Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Glühwein-Ausschank als Infektionsrisiko
Als Ersatz für Weihnachtsmärkte bieten Gastronomen das Heißgetränk to go an und bessern ihre Einnahmen auf. Mancherorts bilden sich jedoch Menschenansammlungen. In Kempen musste nun sogar die Polizei einschreiten.
Mit einem Glühwein im Pappbecher zusammen durch die dunklen Straßen spazieren, an der frischen Luft sein, ein wenig Abwechslung im öden Corona-Alltag haben – und am nächsten Glühweinausschank Nachschub holen. „Glühwein-Wanderungen“sind eine gern gewählte Alternative im Corona-Jahr ohne Weihnachtsmärkte im klassischen Sinne. Viele Gastronomen haben einen Außer-Haus-Verkauf eingerichtet. Die Gäste stellen sich mit Mund-NasenSchutz an, gehen dann ein Stück weiter, getrunken werden darf nur 50 Meter vom Ausschank entfernt.
Das funktioniert aber nicht immer. In Kempen standen am Wochenende in der Innenstadt Dutzende Menschen dicht gedrängt mit Punsch und Glühwein zusammen. Mitarbeiter des Ordnungsamts und die Polizei rückten an. Einem Wirt wurde der Verkauf untersagt. In Köln alarmierten mehrere Anwohner am Freitagabend den Ordnungsdienst, weil es im Belgischen Viertel zu Menschenansammlungen gekommen war, die daraufhin aufgelöst wurden. Im Stadtteil Ehrenfeld standen rund 200 Leute zwischen dem Clubbahnhof und der Bar „Buhmann & Sohn“zusammen. „Abstände wurden nicht eingehalten, kaum einer trug eine Maske“, sagt ein Stadtsprecher. Die Betreiber von neun Getränke- und Imbissbuden mussten daraufhin schließen.
In Düsseldorf, Duisburg und Dortmund haben die Ordnungsämter bislang keine Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Glühwein festgestellt. Die Schutzverordnung gestattet generell den Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke. „Über etwaige Änderungen müsste die Landesregierung entscheiden“, sagt ein Sprecher der Stadt Düsseldorf. Das Gesundheitsministerium hatte die Ordnungsämter zu konsequenten Kontrollen aufgerufen.
Kritiker wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sind der Meinung, dass das Glühwein-Angebot Menschenansammlungen geradezu provoziert. „Glühweinstände unterlaufen unsere Kontaktbeschränkungen. Ich verstehe nicht, weshalb die Stadt Köln das zulässt“, schrieb Lauterbach auf Twitter. „Das kostet zum Schluss Neuinfizierte und Tote. Dazu ist später noch Zeit, wenn wir geimpft sind.“Alexander
Vogel von der Stadt Köln sagt: „Der Ordnungsdienst kontrolliert nach Kräften die Einhaltung der Corona-Regeln.“Noch setze man aber auf die Einsichtsfähigkeit der Bürger und auf die Verantwortung der Glühweinstand-Betreiber.
Daniel Rabe betreibt in Köln vier Gaststätten und ist Initiator der IG Gastro Köln. „Für uns Wirte ist der Glühweinverkauf gerade der heiße Tropfen auf den Stein, den wir dringend brauchen“, sagt der 40-Jährige. „Wir haben alle seit 40 Tagen kein Einkommen, keine Rücklagen aus dem Jahr und die Novemberhilfen sind immer noch nicht da.“Trotzdem hat er den Verkauf in seiner Kneipe „Bagatelle“in der Südstadt eigenverantwortlich geschlossen, nachdem der Andrang zu groß geworden war. In seinem Ehrenfelder Laden läuft der Glühwein-Verkauf besser. „Wenn genug Platz drumherum ist, geht das gut.“Er appelliert an alle Gäste, nur zu zweit zu kommen und dann spazieren zu gehen und nicht im Pulk stehen zu bleiben.
Die Stadt Köln denkt aber schon über weitere Sanktionen nach. Der Corona-Krisenstab will noch diese Woche eine Entscheidung für das kommende Wochenende mitteilen. Die Stadt könnte zum Beispiel das Alkoholkonsumverbot im Freien, das zurzeit von 22 bis 6 Uhr gilt, nach vorn ziehen. In Hamburg, Lüneburg und Leipzig wurde der Außer-Haus-Verkauf schon komplett oder in einigen Stadtteilen verboten.