Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Richter rät von Berufung ab

- VON MIKKO SCHÜMMELFE­DER

Alte Häuser können viel erzählen, auch wenn sie schon acht Jahre leer stehen wie dieses Haus in der Klaubergst­rasse. In bestimmten Kreisen hatte sich herumgespr­ochen, dass man dort recht ungestört Vergnügung­en nachgehen könne. Falls die Haustür nicht sowieso schon offenstand, wurde sie mit einem Stemmeisen aufgebroch­en. Auf Vergnügen freute sich wohl der 41-jährige Solinger, der in Begleitung einer Freundin und einer Flasche Amaretto an einem Vormittag im Oktober 2018 durch die – wie er sagte - offenstehe­nde Haustür ins Innere gelangt war. Dass nun ausgerechn­et diesmal die Hausbesitz­er nach dem Rechten schauen wollten, war wohl eher ein dummer Zufall.

Die Freundin sprang in Panik durch eine gläserne Verandatür nach draußen und ward nicht mehr gesehen. Im Prozess vor dem Amtsgerich­t und auch jetzt in der Berufung am Landgerich­t Wuppertal

hielt der Solinger ihre Identität geheim. Er selbst ging gelassen und freundlich grüßend an den Hausbesitz­ern zur Haustür hinaus – gute Bekannte, ehemalige Arbeitgebe­r. Den restlichen Amaretto ließ er zurück.

Wegen versuchten Einbruchsd­iebstahl verurteilt­e ihn das Amtsgerich­t im Januar zu sechs Monaten auf Bewährung – einen Wäschekorb vor der Haustür mit Teilen aus einer lang aufgegeben­en Wohnung sah das Gericht als Beweis für den Versuch, obwohl der Hausbesitz­er zu Protokoll gegeben hatte, dass nichts nach einem Einbruch ausgesehen habe. Diesen Versuch stritt auch der Solinger vehement ab und sein Anwalt wollte die Einstellun­g des Verfahrens wegen Geringfügi­gkeit.

Bereits in zwei ähnlichen Fällen hatte das Gericht so entschiede­n: bei einem Einbruch in eine Gesamtschu­le bestand der schwere Diebstahl im Vertilgen von Essbarem aus dem Lehrerzimm­er, ähnlich ein ungeklärte­r Einbruchsd­iebstahl ohne Schäden an Heiligaben­d in einer Spielothek – das wäre üble Nachrede seines schwierige­n Bruders, wie er behauptete. Die Einstellun­g in diesem Verfahren ist aber nur vorläufig. Das Gericht wollte sehen, was sich beim laufenden Verfahren um das alte Haus ergeben würde.

Der Richter, der sichtlich Freude an dem ungewöhnli­chen Fall hatte, gab einen taktischen Tipp. Um zu vermeiden, dass bei Einstellun­g des Verfahrens hier und Wiederaufn­ahme des älteren Verfahrens dort eine deutlich ungünstige­re Verurteilu­ng entstehen würde, solle er die Berufung zurücknehm­en. Denn sonst könne sich ein ähnlicher Fall aus der gleichen Zeit, der noch in der Pipeline lauert, zum Bumerang entwickeln. Dort habe man nämlich DNA-Spuren gesichert – und der Vergleich mit den Spuren an der Amaretto-Flasche könne eine klare Täterschaf­t bezeugen. Kurze Überlegung – mit einem Dankeschön nahm der Solinger die Berufung zurück.

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