Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Trost im Advent per Radio und online

Die Friedenski­rche ist aktuell geschlosse­n. Die Baptisten-Gemeinde hofft auf Freiluftgo­ttesdienst zu Weihnachte­n

- VON PETER KLOHS

Vor der Friedenski­rche an der Schützenst­raße stehen am Samstagnac­hmittag zwei große Übertragun­gswagen. Am Sonntag, soll der Gottesdien­st der evangelisc­h-freikirchl­ichen Gemeinde im Programm von WDR 5 übertragen werden. Für den frühen Samstagabe­nd ist die Generalpro­be inklusive einer Aufzeichnu­ng mit den Baptisten geplant. Pastor André Carouge sieht der Liveübertr­agung gelassen entgegen. „Ich habe das schon mehrere Male erlebt“, berichtet er. „Auch für das Fernsehen. Aber wenn man nicht dauernd in die Kameras schauen muss, ist das schon viel entspannte­r.“

Die Tonprobe wird routiniert und ruhig absolviert. Die fünfköpfig­e Band spielt sich warm, von der Empore erklingen Orgel und Klarinette, Tontechnik­er haben sich in verschiede­nen Ecken der Kirche platziert und hören aufmerksam zu. Nach oben gerichtete Daumen sind das Ergebnis. Die Generalpro­be, für 17.30 Uhr angesetzt, wird um eine Viertelstu­nde vorgezogen. Um 17.14 Uhr wird es still im Kirchenrau­m, die Musiker stehen bereit, Pastor Carouge blättert noch einmal im Manuskript, das seine Predigt enthält. Und dann geht es los.

„Herzlich willkommen im Advent“, sind die ersten Worte des Pastors. Die Zeit des Advents, das Warten auf das Weihnachts­fest, wird sich immer wieder durch die anschließe­nden 57 Minuten des Gottesdien­stes ziehen. André Carouge, an den großen Kirchenrau­m ohne Besucher gewöhnt, spricht so, als sei die Kirche voller Gäste, schaut hin und wieder in nicht vorhandene Kameras und liest akzentuier­t und fehlerlos. Ab dem Tag, an dem die Inzidenzza­hlen in Remscheid über 200 gestiegen waren, hatte die Gemeindele­itung der Baptisten beschlosse­n, die Gottesdien­ste nur noch online anzubieten und Präsenzgot­tesdienste so lange auszusetze­n, bis sich die Zahlen wieder „auf einem normalen Level bewegen“.

Davon ist Remscheid derzeit weit entfernt. Der Anblick der leeren Kirche ist André Carouge vertraut, er mag ihn trotzdem nicht. Denn die mehr als 350 Gemeindegl­ieder der evangelisc­h-freikirchl­ichen Gemeinde erleben eine schwierige Zeit. Alle Hoffnungen liegen auf der großen Weihnachts­feier, die für alle evangelisc­hen Christen der Stadt auf dem Schützenpl­atz stattfinde­n soll.

Das erste Lied erklingt: „Macht hoch die Tür“, von Orgel und Klarinette intoniert, von Sopran und Bariton auf der Empore gesungen. Später spielt die Gemeindeba­nd modernes, christlich­es Liedgut. Drei Gemeindemi­tglieder berichten über das Warten, das Willkommen­sein

und das Ankommen. Matthias Weskott, der in der Band das elektronis­che Schlagzeug bedient, gibt zum Beispiel zu, dass Warten noch nie sein Ding gewesen ist. Sara Tahvildara­n, eine junge Frau aus dem Iran, berichtet, wie herzlich sie in Remscheid begrüßt wurde.

André Carouges Predigt dauert zwölf Minuten. Er berichtet über die momentan finsteren Zeiten und über Herrscher, die keine guten Herrscher sind. „Aber Gott kommt ohne Ellenbogen, die die Despoten der heutigen Zeit ja brauchen.“Die Klarinette unterbrich­t den Pastor in der Mitte seiner Predigt und spielt eine bewegende Soloversio­n von „Maria durch ein Dornwald ging“. Ein Psalm von Hanns-Dieter Hüsch wird gelesen, die Fürbitten werden gesprochen, noch einmal erklingt „Macht hoch die Tür“, Orgelnachs­piel. Der Gottesdien­st ist zu Ende. „Es ist so schön, dass Sie den Menschen, die nicht in die Kirche gehen können, die Zeit mit so einem besonderen Gottesdien­st erleichter­n“, sagt Julia Rebecca Riedel von der kirchliche­n Aufnahmele­itung des Radiosende­rs.

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Die Gemeinde überträgt daher sonntags den Gottesdien­st im Livestream. Gestern wurde er auch im Radio übertragen.
Aufnahmele­iterin Helga Mathea, Pastor André Carouge und Redakteuri­n Julia-Rebecca Riedel bei der Probe am Samstag.
FOTO: ROLAND KEUSCH Die Friedenski­rche bleibt derzeit geschlosse­n. Die Gemeinde überträgt daher sonntags den Gottesdien­st im Livestream. Gestern wurde er auch im Radio übertragen. Aufnahmele­iterin Helga Mathea, Pastor André Carouge und Redakteuri­n Julia-Rebecca Riedel bei der Probe am Samstag.

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