Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Augen zu und durch!
Ein härterer Lockdown scheint sich anzukündigen. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt ihn dringend, und Bundeskanzlerin Angela Merkel will ihn. In der Debatte zeigt sich auch ein politisches Scheitern. Nach einem eher unbeschwerten Sommer stiegen die Infektionszahlen stark. Für November wurde ein Wellenbrecher-Lockdown angeordnet, um die Kurve nach unten zu drücken und Weihnachten wie gewohnt zu ermöglichen. Beides ist, trotz einer Verlängerung der Maßnahmen, nicht geglückt.
Und nun läuft es auf eine Verschärfung hinaus. Es lässt sich zwar fragen, ob ein Mittel, das seine Wirkung verfehlt, höher dosiert werden sollte oder ob es das falsche war. Aber jetzt gibt es kein anderes mehr. Jetzt hilft nur noch, die Kontaktbeschränkungen auszuweiten. Man hätte die Infektionsketten besser zurückverfolgen müssen, auch auf digitalen Wegen. Man hätte die Regeln schärfer und umfassender kontrollieren müssen. Man hätte das Personal in den Gesundheitsämtern massiv aufstocken müssen. Man hätte in den Sommerferien die Schulen digital aufrüsten und für Lüftungsanlagen sorgen müssen. Ja, das stimmt alles, aber jetzt ist es zu spät dafür. Ein härterer Lockdown ist alternativlos. Die Alternativlosigkeit ihrer Politik hat die Bundeskanzlerin auch schon bei anderen Aufgaben betont. Darin liegt zum einen ein durchaus einnehmender Habitus der Vernunft, der nach sachlichem Abwägen eben nur zu der einen richtigen Antwort führt. Zum anderen bedeutet ein Mangel an Alternativen vor allem, sich in eine Lage manövriert zu haben, aus der es tatsächlich nur noch einen Ausweg gibt. Das politische Scheitern, das sich darin ausdrückt, dürfte noch manche Debatte bestimmen. Aber jetzt steht konkretes Handeln an, und da kann es nur noch heißen: Augen zu und durch!