Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die BVB-Chefs sind gescheitert
MEINUNG Die Trennung von Lucien Favre zeigt erneut, dass es Borussia Dortmund nicht gelingt, den passenden Nachfolger für Jürgen Klopp zu finden.
Mal wieder ist einer gescheitert, der nicht ist wie Jürgen Klopp. Seit der Mann mit dem Zahnpasta-Werbelächeln 2015 unter Tränen (übrigens auch seiner Vorgesetzten) Borussia Dortmund verlassen hat, mühen sich seine Nachfolger vergeblich, aus dem langen Schatten des langen Blonden zu treten. Lucien Favre ist schon der Vierte.
Thomas Tuchel holte zwar den DFB-Pokal, aber seine bissige Unnahbarkeit kontrastierte wohl zu stark mit dem innigen Wunsch des Geschäftsführers Hans-Jürgen Watzke, einen Kumpel an der Seite zu haben, mit dem er auch mal die Taktik erörtern oder sich einfach nur streiten konnte. Dass Tuchel den Verantwortlichen signalisierte, sie einfach nicht würdig für ein Gespräch auf fachlicher Augenhöhe zu halten, wurde ihm endgültig zum Verhängnis.
Peter Bosz scheiterte, weil die Mannschaft sein Offensivkonzept zu hemmungslos umsetzte. Dass es vielleicht nicht allein am Holländer lag, zeigen seine Erfolge bei Ajax Amsterdam, das er ins Finale der Europa League führte, und nun in Leverkusen. Mit dem Bayer-Team hat er zumindest zurzeit den BVB überflügelt. Den Österreicher Peter Stöger
holte der BVB nach einem halben Jahr Peter Bosz, um die Defensive zu stabilisieren. Es wurde viel öder Verwaltungsfußball gespielt, aber der Klub sicherte immerhin sein Minimalziel, er kam in die Champions League. Keiner fand jene Bindung zum Publikum wie der begnadete Volkstribun Klopp, niemand gewann die menschliche Nähe zum Männerbündnis an der Vereinsspitze. Beides wog gleich schwer.
Die verzweifelte Suche nach dem Klopp-Klon trieb bisweilen romantische Blüten. Zum Beispiel, als Klubchef Watzke in seinen Memoiren dem einstigen Coach kapitelweise fußballerische Liebeserklärungen hinterherschickte und sich sogar zu einer (vergeblichen) Rückholaktion bekannte. Da hatte er längst Lucien Favre auf den Trainersessel befördert. Und es ist anzunehmen, dass Watzke wusste, wen er da verpflichtet hatte.
Favre ist ganz sicher keiner, der in der Kabine auf den Tisch springt wie Louis van Gaal. Er drückt nicht wie Klopp jeden Spieler so herzhaft an die ohnehin nicht so breite Brust, dass dem Fußballer gar nichts anderes mehr übrigbleibt, als sich für unbesiegbar zu halten. Aber er hält auch keine einsilbigen taktischen Ansprachen wie der große Teamchef Franz Beckenbauer, der seine Mannschaft mit dem legendären
Satz „Geht`s raus und spielt`s Fußball“auf den Rasen beorderte.
Favre ist ein Mann, der besessen an den kleinen Dingen arbeitet, der weder mit sich noch mit dem Ergebnis der Arbeit je richtig zufrieden ist, weil er nach dem Maximalen strebt, nach der Vollendung. Er grübelt, er zweifelt, und er hat einen Hang zur traurigen Apathie, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sich das vorstellt.
Aber er hat noch alle Mannschaften in den wesentlichen Kleinigkeiten besser gemacht. All das wussten die Männer beim BVB, das Führungsgremium aus Geschäftsführer Watzke, Sportdirektor Michael Zorc, Sebastian Kehl, dem Leiter der Lizenzspielerabteilung, und Matthias Sammer, dem Berater der Klubführung. Trotzdem fiel die Wahl auf Favre, vielleicht, so sieht es jedenfalls aus, weil es an Klopp-Doppelgängern fehlte. Weil jedoch die unstillbare Sehnsucht nach einem wie Klopp nicht nur die Fans, sondern auch die Führung seit über fünf Jahren umtreibt, wurde Favres Arbeit in jedem wackligen Moment in Frage gestellt. Von Rückendeckung keine Spur. Die Frage nach der Verantwortung des Klubmanagements wurde in der Führung nicht diskutiert. Es wird höchste Zeit. Denn ein Scheitern der Klopp-Nachfolger ist auch ein Scheitern der Chefs.