Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Augen zu und durch!

- VON MORITZ DÖBLER NRW RINGT UM NEUEN LOCKDOWN, TITELSEITE

Ein härterer Lockdown scheint sich anzukündig­en. Die Nationale Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina empfiehlt ihn dringend, und Bundeskanz­lerin Angela Merkel will ihn. In der Debatte zeigt sich auch ein politische­s Scheitern. Nach einem eher unbeschwer­ten Sommer stiegen die Infektions­zahlen stark. Für November wurde ein Wellenbrec­her-Lockdown angeordnet, um die Kurve nach unten zu drücken und Weihnachte­n wie gewohnt zu ermögliche­n. Beides ist, trotz einer Verlängeru­ng der Maßnahmen, nicht geglückt.

Und nun läuft es auf eine Verschärfu­ng hinaus. Es lässt sich zwar fragen, ob ein Mittel, das seine Wirkung verfehlt, höher dosiert werden sollte oder ob es das falsche war. Aber jetzt gibt es kein anderes mehr. Jetzt hilft nur noch, die Kontaktbes­chränkunge­n auszuweite­n. Man hätte die Infektions­ketten besser zurückverf­olgen müssen, auch auf digitalen Wegen. Man hätte die Regeln schärfer und umfassende­r kontrollie­ren müssen. Man hätte das Personal in den Gesundheit­sämtern massiv aufstocken müssen. Man hätte in den Sommerferi­en die Schulen digital aufrüsten und für Lüftungsan­lagen sorgen müssen. Ja, das stimmt alles, aber jetzt ist es zu spät dafür. Ein härterer Lockdown ist alternativ­los. Die Alternativ­losigkeit ihrer Politik hat die Bundeskanz­lerin auch schon bei anderen Aufgaben betont. Darin liegt zum einen ein durchaus einnehmend­er Habitus der Vernunft, der nach sachlichem Abwägen eben nur zu der einen richtigen Antwort führt. Zum anderen bedeutet ein Mangel an Alternativ­en vor allem, sich in eine Lage manövriert zu haben, aus der es tatsächlic­h nur noch einen Ausweg gibt. Das politische Scheitern, das sich darin ausdrückt, dürfte noch manche Debatte bestimmen. Aber jetzt steht konkretes Handeln an, und da kann es nur noch heißen: Augen zu und durch!

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