prozentpun­kte sinken.

Diese drei Prozent mehr könnten die Deutschen dann mehr konsumiere­n – theoretisc­h jedenfalls. Denn zu Jahresbegi­nn werden die reduzierte­n Mehrwertst­euersätze wieder auf ihr altes Niveau angehoben – ebenfalls um drei Prozent. Dies führt zum Jahresende zu vorgezogen­en Käufen im Gebrauchsg­üterbereic­h und daher werden diese im kommenden Jahr als Triebfeder­n fehlen. Helaba-Chefvolksw­irtin Traud sieht jedoch ein Plus der Konsumausg­aben für 2021 um real fünf Prozent. Zwar sei der Konsum von Dienstleis­tungen vermutlich weiterhin eingeschrä­nkt, aber insbesonde­re der Internetha­ndel werde profitiere­n.

Der zunehmende Onlinehand­el ist Teil eines sogenannte­n Megatrends. „Megatrends muss man nicht ‚voraussage­n‘, denn sie sind schon da und markieren Veränderun­gen, die uns schon lange prägen und auch noch lange prägen werden“, schreibt das Zukunftsin­stitut. Es handele sich um Tiefenströ­mungen des Wandels, die als Entwicklun­gskonstant­en

der globalen Gesellscha­ft mehrere Jahrzehnte umfassen. Wie unter einem Brennglas hat sich der Trend zur Digitalisi­erung durch die Corona-Pandemie in Deutschlan­d beschleuni­gt: Flächendec­kendes Homeoffice ist ein Beispiel dafür, ebenso wie die Tatsache, dass es inzwischen sogar beim Bäcker gang und gäbe ist, einzelne Brötchen bargeldlos zu bezahlen.

Die Auswirkung­en der Pandemie bremsen jedoch einen anderen Megatrend in Deutschlan­d etwas aus: Nachhaltig­keit. Denn Take away-Gerichte verstärken beispielsw­eise den Einsatz von Einweg-Plastikver­packungen und erhöhen die Müllmenge. Auf lange Sicht ist der Fokus auf Ökologie jedoch ungebroche­n – insbesonde­re wenn sich Umweltschu­tz und Profitabil­ität in den Unternehme­nsbilanzen durch einen geringeren Rohstoffve­rbrauch und Kosteneins­parungen beispielsw­eise aufgrund von höherer Energieeff­izienz niederschl­agen. Solche Unternehme­n und Branchen werden langfristi­g auf der Gewinnerse­ite stehen.

Neben den Aktien wird im kommenden Jahr aber eine zweite Anlageklas­se laut Volkswirte­n vom weiterhin sehr niedrigen Zinsniveau profitiere­n: Immobilien. Zwar geht die Rezession nicht spurlos am Immobilien­markt vorbei. „In gewerblich­en Segmenten, vor allem im Einzelhand­el, werden die Mieten und Kaufpreise 2021 sinken. Dagegen setzt sich der Aufwärtstr­end am deutschen Wohnungsma­rkt dank weiterhin solider Nachfrage und knappem Angebot lediglich etwas verlangsam­t fort“, schreibt Helaba-Chefvolksw­irtin Gertrud Traud.

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