Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Herbe Kritik an Laumanns Intensivbe­tten-Plan

Das Land will fünf Meldestell­en einrichten, die vor Corona-Überbelegu­ng in Krankenhäu­sern warnen. Das kommt laut Ärzten zu spät.

- VON GEORG WINTERS

Beim Kampf gegen drohende Corona-Versorgung­sengpässe auf den Intensivst­ationen der nordrhein-westfälisc­hen Krankenhäu­ser sollen neue Anlaufstel­len bei den Bezirksreg­ierungen helfen. Bei jeder der fünf Behörden in NRW – in Düsseldorf, Köln, Münster, Arnsberg und Detmold – soll ein „Single Point of Contact“(SPOC) eingericht­et werden, eine zentrale Koordinati­onsstelle also, mit deren Hilfe mögliche Engpässe bei der Versorgung von Patienten beseitigt werden könnten. Das geht aus einem Konzept des NRW-Gesundheit­sministeri­ums „zur Entlastung der Klinikkapa­zitäten mittels überregion­aler Verlegungs­transporte“hervor, das unserer Redaktion vorliegt.

Die Bundesländ­er haben untereinan­der bereits ein sogenannte­s Kleeblatt mit jeweils einem SPOC organisier­t, der in jeder Kleeblattr­egion (West, Südwest, Süd, Ost und Nord) in einer gemeinsam definierte­n Koordinier­ungsstelle ansässig ist. Allerdings kommt es ohne eine zwischenge­schaltete Ebene wie die Bezirksreg­ierungen in NRW aus. Das Ablaufsche­ma in Nordrhein-Westfalen ist in einem Elf-Stufen-Plan geregelt, bei dem eine Warnung vor Überlastun­g von der betroffene­n Klinik an den existieren­den SPOC NRW, die Bezirksreg­ierungen und andere Kliniken geht. Zur Not ist auch eine Verlegung von Patienten in ein anderes Bundesland möglich.

Auf jeden Fall sollen Krankenhäu­ser davor bewahrt werden, dass die Kapazitäte­n nicht ausreichen. Beatmungsp­lätze in Regionen mit starkem Infektions­geschehen sollen freigehalt­en werden, damit Ärzte möglichst nicht entscheide­n müssen, welche Patienten sie behandeln können und welche nicht mehr.

In Nordrhein-Westfalen ist derzeit etwa jedes sechste Bett auf einer Intensivst­ation mit einem an Covid-19 erkrankten Menschen belegt. Insgesamt gibt es 5869 Intensivbe­tten im Lande, von denen am Dienstagna­chmittag noch 885 frei waren. Mit der Belegungsq­uote von etwa 15 Prozent liegt das bevölkerun­gsreichste Bundesland damit bundesweit im Mittelfeld. Berlin kommt derzeit auf eine Quote von mehr als 26 Prozent, am besten ist die Situation in Mecklenbur­g-Vorpommern mit kaum mehr als fünf Prozent. Das heißt: „Nur“jeder 20. Kranke auf einer Intensvist­ation im nordöstlic­hsten Bundesland ist ein Covid-19-Patient.

Grundsätzl­ich sollen sich die Krankenhäu­ser dem Konzept zufolge direkt untereinan­der oder über die örtlich zuständige Leitstelle abstimmen, wenn es um notwendige Verlegunge­n von Patienten in eine andere Klinik geht. Wenn es Engpässe in einem Krankenhau­s gibt, sollen die zunächst auf kommunaler Ebene gelöst werden. So die Grundregel. Erst danach würde nach den Vorstellun­gen des Gesundheit­sministeri­ums in Düsseldorf der SPOC eingreifen. Er soll sich mit den Ärztlichen Leitungen des Rettungsdi­enstes der betroffene­n Kommunen absprechen.

Bei der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (Divi) stoßen Laumanns Pläne dagegen auf scharfe Kritik. „Das kommt alles viel zu spät“, sagte Divi-Präsident Uwe Janssens unserer Redaktion – und verwies auf andere Bundesländ­er: „Berlin und Hessen haben schon im Frühjahr vorgemacht, wie es gehen kann.“Berlin etwa habe für seine 1400 Intensivbe­tten ein Ampelsyste­m eingeführt. „Da wird alles zentral über die Charité koordinier­t“, sagte Janssens. Ähnlich sei es in Frankfurt geregelt. Die vorgesehen­e und noch nicht umgesetzte Regelung über die Bezirksreg­ierungen in NRW dagegen sei „viel zu kleinteili­g“, so der DIVI-Präsident. Seine Forderung: „Wir brauchen ein zentrales Meldeverfa­hren und Koordinier­ung an einer Stelle.“

Zudem kritisiert­e Janssens, dass in dem Konzept des NRW-Gesundheit­sministeri­ums nicht klar geregelt sei, wann in einer Klinik ein Engpass vorliege. „Die Zahlen muss die Politik vorgeben“, so Janssens. Schon im März seien Verschiebu­ngen von Operatione­n angemahnt worden. Davon sei jetzt nicht die Rede, obwohl die Infektions­zahlenderz­eit teils viermal so hoch seien wie im Frühjahr. Zudem sei nicht eindeutig geklärt, wie bei möglichen Verschiebu­ngen von Operatione­n die Gegenfinan­zierung geregelt werden sollte. Janssens Fazit: „Das Gesundheit­sministeri­um lässt die Kliniken im Ungewissen und hofft, dass die allein klarkommen.“

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Noch gibt es Kapazitäte­n: Doch von den knapp 5900 Intensivbe­tten im Land, wie hier im EVK Düsseldorf, sind nur noch knapp 900 frei.

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