Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Der sportliche Lockdown trifft auch das Ehepaar Bauss
(pk) Der Weg rund um die Remscheider Talsperre ist leicht angefroren. Der Raureif und die Sonne, die ab und zu durch die Wolken lugen, sorgen für ideale Bedingungen, um eine Runde um die Talsperre zu drehen. Gemeinsam mit dem Ehepaar Bauss. Hans-Werner Bauss bringt gleich auf den ersten Metern Kälte und Motorsport in einen Zusammenhang: „So richtig kalt war es damals bei einem Motocross-Marathon in Finnland.“Das war im Jahr 1998. „1000 Kilometer in zweieinhalb Tagen. Bei bis zu 30 Grad unter Null. Das war kalt“, meint er lachend.
Der 66-Jährige hat zahlreiche solcher Erinnerungen. Seit seinem zehnten Lebensjahr ist er dem Motorradsport verbunden. „Mein Vater war Gespannfahrer.“Bauss trat in seine Fußstapfen und startete eine sportliche Karriere, die in diesem Herbst im 35. Titel bei einer Deutschen Meisterschaft mündete. Aktuell im Trial-Gespann. Das fährt er seit vielen Jahren mit seiner Frau Christiane. Viele Erfolge gab es zuvor auch in den anderen Disziplinen im Motorrad-Geländesport.
Dass sich das Ehepaar dabei, wenn auch indirekt, kennenlernte, liegt auf der Hand. „Ich bin damals Enduro gefahren und habe bei Hans-Werner ein Wohnmobil gemietet. Darauf entdeckte ich einen Enduro-Aufkleber. Ich war auf der Suche nach einer neuen Maschine und habe ihn für einen Rat angesprochen“, erzählt Christiane Bauss. Mit einem neuen Motorrad wurde es nichts. Aber sie fand einen Ehemann. Das war vor inzwischen
30 Jahren.
Bis das Duo sich dann gemeinsam auf die Strecke machte, dauerte es allerdings noch einige Jahre. Christiane Bauss war zunächst noch selbst aktiv. „Bis mich ein Bandscheibenvorfall stoppte.“Seit vielen Jahren ist das Ehepaar Bauss im Trial aber eine Klasse für sich. Daran ändert sich bis heute nichts, obwohl die Konkurrenz im Durchschnitt rund
40 Jahre jünger ist.
Gibt es ein Geheimnis des Erfolges? „Das Vertrauen muss stimmen. Und man muss in der Lage sein, Fehler einzugestehen“, meint sie. Was auch im Eheleben wichtig sei. Dass es bei Meisterschaften im Gelände, wenn etwas schief geht, schon mal laut wird, steht außer Frage. „Aber sämtlicher Ärger bleibt auf den Strecken. Wenn wir von einem Wettbewerb auf der Rückfahrt im Auto sitzen, ist es schon kein Thema mehr“, betont Hans-Werner Bauss.
Als ungefähr die Hälfte der Strecke um die Talsperre geschafft ist, blickt Hans-Werner Bauss einen Hang hoch. „Wenn ich in der Natur unterwegs bin, sehe ich sie mir immer aus dem Blickwinkel des Trialsports an. An diesen Hängen hier könnte man auch tolle Sektionen fahren. Das Bergische Land wäre da super für geeignet.“Allerdings geht in der Region auch aus Naturschutzgründen nichts mehr. Eine Motocross-Strecke gibt es noch. In Hahnenberg in Radevormwald. Wenn das Ehepaar Bauss trainieren möchte, muss es bis in die Nähe von Aachen fahren.
Was allerdings aktuell auch nicht geht. Und bei der Runde um die Talsperre thematisch unweigerlich zu der unsäglichen Geschichte führt, die uns alle seit Monaten im Griff hat. „Dass man aufgrund der hohen Infektionszahlen viele Dinge nicht machen darf, ist verständlich. Aber warum wir mit unserem Gespann dort auf dem Gelände nicht trainieren dürfen, ist mir ein Rätsel“, meint Hans-Werner Bauss.
Dass in dieser Motorsportsaison nur ein Teil der Rennen in Deutschland absolviert werden konnte, sei derweil nachvollziehbar gewesen. Derweil nagt am Ehepaar Bauss die Ungewissheit, wie es im kommenden Jahr weitergehen kann. Bei Hans-Werner Bauss laufen bei der Organisation der Deutschen Meisterschaft die Fäden zusammen. Die Planungen für 2021 laufen bereits. Auf die Frage, ob die Trial-Szene eine weitere Saison mit ähnlich großen Einschränkungen überleben würde, zuckt Hans-Werner Bauss vielsagend mit den Schultern.
Die Corona-Pandemie hat dem Wermelskirchener Ehepaar zudem durch eine weitere gemeinsame große Leidenschaft in diesem Jahr einen Strich gemacht: das Reisen. Aber nicht etwa als normaler Pauschaltourist. „Wir sind weltweit als Rucksacktouristen unterwegs“, berichtet Hans-Werner Bauss. „Nur so kann man Land und Leute richtig kennenlernen“, ergänzt seine Frau. Dass dies in manchen Ecken der Welt wie in Südamerika, Asien oder Afrika nicht ganz ungefährlich ist, ist dem Duo durchaus bewusst. Aber auch hier gilt wie beim Motorsport, dass das Risiko berechenbar sein muss.
Ein weiteres großes Hobby von Christiane Bauss ist das Segeln. Dabei hat sie auch eine gewisse Professionalität erlangt. Die 62-Jährige ist oft als Skipperin unterwegs. Geplante
Turns in Griechenland sind in diesem Jahr auch ausgefallen.
Bedeutete also, dass die beiden in den vergangenen Monaten auch ungewohnt viel freie Zeit hatten, die sonst mit dem Motorsport oder Reisen gefüllt waren. Langeweile ist allerdings keine aufgekommen. Und sportlich hat man sich mit den Mountainbikes fitgehalten. Christiane Bauss wurde dabei allerdings im Frühjahr jäh ausgebremst. „Ich bin an einer Wurzel hängengeblieben, gestürzt und habe mir den Knöchel gebrochen.“
Apropos Verletzungen: Als die Runde um die Talsperre mit dem Gang über die Sperrmauer beendet ist, wird das Motorsport-Ehepaar auf den letzten Metern zum Parkplatz ein wenig nachdenklich. „Außenstehende sehen oft nur die Erfolge, die wir eingefahren haben. Wie viele Verletzungen und auch damit verbundene Schmerzen dahinter stecken, sieht keiner“, meint Hans-Werner Bauss.
Weiterfahren, solange wie es geht, wird das Motorsport-Ehepaar aus Wermelskirchen aber dennoch. Nur die Zielsetzung wird in Zukunft ein wenig anders sein. „Für uns sind dann eben nicht mehr weitere Titel das Entscheidende, sondern dass wir uns immer noch mit der viel jüngeren Konkurrenz messen können“, betont Christiane Bauss.