Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Die Unternehme­n brauchen Perspektiv­en“

Der Handwerksk­ammer-Chef spricht über Folgen des Lockdowns und nötige Entlastung­en für Firmen.

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Herr Ehlert, wie sehr treffen die neuen Beschlüsse das Handwerk?

EHLERT Bisher waren die Kosmetiker und die Lebensmitt­elhandwerk­e die Hauptleidt­ragenden des Lockdowns. Jetzt trifft es auch wieder die Friseure und viele Ladenhandw­erke. Wenn die Kunden nicht mehr zur Uhrmacheri­n oder zum Maßschneid­er dürfen, dann leidet darunter auch der Werkstattb­etrieb. Denn nicht alles und jeder kann auf Onlinehand­el umstellen.

War der Lockdown notwendig?

EHLERT Ja, die Infektions­zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Das ging jetzt nicht mehr anders! Im Nachhinein muss man sagen: Es war Ende Oktober falsch, nur halbherzig­e Maßnahmen vorzunehme­n. Und es war falsch, den Menschen vorzugauke­ln, bis Ende November sei der ganze Spuk wieder vorbei. Damit wurde viel Vertrauen verspielt.

Auf was kommt es jetzt an?

EHLERT Wir können uns keine Stopand-go-Politik zwischen Lockdown und Lockerunge­n leisten! Die Menschen brauchen verlässlic­he Perspektiv­en. Nur dann können die Unternehme­n realistisc­h planen. Auch für die berufliche Bildung brauchen wir Klarheit darüber, wie wir bis nächsten Sommer Lehrgänge, Berufsschu­lunterrich­t und Prüfungen organisier­en können.

Was meinen Sie damit konkret?

EHLERT Wir haben in den vergangene­n Monaten an vielen Brennpunkt­en zu viele Infektione­n zugelassen, weil die notwendige­n Regeln entweder nicht aufgestell­t oder weil sie nicht beachtet wurden. Es ist doch ein Debakel, dass wir nicht in der Lage sind, eine klare Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum durchzuset­zen. Stattdesse­n müssen wir jetzt das wirtschaft­liche Leben wieder massiv herunterfa­hren. Damit ruinieren wir Existenzen, aber wir werden der Pandemie nicht Herr.

Reichen die staatliche­n Hilfen aus?

EHLERT Die Krisenhilf­en waren notwendig – vor allem die Soforthilf­e und das Kurzarbeit­ergeld waren im ersten Lockdown Gold wert. Die Hilfen, die es jetzt gibt, schaffen jedoch fast unvermeidb­ar Ungerechti­gkeiten. Irgendwo muss ja die Grenze gezogen werden, wem Hilfe zusteht. Aber mich treibt inzwischen etwas anderes um.

Und das wäre?

EHLERT Wir müssen ehrlich sein und feststelle­n, dass nicht jedes Geschäftsm­odell, das es vor der Krise gab, eine Zukunft hat. Viele Firmen werden sich neu ausrichten müssen. Sie brauchen neue Produkte, Dienstleis­tungen, Vertriebsw­ege.

Was heißt das für die Politik?

EHLERT Wir müssen den Unternehme­n den Rücken freihalten. Dazu brauchen sie erstens verlässlic­he Perspektiv­en, zweitens Entlastung von Bürokratie und Steuern. Dazu zählen Verbesseru­ngen beim Verlustrüc­ktrag, Verstetigu­ng der Mehrwertst­euersenkun­g, mehr E-Government oder hier in NRW eine Absenkung der Grunderwer­bsteuer und eine einfachere Grundsteue­r. Die Vorfälligk­eit der Sozialvers­icherungsb­eiträge sollte endlich gekippt werden. Auch ein Moratorium für Tilgungsza­hlungen würde jetzt nützen.

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FOTO: HWK Andreas Ehlert ist Präsident der Handwerksk­ammer Düsseldorf.

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