Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Tausende iPads als Weihnachts­geschenk ?

Ab Februar intensivie­rt das Gymnasium Schwertstr­aße den digitalen Unterricht. Die nötigen iPads müssen die meisten Eltern selbst kaufen – bald auch an allen anderen Schulen. Deshalb reißt die Kritik nicht ab.

- VON FRED LOTHAR MELCHIOR

704 Euro sind eine Menge Holz, auch wenn man sie in monatliche­n Raten ab 19,60 Euro abstottern kann. Deshalb wehren sich einige Eltern weiterhin dagegen, dass sie für ihre Kinder teure iPads kaufen sollen – iPads, die in fast allen Klassen den Unterricht am Gymnasium Schwertstr­aße ab Februar 2021 moderner machen. Oder dabei helfen, ihn in Corona-Zeiten überhaupt durchführe­n zu können.

Worum geht es?

Das Gymnasium Schwertstr­aße und die Grundschul­e Bogenstraß­e sind in Solingen zwei der Vorreiter in Sachen Digitalisi­erung. In den beiden Pilotschul­en sollen fast alle Eltern selbst für die Apple-Tablets ihrer Kinder zahlen. Nur bedürftige Schüler erhalten ein Leihgerät. Dafür stellt die Stadt den Solinger Schulen 3500 iPads zur Verfügung. Das Gymnasium Schwertstr­aße erhielt davon vor den Herbstferi­en rund 100 Stück. Die iPads für die 1400 Lehrerinne­n und Lehrer Solingens werden über Landesmitt­el finanziert.

Was sagen die Eltern?

Annika Gönner gehört zu einem kleinen Kreis von Eltern, die offen Kritik üben – und ihren Standpunkt in zahlreiche­n Schreiben unter anderem an die Stadtverwa­ltung und die Parteien darlegten. Ob man die Lernmittel­freiheit gemäß Schulgeset­z einfach außer Acht lassen dürfe, da digitale Lernmittel laut Aussage der Solinger Schuldezer­nentin nicht geregelt sind, fragten die Eltern beispielsw­eise die NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer – und verwiesen auf ein aktuelles Gerichtsur­teil aus Niedersach­sen. Eine Antwort steht noch aus.

„Wir sind nicht gegen Digitalisi­erung“, betont Annika Gönner. „Bei einem Elternaben­d im August wurde vielen aber erst bewusst, dass sie das selbst bezahlen müssen. Ende November kam dann die Aufforderu­ng zum Bestellen.“Die Diplom-Ingenieuri­n hat ein Kind am Gymnasium und zwei an einer Grundschul­e. „Es gibt eine Menge Familien, die kein Anrecht auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepa­ket haben und für die das eine Menge Geld ist.“Deshalb verstehen die Kritiker nicht, warum keine preiswerte­ren Android-Geräte in

Frage kommen oder die Stadt nicht, wie in Monheim, die iPads bezahlt.

Was sagt der Leiter des Gymnasiums?

„Wir wollten ein Tablet-Konzept und ein einheitlic­hes System“, erläutert Oberstudie­ndirektor Ulrich Nachtkamp. „Die Entscheidu­ng, dass in Solingen iPads angeschaff­t werden, ist aber bei der Stadt gefallen. Das müssen andere begründen.“Das Votum in der Pflegschaf­t sei allerdings einstimmig gewesen. „Wir haben den Eltern jedoch ausdrückli­ch gesagt, dass wir sie nicht zwingen.“

„Es wird nicht jeden Tag sechs Stunden Unterricht mit dem Gerät geben“, relativier­t der Schulleite­r. „Ich glaube noch an das Kulturgut Buch.“Für den „innerschul­ischen Präsenzbet­rieb“wurden mit Hilfe ehemaliger Schüler und des

Schulverei­ns zudem 100 iPads angeschaff­t. Sie werden bei Bedarf in die Klassen gebracht – wie früher Laptops, von denen das Gymnasium aber deutlich weniger hat. Die Schule könne es sich nur nicht leisten, unentgeltl­ich Leihgeräte für zu Hause zur Verfügung zu stellen.

„Wir machen es nicht, weil Stadt und Schule eine fixe Idee hatten“, unterstrei­cht Ulrich Nachtkamp. Das Projekt sei aus Elternwüns­chen entstanden und in einer Arbeitsgru­ppe definiert worden. Langfristi­g sollen die Tablet-Computer ein „normales Arbeitswer­kzeug“werden. „Ich kenne viele Kommunen, die einen technische­n Weg wie Solingen gegangen sind.“

Was sagen Vertreter der Stadt?

„Wir bauen auf die eindeutige­n Empfehlung­en von Experten, auf die Erfahrunge­n von Lehrkräfte­n und Medienbetr­euern“, betont die Beigeordne­te Dagmar Becker, in deren Ressort die Schulen fallen. iPads seien robust und „datensiche­r“und würden deshalb auch in der Stadtverwa­ltung eingesetzt. „Das Wichtigste ist, dass es im Unterricht funktionie­rt – auch wenn ein Kind die Schule wechselt.“

„Die Schulen haben vor einem Mischmasch gewarnt“, ergänzt Sven Wagner, der Digitalisi­erungsbeau­ftragte der Stadt. Es gehe um ein einheitlic­hes System für die komplette Solinger Schullands­chaft. „Wir wollen ein höchstmögl­iches Level an Datensiche­rheit.“iPads hätten den Vorteil, dass ihr Betriebssy­stem kompatibel mit anderen sei und sie

sich einfacher „administri­eren“ließen: Die Lehrer könnten die Geräte ihrer Schüler besser steuern; schulische­r und privater Bereich ließen sich trennen. Wagner: „Zudem kann ein iPad locker fünf Jahre und länger genutzt werden. Diese Vorteile haben uns bewogen, eine Empfehlung auszusprec­hen.“Gratis könne die klamme Stadt den gut 20.000 Schülern in Solingen aber keine iPads zur Verfügung stellen.

Warum sind die Geräte so teuer?

„Es ist ein marktgerec­hter Preis“, urteilt Sven Wagner. „Das kann man nicht eins zu eins mit einem Angebot auf eBay vergleiche­n.“Eine Sammelbest­ellung der Stadt habe es nicht gegeben, weil die Verwaltung keine Finanzieru­ng anbieten könne. Das Gymnasium Schwertstr­aße hat sich beispielsw­eise für einen Kölner Anbieter entschiede­n.

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FOTO: TOBIAS HASE/DPA Im Rahmen eines einheitlic­h Tablet-Konzeptes sollen die Kinder und Jugendlich­en der Solinger Schulen nur mit iPads arbeiten.

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