Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Herbe Kritik an Laumanns Intensivbetten-Plan
Das Land will fünf Meldestellen einrichten, die vor Corona-Überbelegung in Krankenhäusern warnen. Das kommt laut Ärzten zu spät.
Beim Kampf gegen drohende Corona-Versorgungsengpässe auf den Intensivstationen der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser sollen neue Anlaufstellen bei den Bezirksregierungen helfen. Bei jeder der fünf Behörden in NRW – in Düsseldorf, Köln, Münster, Arnsberg und Detmold – soll ein „Single Point of Contact“(SPOC) eingerichtet werden, eine zentrale Koordinationsstelle also, mit deren Hilfe mögliche Engpässe bei der Versorgung von Patienten beseitigt werden könnten. Das geht aus einem Konzept des NRW-Gesundheitsministeriums „zur Entlastung der Klinikkapazitäten mittels überregionaler Verlegungstransporte“hervor, das unserer Redaktion vorliegt.
Die Bundesländer haben untereinander bereits ein sogenanntes Kleeblatt mit jeweils einem SPOC organisiert, der in jeder Kleeblattregion (West, Südwest, Süd, Ost und Nord) in einer gemeinsam definierten Koordinierungsstelle ansässig ist. Allerdings kommt es ohne eine zwischengeschaltete Ebene wie die Bezirksregierungen in NRW aus. Das Ablaufschema in Nordrhein-Westfalen ist in einem Elf-Stufen-Plan geregelt, bei dem eine Warnung vor Überlastung von der betroffenen Klinik an den existierenden SPOC NRW, die Bezirksregierungen und andere Kliniken geht. Zur Not ist auch eine Verlegung von Patienten in ein anderes Bundesland möglich.
Auf jeden Fall sollen Krankenhäuser davor bewahrt werden, dass die Kapazitäten nicht ausreichen. Beatmungsplätze in Regionen mit starkem Infektionsgeschehen sollen freigehalten werden, damit Ärzte möglichst nicht entscheiden müssen, welche Patienten sie behandeln können und welche nicht mehr.
In Nordrhein-Westfalen ist derzeit etwa jedes sechste Bett auf einer Intensivstation mit einem an Covid-19 erkrankten Menschen belegt. Insgesamt gibt es 5869 Intensivbetten im Lande, von denen am Dienstagnachmittag noch 885 frei waren. Mit der Belegungsquote von etwa 15 Prozent liegt das bevölkerungsreichste Bundesland damit bundesweit im Mittelfeld. Berlin kommt derzeit auf eine Quote von mehr als 26 Prozent, am besten ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern mit kaum mehr als fünf Prozent. Das heißt: „Nur“jeder 20. Kranke auf einer Intensvistation im nordöstlichsten Bundesland ist ein Covid-19-Patient.
Grundsätzlich sollen sich die Krankenhäuser dem Konzept zufolge direkt untereinander oder über die örtlich zuständige Leitstelle abstimmen, wenn es um notwendige Verlegungen von Patienten in eine andere Klinik geht. Wenn es Engpässe in einem Krankenhaus gibt, sollen die zunächst auf kommunaler Ebene gelöst werden. So die Grundregel. Erst danach würde nach den Vorstellungen des Gesundheitsministeriums in Düsseldorf der SPOC eingreifen. Er soll sich mit den Ärztlichen Leitungen des Rettungsdienstes der betroffenen Kommunen absprechen.
Bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (Divi) stoßen Laumanns Pläne dagegen auf scharfe Kritik. „Das kommt alles viel zu spät“, sagte Divi-Präsident Uwe Janssens unserer Redaktion – und verwies auf andere Bundesländer: „Berlin und Hessen haben schon im Frühjahr vorgemacht, wie es gehen kann.“Berlin etwa habe für seine 1400 Intensivbetten ein Ampelsystem eingeführt. „Da wird alles zentral über die Charité koordiniert“, sagte Janssens. Ähnlich sei es in Frankfurt geregelt. Die vorgesehene und noch nicht umgesetzte Regelung über die Bezirksregierungen in NRW dagegen sei „viel zu kleinteilig“, so der DIVI-Präsident. Seine Forderung: „Wir brauchen ein zentrales Meldeverfahren und Koordinierung an einer Stelle.“
Zudem kritisierte Janssens, dass in dem Konzept des NRW-Gesundheitsministeriums nicht klar geregelt sei, wann in einer Klinik ein Engpass vorliege. „Die Zahlen muss die Politik vorgeben“, so Janssens. Schon im März seien Verschiebungen von Operationen angemahnt worden. Davon sei jetzt nicht die Rede, obwohl die Infektionszahlenderzeit teils viermal so hoch seien wie im Frühjahr. Zudem sei nicht eindeutig geklärt, wie bei möglichen Verschiebungen von Operationen die Gegenfinanzierung geregelt werden sollte. Janssens Fazit: „Das Gesundheitsministerium lässt die Kliniken im Ungewissen und hofft, dass die allein klarkommen.“