Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Debatte um Nato-Reform
Zuletzt fiel das Bündnis immer wieder durch Streit und Uneinigkeit auf.
Im Bündnis ist der noch einige Wochen amtierende Donald Trump bereits so gut wie Geschichte. Als sich die Nato-Außenminister am Dienstag zu ihrer Video-Schaltkonferenz treffen, ist zwar noch einmal der Trump-Vertraute Mike Pompeo dabei. Doch die bange Sorge vor der Unberechenbarkeit der Trump-Regierung, die die Allianz manches Mal erschüttert hat, ist schon gewichen.
Heiko Maas, der deutsche Außenminister, nimmt vor Beginn des Treffens denn auch kein Blatt mehr vor den Mund. Im Hinblick auf Trumps Ankündigung, bis zur Amtsübergabe am 20. Januar in Afghanistan noch Fakten zu schaffen und 2000 von 4500 verbliebenen US-Soldaten abzuziehen, warnt Maas, „jetzt nichts zu überstürzen“. Man müsse sehr genau beobachten, ob die Bedingungen für eine Truppenreduzierung am Hindukusch gegeben seien. Sorgen, dass Trump noch viel Unheil anrichtet, hat Maas aber offenbar nicht mehr: Man werde sehen, was der künftige Ex-Präsident noch mache. Mit gewisser Genugtuung
sagt er dann: Jedenfalls habe „der Prozess der geordneten Übergabe“zweifellos begonnen.
Am ersten Tag der Videoschalten der Außenminister der 29 Nato-Staaten mit Generalsekretär Jens Stoltenberg war Afghanistan eines der beiden zentralen Themen. Ein Abzug der US-Truppen hat Folgen für die Soldaten der anderen Nato-Staaten. Die US-Soldaten in Afghanistan sind auch für die Sicherheit der dort stationierten Bundeswehrsoldaten wichtig. Die deutschen Truppen haben im Norden des Landes die Führungsverantwortung
für den Nato-Einsatz und koordinieren dort die Soldaten von 15 weiteren Alliierten.
Doch nicht nur Trump sorgte im Bündnis für Diskussionsbedarf. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er hatte im vergangenen Jahr bei der Nato den „Hirntod“diagnostiziert. Damit wollte Frankreichs Staatspräsident die fehlende Abstimmung zwischen den Bündnispartnern anprangern. Auf Initiative von Außenminister Maas wurde daraufhin eine Expertenkommission eingesetzt, die Reformvorschläge für die Nato erarbeiten soll. Das Gremium unter dem Vorsitz eines seiner Vorgänger, Thomas de Mazière, sowie des US-Vertreters Wess Mitchell hat 138 Reformideen erarbeitet und seinen Report jetzt der Nato übergeben. Generalsekretär Jens Stoltenberg will aus den Ideen konkrete Vorschläge erarbeiten.
Am brisantesten ist der Vorschlag, das Konsensprinzip der Nato aufzuheben. Bisher ist es so, dass Entscheidungen von allen derzeit 29 Mitgliedern gemeinsam getragen werden müssen. Wenn ein einziges Mitglied dagegen stimmt, ist eine Entscheidung hinfällig.