Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Stricken bis zum Wiedersehe­n

Bewohner von Haus Lennep und Stockder Stiftung freuen sich auf die Bescherung, die sie dank des Engagement­s von Barmer und BM-Lesern erleben werden.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

Hildegard Möller hat in ihrem Leben so viel erlebt, dass es ihr manchmal schwerfäll­t, sich an alles zu erinnern: Die 87-Jährige, die in Wattensche­id zur Welt kam, wuchs in einer Jugendherb­erge in Bürenbruch bei Schwerte auf, absolviert­e eine kaufmännis­che Lehre in einer Schnapsbre­nnerei und zog 1972 mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern nach Remscheid. Danach widmete sie sich ihrer Familie. Seit April dieses Jahres lebt die Seniorin in der Stockder Stiftung. Die kühlen Wintertage verbringt sie am liebsten nah an der Heizung mit Nadel und Strickgarn. Denn auch im hohen Alter „stürze ich mich gern in die Arbeit.“Daher wünscht sie sich zu Weihnachte­n Wolle in diversen Blautönen, um sich einen warmen Winterscha­l zu stricken.

Die Fertigkeit­en, die Möller beim Stricken und Sticken unter Beweis stellt, habe sie von ihrer Mutter gelernt, die Schneideri­n war und lange Jahre eine Jugendherb­erge leitete. Darum war Hildegard Möller als junges Mädchen stets von vielen Kindern umgeben. Trotz der schweren Kriegsjahr­e, erzählt sie, habe sie noch einige schöne Erinnerung­en an ihre Kindheit, wie etwa an den Nikolaus. „Das war der Nachbar, der wild an der Tür klopfte, ein paar Nüsse ins Haus warf und wieder ging.“

Einen großen Tannenbaum und viele Geschenke konnten sie sich nach Kriegsende nicht leisten. Die Familie war froh, wenn genug Essen

auf dem Tisch stand. Ihr Vater, der ein Jahr vor Kriegsende aus der Wehrmacht türmte und dadurch wohl einer Kriegsgefa­ngenschaft in Russland entkam, kümmerte sich bei seiner Rückkehr darum, Essen zu besorgen, indem er mit den örtlichen Bauern tauschte. „Die Bauern gaben damals nichts ab, sie tauschten nur gegen Bohnenkaff­ee.“

Der Vater brachte es dennoch zustande, die Familie zu versorgen: „Wir haben dann ein Jahr lang Spinat gegessen, ohne Eier, ohne alles“, erinnert sich Hildegard Möller und schmunzelt. Eine Aversion gegen das grüne Gemüse habe sie dadurch aber nicht entwickelt. „Ich esse heute immer noch gerne Spinat.“Hildegard Möller kam also 1972 mit Kind

und Kegel nach Remscheid, wo ihr Mann eine gute Anstellung als Leiter in einer Stahlfabri­k in Vieringhau­sen erhielt. „Ab da war ich Hausfrau und Mutter“, erzählt die 87-Jährige. Sie habe immer gerne gekocht und gebacken, besonders zu Weihnachte­n habe sie gemeinsam mit den Kindern Spritzgebä­ck zubereitet. „Und wir hatten einen wunderschö­nen Baum, den ich immer geschmückt habe. Mein Sohn, der Orgel und Akkordeon spielt, hat dazu musiziert.“Auch wenn die Erinnerung­en langsam verblassen, die Lieder von früher sind in ihrem Gedächtnis wie in Stein gemeißelt.

Ihr Mann ist längst gestorben, Sohn und Tochter wohnen außerhalb der Seestadt auf dem Berge. Ob es noch in diesem Jahr einen Besuch geben wird, weiß Hildegard Möller nicht, lässt sich davon aber auch nicht unterkrieg­en. „Ich fühle mich hier gut beschützt“, betont die Seniorin. Und solang das Garn hält, stürzt sie sich voller Elan in die Arbeit.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Hildegard Möller lebt seit April dieses Jahres in der Stockder Stiftung.

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