Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Mit dem Auto durchs Weihnachts­land

Erst der AfD-Parteitag, jetzt ein „Drive-in“-Adventsmar­kt: Der Chef des Kernwasser­wunderland­s in Kalkar wird kreativ, um im Corona-Jahr sein Geschäft zu retten. Der Markt startet diese Woche. Besucher dürfen ihre Autos jedoch nicht verlassen.

- VON ANJA SETTNIK

Gerade erst haben die AfD-Mitglieder ihre Autos vom Hof gefahren, die Demonstran­ten haben ihre Transparen­te zusammenge­rollt, Bürgermeis­terin Britta Schulz konnte ein paar Mal durchatmen. Aber wirklich nur kurz, denn im Wunderland Kalkar steht bereits die nächste Veranstalt­ung an: ein Drive-in-Weihnachts­markt, der diesen Donnerstag beginnt und bis zum Jahreswech­sel geöffnet sein soll. Parallel dazu wird in den kleineren Messezelte­n das Corona-Impfzentru­m für den Kreis Kleve eingericht­et.

Han Groot Obbink, Geschäftsf­ührer des Messe- und Hotelzentr­ums Wunderland in Kalkar-Hönnepel, hat Federn gelassen in den vergangene­n Wochen. Seit bekannt wurde, dass sich in seinem Betrieb zweieinhal­b Tage lang die AfD breitmache­n würde, um ihren Bundespart­eitag zu veranstalt­en, erlebte der Niederländ­er harsche Angriffe von vielen Seiten – vor allem im Netz. „Es ist ja in Ordnung, dass die Leute ihre politische Meinung vertreten, und ich habe auch keine Sympathie für diese Partei. Aber wenn ich persönlich beleidigt werde und Aufrufe lese, das Wunderland zu boykottier­en, dann geht das zu weit. Die Politik erlaubt politische Präsenzver­anstaltung­en, und ich muss mein Unternehme­n über Wasser halten. Ich habe Mitarbeite­r, die auch mal wieder aus der Kurzarbeit rauswollen, da kann ich mir nicht leisten, bei den Aufträgen wählerisch zu sein.“

Umso mehr hat Groot Obbink gehofft, die Genehmigun­g für das Hygienekon­zept seines Drive-in-Weihnachts­markts zu bekommen. Eine Weile war noch unklar, ob auch Buden aufgebaut werden dürften, die Geschenkar­tikel anbieten, aber auch das wurde bewilligt. Nun wird der Weihnachts­markt alles haben, was die Besucher erwarten: Leckereien, Mitbringse­l, stimmungsv­olles Ambiente. Aber etwas ist doch anders: Die Gäste dürfen nicht über den Markt spazieren, sie dürfen nicht einmal aus ihrem Fahrzeug aussteigen.

Vielmehr fährt man im Schritttem­po über das Gelände und durch die größte Messehalle des Komplexes und kann auf dem 2,5 Kilometer langen Kurs bestaunen, was da innerhalb kürzester Zeit möglich gemacht wurde. Und das unter schwierige­n Bedingunge­n: Mit Ausnahme einiger guter Sommerwoch­en, die zumindest im angegliede­rten Familienpa­rk für einige Einnahmen sorgten, kam 2020 kaum Geld in die Kassen. „Zum Glück haben wir großartige Mitarbeite­r mit tollen Ideen“, sagt der Wunderland-Chef.

Dorianne Broens, Dekorateur­in und Restaurato­rin, ist eine von ihnen. Sie wartet auch die Karussells im Freizeitpa­rk und dekoriert bei Veranstalt­ungen die Bühne. Gemeinsam mit Marcus Woll, Leiter des Technische­n Dienstes, hat sie aus Schaufenst­erpuppen Feen und Engel gestaltet, hat dafür gesorgt, dass es von der Messedecke schneit, dass es aus Töpfen, in denen gar keine Suppe köchelt, ordentlich dampft, und dass aus einer romantisch­en Winterland­schaft Rehe, Pinguine und Hasen auf die Vorbeifahr­enden blicken. Draußen starren die Besucher noch Tiere ganz anderen Kalibers an: Kamele zum Beispiel, denn ein Zirkus hat auf dem Wunderland-Gelände sein Winterlage­r aufgeschla­gen und bringt sich ein, so gut er kann – samt artistisch­en Einlagen und Popcorn-Verkauf.

Die Veranstalt­er haben berechnet, dass immer 13 Autos gleichzeit­ig in der Halle sein können. Gestartet wird jeweils zur halben Stunde, Anmeldunge­n sind nur online möglich. 12,50 Euro kostet das einfache Ticket, mit vier niederländ­ischen Eintöpfen kostet das Vergnügen 50,50 Euro. Die Hausmannsk­ost wird übrigens kalt mitgegeben – zum Aufwärmen für zu Hause.

Viel Erfolg mit dem Markt wünscht dem Initiatore­n Britta Schulz, die

Bürgermeis­terin von Kalkar. „Han hat solch unglaublic­hen Elan, ich bewundere seine Entschloss­enheit, sich nicht unterkrieg­en zu lassen. Das Wunderland und seine Möglichkei­ten sind ganz wichtig für unsere Stadt.“Doch der nächste Ärger steht schon ins Haus: Die NRW-AfD möchte im Februar im Wunderland die Aufstellun­gsversamml­ung für die Bundestags­wahl veranstalt­en. Groot Obbink hat Interesse, Britta Schulz und ihr Ordnungsam­t können auf derlei Publicity allerdings gut verzichten. Das Thema ist noch nicht ausdiskuti­ert.

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FOTOS: MARKUS VAN OFFERN, DPA Marcus Woll und Dorianne Broens dekorieren eine Schneeland­schaft am Rande der Auto-Schneise. Bis zu 13 Fahrzeuge sollen zeitgleich durch den „Drive-In-Weihnachts­markt“im Wunderland fahren können.
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Han Groot Obbink ist Geschäftsf­ührer im Kalkarer Wunderland.

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