Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Umgang mit alten Leuten ist empörend“

Der Schauspiel­er über seine neue Seniorenko­mödie, die Generation Greta und seinen 80. Geburtstag.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE CORNELIA WYSTRICHOW­SKI.

Mit dem „Boot“nach Hollywood: Die Rolle als U-Boot-Kommandant im Zweiten Weltkrieg machte Jürgen Prochnow 1981 internatio­nal zum Star. Es zog ihn in die USA – 2017 kehrte er nach Deutschlan­d zurück, um in seiner Heimat regelmäßig Fernsehfil­me zu drehen. In der Komödie „Der Alte und die Nervensäge“(11. Dezember, 20.15 Uhr, Das Erste) nimmt der 79-Jährige als eigenwilli­ger Rentner vor seiner überfürsor­glichen Familie Reißaus. Bei seiner Flucht im Campingbus bekommt er unfreiwill­ig Gesellscha­ft von einem jugendlich­en Ausreißer.

Herr Prochnow, mit „Das Boot“feierten Sie Ihren internatio­nalen Durchbruch, danach haben Sie in vielen aufwendige­n Hollywoodf­ilmen mitgewirkt. Jetzt drehen Sie wieder in Deutschlan­d, ist hierzuland­e alles immer eine Nummer kleiner?

PROCHNOW Natürlich, das sind in den USA ganz andere Dimensione­n. Die Filme hier unterschei­den sich von ihren Budgets her völlig von dem, was drüben produziert wird, das sind wahnsinnig­e Unterschie­de. Ich will nicht sagen, dass deshalb bei uns nur schlechte Filme produziert werden können, auch in Deutschlan­d werden immer wieder sehr gute Filme gedreht. Aber es ist schwierige­r, man hat das Geld nicht, muss deshalb mit weniger Drehtagen auskommen und kann Szenen nicht in einer solchen Ausführlic­hkeit drehen, wie man es drüben macht. Die Mittel für Computergr­afiken und solche Dinge fehlen, man muss sich behelfen. Bei meinem letzten Film konnte man es sich zum Beispiel nicht leisten, eine Steadycam einzusetze­n, da das zu teuer war.

In Ihrem neuen Film spielen Sie einen Witwer, der Sorge hat, seine Selbststän­digkeit zu verlieren und mit dem Auto vor seiner übergriffi­gen Tochter flieht. Können Sie seine Ängste verstehen?

PROCHNOW Absolut, damit kann ich mich sehr gut identifizi­eren. Man will diesem Mann den Führersche­in wegnehmen, er soll bei seiner Tochter in einem Zimmer wohnen statt in seinem Haus, wo er seine Freiheit genießt. Wenn jemand so behandelt wird, dass er dann ausbricht und sagt, das will ich mir nicht gefallen lassen, kann ich das verstehen. Ich finde es generell empörend, wie oftmals mit alten Leuten umgegangen wird, so entmündige­nd – und das nicht nur in Altenheime­n.

Sie selbst zählen wegen Ihres Alters zur Corona-Risikogrup­pe. Wollen Sie trotzdem weiterhin Filme drehen?

PROCHNOW Seit Beginn der Corona-Krise habe ich gar nichts gedreht. Es wird ja insgesamt weniger produziert, und wenn dann nur unter den Hygieneauf­lagen mit Abstand und Maske, und Theater geht gar nicht mehr. Ich bedaure das sehr. Gar nicht so sehr wegen mir, ich bin ja mit meinen 79 Jahren am Ende meiner Karriere angekommen, aber für sehr viele meiner Kolleginne­n und Kollegen ist es existenzbe­drohend und -vernichten­d.

Nächstes Jahr werden Sie 80. Wollen Sie das groß feiern?

PROCHNOW Meine Frau möchte eine große Geburtstag­sfeier für mich ausrichten und plant das schon länger, wir haben auch schon mit den Vorbereitu­ngen angefangen. Aber im Augenblick habe ich überhaupt keine Lust, auch nur daran zu denken, weil ich ja gar nicht weiß, wie es bis dahin aussieht.

Der Senior im Film wird gegen seinen Willen von einem jungen Ausreißer begleitet, für den er wenig Verständni­s hat. Welche Erinnerung­en haben Sie an Ihre Kindheit in Berlin?

PROCHNOW Ich bin in Berlin zwischen Trümmern aufgewachs­en, und trotz der ganzen Entbehrung­en damals würde ich immer sagen, dass ich eine ganz tolle Kindheit hatte – zwischen Ruinen. Die ganze Stadt war für uns Kinder ein riesiger Abenteuers­pielplatz. Wir wurden ja nicht von unseren Vätern großgezoge­n, die waren entweder im Krieg gefallen oder in Gefangensc­haft, wie mein Vater, sondern es waren die

Mütter und die Großeltern. Die Straßen gehörten uns. Es gab keine Autos, wir waren nur draußen, mit anderen Kindern zusammen.

Wie blicken Sie auf die Generation Greta?

PROCHNOW Ich finde diese Generation toll, die heute auf die Straße geht und gegen die Umweltsünd­en und den Klimawande­l protestier­t, um zu erreichen, dass sich endlich etwas ändert. Meine Frau und ich bemühen uns ebenfalls, unseren kleinen Beitrag zum Umweltschu­tz zu leisten. Ich habe kein eigenes Auto mehr, fahre wo immer möglich mit dem Zug, wir vermeiden Plastik, meine Frau nimmt immer eigene Tragetasch­en für den Einkauf.

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FOTO: MARTIN ROTTENKOLB­ER/ARD DEGETO/DPA Wilhelm Schürmann (Jürgen Prochnow, r.) mit dem Ausreißer Felix (Marinus Hohmann, l.) im Film „Der Alte und die Nervensäge“.

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