Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Schwarze Puppe in der Krippe
Jeder darf für sich entscheiden, wie das Jesuskind wohl ausgesehen hat.
Wir sollten uns das Jesuskind noch einmal genau anschauen, wenn wir die Krippenfiguren hervorkramen: Ist die gewohnte Darstellung historisch wie politisch korrekt? Denn die Frage steht im Raum: War der „holde Knabe im lockigen Haar“, wie er in „Stille Nacht“besungen wird, tatsächlich so blond, wie er jetzt vor uns liegt? Der wahre Jesus, ein kleines jüdisches Baby aus Palästina, wird wohl eher dunkelhaarig gewesen sein.
Ist das jetzt ein Problem? Was ist wichtiger – diese Wahrheit oder die Tradition? Die Rassismus-Debatte hat Weihnachten erreicht. Der schwarze König Melchior wurde mancherorts schon aussortiert. Selbst in Köln, wo den drei Weisen besondere Verehrung zuteilwird, setzt sich die Erkenntnis durch, dass Tradition nicht alles ist. Es kommt auf ihre Ausprägung an. Denn zu Recht wollen die Hüter des Glaubens vermeiden, dass die Kirche diskriminiert. In Aachen hat sich beim Missionswerk, das weltweit Hilfs- und Glaubensprojekte betreut, eine Expertin mit der Frage beschäftigt: Sich schwarz anzumalen und die Sternsinger zu begleiten, passe nicht mehr in unsere Zeit. Ebenfalls unangemessen seien Krippenfiguren, die solche körperlichen Merkmale aufwiesen – wie bei mancher Darstellung des schwarzen Königs. Zur Botschaft, die Menschen
in ihrer Vielfalt zum Christkind zu holen, passt dagegen eine Idee aus Neuss. Hier bringen Schützenkönige die Gaben; ein Fässchen Bier ist auch dabei. Das lässt schmunzeln.
Die Autorin Ulla Hahn hat in ihrem Roman „Das verlorene Wort“erzählt, wie sie als kleines Mädchen ihre schwarze Puppe mit in die Kirche nahm – und in die leere Krippe legte. Damals war das Anlass zur Empörung, heute wäre es eher ein Zeichen des Verstehens. Man sieht: Die Krippe ist stets ein Abbild der eigenen Vorstellung. Jeder darf für sich entscheiden, wie das Kind aussehen soll, das darin liegt. Schwarz-Weiß-Denken wird dem nicht gerecht.