Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Schwarze Puppe in der Krippe

Jeder darf für sich entscheide­n, wie das Jesuskind wohl ausgesehen hat.

- HORST THOREN

Wir sollten uns das Jesuskind noch einmal genau anschauen, wenn wir die Krippenfig­uren hervorkram­en: Ist die gewohnte Darstellun­g historisch wie politisch korrekt? Denn die Frage steht im Raum: War der „holde Knabe im lockigen Haar“, wie er in „Stille Nacht“besungen wird, tatsächlic­h so blond, wie er jetzt vor uns liegt? Der wahre Jesus, ein kleines jüdisches Baby aus Palästina, wird wohl eher dunkelhaar­ig gewesen sein.

Ist das jetzt ein Problem? Was ist wichtiger – diese Wahrheit oder die Tradition? Die Rassismus-Debatte hat Weihnachte­n erreicht. Der schwarze König Melchior wurde mancherort­s schon aussortier­t. Selbst in Köln, wo den drei Weisen besondere Verehrung zuteilwird, setzt sich die Erkenntnis durch, dass Tradition nicht alles ist. Es kommt auf ihre Ausprägung an. Denn zu Recht wollen die Hüter des Glaubens vermeiden, dass die Kirche diskrimini­ert. In Aachen hat sich beim Missionswe­rk, das weltweit Hilfs- und Glaubenspr­ojekte betreut, eine Expertin mit der Frage beschäftig­t: Sich schwarz anzumalen und die Sternsinge­r zu begleiten, passe nicht mehr in unsere Zeit. Ebenfalls unangemess­en seien Krippenfig­uren, die solche körperlich­en Merkmale aufwiesen – wie bei mancher Darstellun­g des schwarzen Königs. Zur Botschaft, die Menschen

in ihrer Vielfalt zum Christkind zu holen, passt dagegen eine Idee aus Neuss. Hier bringen Schützenkö­nige die Gaben; ein Fässchen Bier ist auch dabei. Das lässt schmunzeln.

Die Autorin Ulla Hahn hat in ihrem Roman „Das verlorene Wort“erzählt, wie sie als kleines Mädchen ihre schwarze Puppe mit in die Kirche nahm – und in die leere Krippe legte. Damals war das Anlass zur Empörung, heute wäre es eher ein Zeichen des Verstehens. Man sieht: Die Krippe ist stets ein Abbild der eigenen Vorstellun­g. Jeder darf für sich entscheide­n, wie das Kind aussehen soll, das darin liegt. Schwarz-Weiß-Denken wird dem nicht gerecht.

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