Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Suchthilfe arbeitet „völlig am Limit“
Der Caritasverband Wuppertal/Solingen schlägt Alarm: Der Beratungsbedarf für Menschen mit Suchterkrankungen ist hoch.
(ied) Dass Einsamkeit die Abhängigkeit von Suchtmitteln verstärken und die Kontrolle über das Problem erschweren kann, ist kein neues Phänomen – und das beunruhigt bekanntlich gerade in der Corona-Zeit viele Experten. Wie ernst die Lage ist, verdeutlicht Gabriele Kirchner, Leiterin der Suchtberatung beim Caritasverband Wuppertal/ Solingen, anhand der Wartezeiten:
„Bis zu einem Beratungsgespräch dauert es im Moment sechs bis acht Wochen, früher konnten wir das innerhalb von 14 Tagen anbieten“, berichtet sie. Vor allem in der Klingenstadt sei man bei der Versorgung in der Suchthilfe „völlig am Limit“, schildert Kirchner die Situation.
Seit Jahren gebe es dort einen erhöhten Beratungsbedarf. Der betreffe zum einen die Suchtkranken selbst, die ihre Abhängigkeit nach illegalen Drogen, Medikamenten, Alkohol oder Glücksspiel aus der Bahn warf, zum anderen aber auch deren oft hilfslose Angehörige.
Die Corona-Pandemie habe die Nöte noch verschärft – und das gleich in mehrerer Hinsicht: Zum einen habe man beim Gesundheitsamt, unter dessen Dach sich die städtische Suchtberatung befindet, viele Ressourcen für den Kampf gegen das Virus gebündelt, zum anderen führe die soziale Isolation vieler Menschen auch zu mehr gefährlichen Rückfällen. Das bestätigt auch Dr. Christiane Erbel von der Gesundheitsselbsthilfe NRW: „Für betroffene Eltern, deren Kinder Hilfe brauchen, ist die Situation
Gabriele Kirchner
schwer zu ertragen.“
2883 Beratungs- und Behandlungskontakte verzeichnete die Solinger Suchthilfe der Caritas für das Jahr 2019.
Zum Zeitpunkt Anfang November 2020 waren 151 Klienten fest an die Einrichtung angebunden. Offiziell
„Bis zu einem Beratungsgespräch dauert es im Moment sechs bis acht Wochen“
2,3 Stellen stehen dafür zur Verfügung – zu wenig, um der Vielzahl an Anforderungen auf die Dauer gerecht zu werden. Die Stadt sicherte der Caritas nun die Finanzierung einer weiteren halben Stelle für ein Jahr zu. Das gehe zwar in die richtige Richtung und sei zweifellos eine Hilfe, lobt Kirchner. Der Bedarf reiche aber darüber hinaus: Beim Verband hatte man auf eine volle, unbefristete Stelle gehofft.
Die Aufgaben der Suchtberater sind vielfältig und reichen von Einzel-, Paar- und Familiengesprächen über aufsuchende Arbeit wie
Hausbesuche bis zu verschiedenen Gruppenangeboten wie etwa einer Spielergruppe. Engpässe gibt es laut Kirchner derzeit bei der Unterstützung Berufstätiger, die tagsüber keine Zeit für Beratungsgespräche haben: „Es ist uns wichtig, mehr Termine in den Abendstunden anbieten zu können.“Aber auch die Angehörigenarbeit und Angebote für Menschen, die zusätzlich zu ihrer Sucht an weiteren psychischen Problemen leiden, müssten ausgebaut werden.
Dr. Christiane Erbel appelliert derweil an Politik und Verwaltung, die Träger mit ausreichend Mitteln auszustatten und im Suchthilfesystem somit richtige Weichen zu stellen: „Dann könnten die betroffenen jungen Menschen einen guten Weg einschlagen.“
Kontakt
Suchtberatung des Caritasverbands, Ahrstraße 9, 0212 / 23 13 49 30