Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Auf bruch ins Neuland
Die CDU wählt im Januar ihren Vorsitzenden. Darauf einigten sich die Gremien der Partei am Montag. Doch klar ist: Einfach wird der digitale Weg der Partei nicht.
Daniel Günther zweifelt: Angesichts der Pandemielage könne er sich einen Parteitag im Januar nicht recht vorstellen, sagt der Ministerpräsident aus Kiel im CDU-Präsidium am Montagmorgen laut Teilnehmern. Er erntet Widerspruch. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer kann sich einen Parteitag nämlich sehr wohl vorstellen. Sie weiß, dass es in der Partei brodelt. Besonders die Unterstützer von Friedrich Merz, neben NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Außenpolitiker Norbert Röttgen einer der drei Kandidaten für den Parteivorsitz, hatten sich vehement gegen eine erneute Verschiebung des Parteitags ausgesprochen. Merz selbst vermutete vor kurzem gar eine Verschwörung des „Partei-Establishments“gegen sich. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, hatte deswegen noch am Sonntag gegenüber unserer Redaktion deutlich gemacht, dass es eine Entscheidung im Januar geben müsse. Eine erneute Verschiebung sei „Augenwischerei“, sagte er.
Die Entscheider der Partei sehen das am Montag ebenfalls so: Der CDU-Vorstand beschließt mit großer Mehrheit, dass der neue Parteivorsitzende am 16. Januar digital und mit abschließender Briefwahl gewählt werden soll. Es gibt zwei
Gegenstimmen, zwei Enthaltungen. Laschet selbst beteiligt sich nicht an der Diskussion im Bundesvorstand. In der Sitzung des Präsidiums habe er zuvor deutlich gemacht, dass er die Entscheidung akzeptieren werde, erzählen Teilenehmer hinterher.
Kurzer Rückblick: Kramp-Karrenbauer hatte im Februar nach dem Debakel um die Landtagswahl in Thüringen angekündigt, ihren Posten als Parteichefin nach nur etwas mehr als einem Jahr wieder aufzugeben. Ein Parteitag wurde für April angesetzt. Doch dieser ließ sich aufgrund der Corona-Lage nicht halten, ebenso wenig wie ein Präsenzparteitag im Dezember.
Nun also digital: Der 33. Parteitag der CDU wird am Freitag, 15. Januar, um 18 Uhr beginnen, am 16. Januar geht es um 9.30 Uhr weiter, verkündet Generalsekretär Paul Ziemiak. Er betont, die CDU werde „einen vollständigen digitalen Parteitag durchführen und unter der Maßgabe der jetzigen Rechtslage einen Vorstand wählen“. Die drei Kandidaten und das Präsidium werden in der Messe Berlin im „Hub27“zugegen sein. Es werde drei 15-minütige Reden der Kandidaten geben, kündigt Ziemiak an. Die 1001 Delegierten sind digital zugeschaltet und stimmen über ein spezielles Online-Tool digital ab. Komplett anonym, auch geografisch nicht ortbar, wie Ziemiak beteuert.
Das Ergebnis, also der gewählte Kandidat, muss dann aber nochmal per Briefwahl betätigt werden, um vollständige Rechtssicherheit herzustellen. Ein Abnicken per Brief sozusagen. Das heißt, jeder Delegierte wird erneut auf zugestellten Briefwahlunterlagen abstimmen. Wichtig dabei: Alle drei Kandidaten haben versichert, dass sie das Ergebnis der digitalen Wahl akzeptieren und sich bei der abschließenden Briefwahl nicht erneut auf die Stimmzettel setzen lassen werden. Das Problem ist nämlich, dass sich theoretisch jeder, der das wünscht, noch auf den analogen Stimmzettel schreiben lassen kann – selbst wenn er vorher bei der Digitalwahl nicht angetreten ist. Das kann aus Rechtsgründen nicht ausgeschlossen werden und sorgt im Adenauerhaus für gewisse Unruhe. Diese digitale Wahl sei Neuland, heißt es. Man könne nicht alles perfekt und gleichzeitig rechtssicher gestalten, halte aber diese Variante für eher theoretisch. Das Verfahren wird jedenfalls von einem Wahlvorstand begleitet und notariell überwacht. Am 22. Januar soll dann das Ergebnis der Briefwahl bekannt gegeben werden.
Aber sind die Delegierten tatsächlich alle in der Lage, digital abzustimmen? In der CDU wird bereits hektisch telefoniert. Jeder Delegierte bekommt einen Anruf und wird gefragt, ob er ein „digitales Endgerät“und die entsprechende Netzabdeckung besitzt, um den Parteitag zu verfolgen. „Leicht ist das alles nicht“, seufzt ein Beteiligter.
In der Partei ist man dennoch erleichtert, dass es nun eine Entscheidung gibt. Der Wirtschaftsrat der CDU, eher pro Merz eingestellt, nennt die Entscheidung eine „wichtige Weichenstellung des CDU-Bundesvorstands, um den Übergangsprozess nicht weiter zu verzögern“. Gerade im Wahljahr sei eine legitimierte und handlungsfähige Parteispitze unverzichtbar, um die schwierigen Debatten um die wirtschaftliche Zukunft nach der Corona-Pandemie bestehen zu können, sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats, unserer Redaktion. Die CDU halte viel auf ihre digitale Fortschrittlichkeit, „deshalb freue ich mich, dass sie wie andere Parteien jetzt ein Digitalformat formgerecht umsetzen wird“, betont er. Ziemiak nennt es eine „große Premiere für die deutsche Parteienlandschaft“. Es wirkt, als spreche sich der Generalsekretär auch selbst Mut zu.