Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
DISKUSSION IM RAT
In der Corona-Krise berichtet der Verein von weniger Spenden und mehr Arbeit. 2019 hat der Rat die Finanzhilfe für den Verein neu geregelt Die CDU möchte, dass die Stadt die Einrichtung noch stärker finanziell unterstützt.
Kinderschützer hoffen auf mehr Spenden.
77 Punkte zählte die Tagesordnung der Ratssitzung. An einer Stelle, wo die Fraktionen grundsätzlich auf einer Linie liegen, entbrannte die längste Diskussion des Abends. Eine halbe Stunde ging es um häusliche Gewalt und die Ärztliche Kinderschutzambulanz Bergisches Land. In einem Antrag wollte die CDU wissen, wie hoch der finanzielle Mehraufwand bei der Ambulanz aufgrund der Pandemie sei und sprach „von dringendem Handlungsbedarf“. Um die Arbeitsfähigkeit im Sinne der Abwehr der Kindeswohlgefährdung zu gewährleisten,
„Ich habe so etwas noch nie gesagt, aber diese Diskussion hier ist eines Rates unwürdig“
Tanja Kreimendahl (CDU) Ratsfrau
regte die CDU weitere städtische Unterstützung an – „die Zeit dränge“. Mathias Heidtmann berichtete von „einer Schieflage, die durch fehlende Spendengelder entstanden sei“.
Jedes Jahr muss der Verein, der die Ambulanz trägt, um die
200.000 Euro selber aufbringen, um seinen 800.000-Euro-Etat zu sichern. „Unser Ziel ist es immer wieder aufs Neue, in einem Herzschlagfinale mit einer schwarzen Null abzuschließen“, erklärte Vereinsvorsitzender und Kinderarzt Dr. Thomas Schliermann im Nachgang zur Ratssitzung.
25 Prozent des Gesamtaufwandes wirbt die Ärztliche Kinderschutzambulanz jedes Jahr selber ein. Klinkenputzen zählt zwangsweise zum Geschäft. Seit 31 Jahren ist diese Zusatzaufgabe, die der Verein neben der fachlichen Arbeit leistet, leidiges Dauerthema.
2020 fehlen, weil Corona die Spendenbereitschaft bremste, 30.000 Euro, um die besagten 200.000 Euro zu erreichen. Weil die Fallzahlen tatsächlich gestiegen sind, das Personal am Limit arbeitet, wird das Ambulanz-Team
künftig um 1,5 Stellen aufgestockt. Heißt für kommendes Jahr, dass noch mehr Spenden akquiriert werden müssen: „Wir werden 250.000 Euro an Spenden aufbringen müssen“, kalkuliert Leiterin Birgit Köppe-Gaisendrees.
Die Christdemokraten wollen aber angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe und der steigenden Summe, die die Kinderschutzambulanz selbst zu schultern hat, den privaten Unterstützern zur Seite springen und die Stadt noch stärker in die Pflicht nehmen.
Sozialdezernent Thomas Neuhaus betonte, dass es ein gutes Einvernehmen
mit der Ärztlichen Kinderschutzambulanz gebe und erläuterte den momentan Beitrag: Die Stadt schießt jährlich eine Grundfinanzierung von 30.000 Euro für unterschwellige Angebote zu und übernimmt die Abrechnung der Fachleistungsstunden für die Remscheider Kinder und Jugendlichen, die von der Ambulanz betreut werden. „Diese Fallpauschalen rechnen wir ohne Limit ab“, betonte Neuhaus. Mit diesem Modell, dass der Rat 2019 beschloss, sei die Ambulanz zufrieden, es sei auskömmlich.
Die CDU hält die Unterstützung in Zeiten des zweiten Corona-Lockdowns,
da häusliche Gewalt mutmaßlich zunimmt, für ausbaufähig. Entgegen der Polizeistatistik, die in den ersten elf Monaten 2020 keinen spürbaren Anstieg bei häuslicher Gewalt verzeichnete, war sich Mathias Heidtmann sicher: „Niemand, der mit Jugendhilfe beschäftigt ist, glaubt, dass die Zahlen nicht nach oben gegangen sind.“Sven Wolf (SPD) teilte diese Einschätzung: „In pandemischen Zeiten nehmen die Spannungen bei ganz vielen Familien zu. Das dürfen wir nicht vergessen.“
Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz (SPD) regte an, das
Thema im zuständigen Fachgremium, dem Jugendhilfeausschuss am 10. Februar zu diskutieren. Als Dr. Stefanie Bluth (SPD) einwarf, beim Kindeswohl in Zukunft noch mehr Augenmerk auf die Prävention zu legen, trat Tanja Kreimendahl (CDU) erzürnt ans Saalmikrofon in der Aula der Albert-Einstein-Schule: „Ich habe so etwas noch nie gesagt, aber diese Diskussion hier ist eines Rates unwürdig.“
Schlussendlich verständigten sich die Fraktionen darauf, im Jugendhilfeausschuss über mögliche weitere Hilfen für die Kinderschutzambulanz zu sprechen.