Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Stricken bis zum Wiedersehen
Bewohner von Haus Lennep und Stockder Stiftung freuen sich auf die Bescherung, die sie dank des Engagements von Barmer und BM-Lesern erleben werden.
Hildegard Möller hat in ihrem Leben so viel erlebt, dass es ihr manchmal schwerfällt, sich an alles zu erinnern: Die 87-Jährige, die in Wattenscheid zur Welt kam, wuchs in einer Jugendherberge in Bürenbruch bei Schwerte auf, absolvierte eine kaufmännische Lehre in einer Schnapsbrennerei und zog 1972 mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern nach Remscheid. Danach widmete sie sich ihrer Familie. Seit April dieses Jahres lebt die Seniorin in der Stockder Stiftung. Die kühlen Wintertage verbringt sie am liebsten nah an der Heizung mit Nadel und Strickgarn. Denn auch im hohen Alter „stürze ich mich gern in die Arbeit.“Daher wünscht sie sich zu Weihnachten Wolle in diversen Blautönen, um sich einen warmen Winterschal zu stricken.
Die Fertigkeiten, die Möller beim Stricken und Sticken unter Beweis stellt, habe sie von ihrer Mutter gelernt, die Schneiderin war und lange Jahre eine Jugendherberge leitete. Darum war Hildegard Möller als junges Mädchen stets von vielen Kindern umgeben. Trotz der schweren Kriegsjahre, erzählt sie, habe sie noch einige schöne Erinnerungen an ihre Kindheit, wie etwa an den Nikolaus. „Das war der Nachbar, der wild an der Tür klopfte, ein paar Nüsse ins Haus warf und wieder ging.“
Einen großen Tannenbaum und viele Geschenke konnten sie sich nach Kriegsende nicht leisten. Die Familie war froh, wenn genug Essen
auf dem Tisch stand. Ihr Vater, der ein Jahr vor Kriegsende aus der Wehrmacht türmte und dadurch wohl einer Kriegsgefangenschaft in Russland entkam, kümmerte sich bei seiner Rückkehr darum, Essen zu besorgen, indem er mit den örtlichen Bauern tauschte. „Die Bauern gaben damals nichts ab, sie tauschten nur gegen Bohnenkaffee.“
Der Vater brachte es dennoch zustande, die Familie zu versorgen: „Wir haben dann ein Jahr lang Spinat gegessen, ohne Eier, ohne alles“, erinnert sich Hildegard Möller und schmunzelt. Eine Aversion gegen das grüne Gemüse habe sie dadurch aber nicht entwickelt. „Ich esse heute immer noch gerne Spinat.“Hildegard Möller kam also 1972 mit Kind
und Kegel nach Remscheid, wo ihr Mann eine gute Anstellung als Leiter in einer Stahlfabrik in Vieringhausen erhielt. „Ab da war ich Hausfrau und Mutter“, erzählt die 87-Jährige. Sie habe immer gerne gekocht und gebacken, besonders zu Weihnachten habe sie gemeinsam mit den Kindern Spritzgebäck zubereitet. „Und wir hatten einen wunderschönen Baum, den ich immer geschmückt habe. Mein Sohn, der Orgel und Akkordeon spielt, hat dazu musiziert.“Auch wenn die Erinnerungen langsam verblassen, die Lieder von früher sind in ihrem Gedächtnis wie in Stein gemeißelt.
Ihr Mann ist längst gestorben, Sohn und Tochter wohnen außerhalb der Seestadt auf dem Berge. Ob es noch in diesem Jahr einen Besuch geben wird, weiß Hildegard Möller nicht, lässt sich davon aber auch nicht unterkriegen. „Ich fühle mich hier gut beschützt“, betont die Seniorin. Und solang das Garn hält, stürzt sie sich voller Elan in die Arbeit.