Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Kassenärzte kritisieren späte Impfungen der Mediziner
Das deutsche Impfkonzept stößt auf scharfe Kritik: Ärzteverbände und Patientenschützer streiten, wer zuerst an die Reihe kommen soll.
In Deutschland laufen die Vorbereitungen für die Corona-Impfung auf Hochtouren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass im Januar drei bis fünf Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Da jeder zwei Impfungen benötigt, würde dies für bis zu 2,5 Millionen Menschen reichen. Insgesamt könnten im ersten Quartal bis zu 16 Millionen Dosen bereitstehen.
Da das bei weitem nicht reicht, hat die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Priorisierung vorgenommen. Am Montag hat sie ein Ranking der Personen vorgeschlagen, die als erstes an die Reihe kommen. Das sind die über 80-Jährigen, die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie Altenpfleger. Ärzte sind nur dabei, wenn sie Covid-Patienten betreuen, in der Notaufnahme oder im Bereich der Transplantationen arbeiten. Zur zweiten Gruppe zählen Personen zwischen 75 und 80 Jahren, Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung sowie ihre Betreuer. Niedergelassene Haus- und Fachärzte gehören dagegen erst zu Gruppe drei oder vier.
Das stößt auf Kritik. Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, sagte unserer Redaktion: „Eine Priorisierung ist unumgänglich. Aus unserer Sicht aber wäre es einleuchtend, dass neben dem Kreis der über 80-Jährigen, der Senioren- und Pflegeheimbewohner, Covid-19-Infektionsstationen
und Personal in Einrichtungen mit Kontakt zu vulnerablen Gruppen auch haus- und fachärztliche Praxen von der Stiko mit hoher Priorität eingestuft werden.“Die KV-Notdienste sollten eine ebenso hohe Priorität wie der Rettungsdienst haben, wobei hierzu auch Notdienstpraxen und Fahrdienste im Hausbesuchsdienst gehören. „Wir hoffen sehr, dass nach der ersten Lieferung alsbald weitere Nachlieferungen von Impfstoffen erfolgen, denn die Gruppe der als sehr hoch beziehungsweise hoch prioritär eingestuften Personen umfasst schon über acht Millionen Menschen.“Ähnlich äußerte sich der Virchowbund: 19 von 20 der Covid-Erkrankungen würden in Praxen behandelt. Es sei bizarr, dass Ärzte als Personen mit moderatem Risko eingestuft würden.
Patientenschützer Eugen Brysch forderte dagegen, dass erst alle Pflegebedürftigen und Schwerstkranken an die Reihe kommen und erst danach Mitarbeiter aus dem medizinischen und pflegerischen Bereich. Bis Jahresende wird die Zulassung des Impfstoffs von Biontech in der EU erwartet. Ab Januar soll voraussichtlich geimpft werden. Die Bundesregierung hat sich von Biontech knapp 40 Millionen Dosen im Rahmen der EU-Verträge gesichert, weitere 30 Millionen Dosen im Rahmen nationaler Zusagen. Das reicht für 35 Millionen Menschen. Weitere Zusagen gibt es von Astrazeneca, Moderna, Curevac sowie Johnson & Johnson.