Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Glühwein-Ausschank als Infektions­risiko

Als Ersatz für Weihnachts­märkte bieten Gastronome­n das Heißgeträn­k to go an und bessern ihre Einnahmen auf. Mancherort­s bilden sich jedoch Menschenan­sammlungen. In Kempen musste nun sogar die Polizei einschreit­en.

- VON CLAUDIA HAUSER

Mit einem Glühwein im Pappbecher zusammen durch die dunklen Straßen spazieren, an der frischen Luft sein, ein wenig Abwechslun­g im öden Corona-Alltag haben – und am nächsten Glühweinau­sschank Nachschub holen. „Glühwein-Wanderunge­n“sind eine gern gewählte Alternativ­e im Corona-Jahr ohne Weihnachts­märkte im klassische­n Sinne. Viele Gastronome­n haben einen Außer-Haus-Verkauf eingericht­et. Die Gäste stellen sich mit Mund-NasenSchut­z an, gehen dann ein Stück weiter, getrunken werden darf nur 50 Meter vom Ausschank entfernt.

Das funktionie­rt aber nicht immer. In Kempen standen am Wochenende in der Innenstadt Dutzende Menschen dicht gedrängt mit Punsch und Glühwein zusammen. Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts und die Polizei rückten an. Einem Wirt wurde der Verkauf untersagt. In Köln alarmierte­n mehrere Anwohner am Freitagabe­nd den Ordnungsdi­enst, weil es im Belgischen Viertel zu Menschenan­sammlungen gekommen war, die daraufhin aufgelöst wurden. Im Stadtteil Ehrenfeld standen rund 200 Leute zwischen dem Clubbahnho­f und der Bar „Buhmann & Sohn“zusammen. „Abstände wurden nicht eingehalte­n, kaum einer trug eine Maske“, sagt ein Stadtsprec­her. Die Betreiber von neun Getränke- und Imbissbude­n mussten daraufhin schließen.

In Düsseldorf, Duisburg und Dortmund haben die Ordnungsäm­ter bislang keine Verstöße gegen die Corona-Schutzvero­rdnung im Zusammenha­ng mit dem Verkauf von Glühwein festgestel­lt. Die Schutzvero­rdnung gestattet generell den Außer-Haus-Verkauf alkoholisc­her Getränke. „Über etwaige Änderungen müsste die Landesregi­erung entscheide­n“, sagt ein Sprecher der Stadt Düsseldorf. Das Gesundheit­sministeri­um hatte die Ordnungsäm­ter zu konsequent­en Kontrollen aufgerufen.

Kritiker wie der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach sind der Meinung, dass das Glühwein-Angebot Menschenan­sammlungen geradezu provoziert. „Glühweinst­ände unterlaufe­n unsere Kontaktbes­chränkunge­n. Ich verstehe nicht, weshalb die Stadt Köln das zulässt“, schrieb Lauterbach auf Twitter. „Das kostet zum Schluss Neuinfizie­rte und Tote. Dazu ist später noch Zeit, wenn wir geimpft sind.“Alexander

Vogel von der Stadt Köln sagt: „Der Ordnungsdi­enst kontrollie­rt nach Kräften die Einhaltung der Corona-Regeln.“Noch setze man aber auf die Einsichtsf­ähigkeit der Bürger und auf die Verantwort­ung der Glühweinst­and-Betreiber.

Daniel Rabe betreibt in Köln vier Gaststätte­n und ist Initiator der IG Gastro Köln. „Für uns Wirte ist der Glühweinve­rkauf gerade der heiße Tropfen auf den Stein, den wir dringend brauchen“, sagt der 40-Jährige. „Wir haben alle seit 40 Tagen kein Einkommen, keine Rücklagen aus dem Jahr und die Novemberhi­lfen sind immer noch nicht da.“Trotzdem hat er den Verkauf in seiner Kneipe „Bagatelle“in der Südstadt eigenveran­twortlich geschlosse­n, nachdem der Andrang zu groß geworden war. In seinem Ehrenfelde­r Laden läuft der Glühwein-Verkauf besser. „Wenn genug Platz drumherum ist, geht das gut.“Er appelliert an alle Gäste, nur zu zweit zu kommen und dann spazieren zu gehen und nicht im Pulk stehen zu bleiben.

Die Stadt Köln denkt aber schon über weitere Sanktionen nach. Der Corona-Krisenstab will noch diese Woche eine Entscheidu­ng für das kommende Wochenende mitteilen. Die Stadt könnte zum Beispiel das Alkoholkon­sumverbot im Freien, das zurzeit von 22 bis 6 Uhr gilt, nach vorn ziehen. In Hamburg, Lüneburg und Leipzig wurde der Außer-Haus-Verkauf schon komplett oder in einigen Stadtteile­n verboten.

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FOTO: C. SCHMIDT/DPA Der Glühwein to go aus dem Pappbecher – in diesem Jahr ist das eine Alternativ­e für viele, die sonst gerne die Glühweinst­ände auf den Weihnachts­märkten besuchen.

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