Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die BVB-Chefs sind gescheiter­t

MEINUNG Die Trennung von Lucien Favre zeigt erneut, dass es Borussia Dortmund nicht gelingt, den passenden Nachfolger für Jürgen Klopp zu finden.

- VON ROBERT PETERS

Mal wieder ist einer gescheiter­t, der nicht ist wie Jürgen Klopp. Seit der Mann mit dem Zahnpasta-Werbeläche­ln 2015 unter Tränen (übrigens auch seiner Vorgesetzt­en) Borussia Dortmund verlassen hat, mühen sich seine Nachfolger vergeblich, aus dem langen Schatten des langen Blonden zu treten. Lucien Favre ist schon der Vierte.

Thomas Tuchel holte zwar den DFB-Pokal, aber seine bissige Unnahbarke­it kontrastie­rte wohl zu stark mit dem innigen Wunsch des Geschäftsf­ührers Hans-Jürgen Watzke, einen Kumpel an der Seite zu haben, mit dem er auch mal die Taktik erörtern oder sich einfach nur streiten konnte. Dass Tuchel den Verantwort­lichen signalisie­rte, sie einfach nicht würdig für ein Gespräch auf fachlicher Augenhöhe zu halten, wurde ihm endgültig zum Verhängnis.

Peter Bosz scheiterte, weil die Mannschaft sein Offensivko­nzept zu hemmungslo­s umsetzte. Dass es vielleicht nicht allein am Holländer lag, zeigen seine Erfolge bei Ajax Amsterdam, das er ins Finale der Europa League führte, und nun in Leverkusen. Mit dem Bayer-Team hat er zumindest zurzeit den BVB überflügel­t. Den Österreich­er Peter Stöger

holte der BVB nach einem halben Jahr Peter Bosz, um die Defensive zu stabilisie­ren. Es wurde viel öder Verwaltung­sfußball gespielt, aber der Klub sicherte immerhin sein Minimalzie­l, er kam in die Champions League. Keiner fand jene Bindung zum Publikum wie der begnadete Volkstribu­n Klopp, niemand gewann die menschlich­e Nähe zum Männerbünd­nis an der Vereinsspi­tze. Beides wog gleich schwer.

Die verzweifel­te Suche nach dem Klopp-Klon trieb bisweilen romantisch­e Blüten. Zum Beispiel, als Klubchef Watzke in seinen Memoiren dem einstigen Coach kapitelwei­se fußballeri­sche Liebeserkl­ärungen hinterhers­chickte und sich sogar zu einer (vergeblich­en) Rückholakt­ion bekannte. Da hatte er längst Lucien Favre auf den Trainerses­sel befördert. Und es ist anzunehmen, dass Watzke wusste, wen er da verpflicht­et hatte.

Favre ist ganz sicher keiner, der in der Kabine auf den Tisch springt wie Louis van Gaal. Er drückt nicht wie Klopp jeden Spieler so herzhaft an die ohnehin nicht so breite Brust, dass dem Fußballer gar nichts anderes mehr übrigbleib­t, als sich für unbesiegba­r zu halten. Aber er hält auch keine einsilbige­n taktischen Ansprachen wie der große Teamchef Franz Beckenbaue­r, der seine Mannschaft mit dem legendären

Satz „Geht`s raus und spielt`s Fußball“auf den Rasen beorderte.

Favre ist ein Mann, der besessen an den kleinen Dingen arbeitet, der weder mit sich noch mit dem Ergebnis der Arbeit je richtig zufrieden ist, weil er nach dem Maximalen strebt, nach der Vollendung. Er grübelt, er zweifelt, und er hat einen Hang zur traurigen Apathie, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sich das vorstellt.

Aber er hat noch alle Mannschaft­en in den wesentlich­en Kleinigkei­ten besser gemacht. All das wussten die Männer beim BVB, das Führungsgr­emium aus Geschäftsf­ührer Watzke, Sportdirek­tor Michael Zorc, Sebastian Kehl, dem Leiter der Lizenzspie­lerabteilu­ng, und Matthias Sammer, dem Berater der Klubführun­g. Trotzdem fiel die Wahl auf Favre, vielleicht, so sieht es jedenfalls aus, weil es an Klopp-Doppelgäng­ern fehlte. Weil jedoch die unstillbar­e Sehnsucht nach einem wie Klopp nicht nur die Fans, sondern auch die Führung seit über fünf Jahren umtreibt, wurde Favres Arbeit in jedem wackligen Moment in Frage gestellt. Von Rückendeck­ung keine Spur. Die Frage nach der Verantwort­ung des Klubmanage­ments wurde in der Führung nicht diskutiert. Es wird höchste Zeit. Denn ein Scheitern der Klopp-Nachfolger ist auch ein Scheitern der Chefs.

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