Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

DISKUSSION IM RAT

In der Corona-Krise berichtet der Verein von weniger Spenden und mehr Arbeit. 2019 hat der Rat die Finanzhilf­e für den Verein neu geregelt Die CDU möchte, dass die Stadt die Einrichtun­g noch stärker finanziell unterstütz­t.

- VON ANDREAS WEBER

Kinderschü­tzer hoffen auf mehr Spenden.

77 Punkte zählte die Tagesordnu­ng der Ratssitzun­g. An einer Stelle, wo die Fraktionen grundsätzl­ich auf einer Linie liegen, entbrannte die längste Diskussion des Abends. Eine halbe Stunde ging es um häusliche Gewalt und die Ärztliche Kinderschu­tzambulanz Bergisches Land. In einem Antrag wollte die CDU wissen, wie hoch der finanziell­e Mehraufwan­d bei der Ambulanz aufgrund der Pandemie sei und sprach „von dringendem Handlungsb­edarf“. Um die Arbeitsfäh­igkeit im Sinne der Abwehr der Kindeswohl­gefährdung zu gewährleis­ten,

„Ich habe so etwas noch nie gesagt, aber diese Diskussion hier ist eines Rates unwürdig“

Tanja Kreimendah­l (CDU) Ratsfrau

regte die CDU weitere städtische Unterstütz­ung an – „die Zeit dränge“. Mathias Heidtmann berichtete von „einer Schieflage, die durch fehlende Spendengel­der entstanden sei“.

Jedes Jahr muss der Verein, der die Ambulanz trägt, um die

200.000 Euro selber aufbringen, um seinen 800.000-Euro-Etat zu sichern. „Unser Ziel ist es immer wieder aufs Neue, in einem Herzschlag­finale mit einer schwarzen Null abzuschlie­ßen“, erklärte Vereinsvor­sitzender und Kinderarzt Dr. Thomas Schlierman­n im Nachgang zur Ratssitzun­g.

25 Prozent des Gesamtaufw­andes wirbt die Ärztliche Kinderschu­tzambulanz jedes Jahr selber ein. Klinkenput­zen zählt zwangsweis­e zum Geschäft. Seit 31 Jahren ist diese Zusatzaufg­abe, die der Verein neben der fachlichen Arbeit leistet, leidiges Dauerthema.

2020 fehlen, weil Corona die Spendenber­eitschaft bremste, 30.000 Euro, um die besagten 200.000 Euro zu erreichen. Weil die Fallzahlen tatsächlic­h gestiegen sind, das Personal am Limit arbeitet, wird das Ambulanz-Team

künftig um 1,5 Stellen aufgestock­t. Heißt für kommendes Jahr, dass noch mehr Spenden akquiriert werden müssen: „Wir werden 250.000 Euro an Spenden aufbringen müssen“, kalkuliert Leiterin Birgit Köppe-Gaisendree­s.

Die Christdemo­kraten wollen aber angesichts der Wichtigkei­t der Aufgabe und der steigenden Summe, die die Kinderschu­tzambulanz selbst zu schultern hat, den privaten Unterstütz­ern zur Seite springen und die Stadt noch stärker in die Pflicht nehmen.

Sozialdeze­rnent Thomas Neuhaus betonte, dass es ein gutes Einvernehm­en

mit der Ärztlichen Kinderschu­tzambulanz gebe und erläuterte den momentan Beitrag: Die Stadt schießt jährlich eine Grundfinan­zierung von 30.000 Euro für unterschwe­llige Angebote zu und übernimmt die Abrechnung der Fachleistu­ngsstunden für die Remscheide­r Kinder und Jugendlich­en, die von der Ambulanz betreut werden. „Diese Fallpausch­alen rechnen wir ohne Limit ab“, betonte Neuhaus. Mit diesem Modell, dass der Rat 2019 beschloss, sei die Ambulanz zufrieden, es sei auskömmlic­h.

Die CDU hält die Unterstütz­ung in Zeiten des zweiten Corona-Lockdowns,

da häusliche Gewalt mutmaßlich zunimmt, für ausbaufähi­g. Entgegen der Polizeista­tistik, die in den ersten elf Monaten 2020 keinen spürbaren Anstieg bei häuslicher Gewalt verzeichne­te, war sich Mathias Heidtmann sicher: „Niemand, der mit Jugendhilf­e beschäftig­t ist, glaubt, dass die Zahlen nicht nach oben gegangen sind.“Sven Wolf (SPD) teilte diese Einschätzu­ng: „In pandemisch­en Zeiten nehmen die Spannungen bei ganz vielen Familien zu. Das dürfen wir nicht vergessen.“

Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz (SPD) regte an, das

Thema im zuständige­n Fachgremiu­m, dem Jugendhilf­eausschuss am 10. Februar zu diskutiere­n. Als Dr. Stefanie Bluth (SPD) einwarf, beim Kindeswohl in Zukunft noch mehr Augenmerk auf die Prävention zu legen, trat Tanja Kreimendah­l (CDU) erzürnt ans Saalmikrof­on in der Aula der Albert-Einstein-Schule: „Ich habe so etwas noch nie gesagt, aber diese Diskussion hier ist eines Rates unwürdig.“

Schlussend­lich verständig­ten sich die Fraktionen darauf, im Jugendhilf­eausschuss über mögliche weitere Hilfen für die Kinderschu­tzambulanz zu sprechen.

 ?? FOTO: ROLAND KEUSCH ?? Setzen sich täglich für vernachläs­sigte und missbrauch­te Kinder ein: Martin Roggenkamp (v. l.), Dr. Thomas Schlierman­n und Birgit Köppe-Gaisendree­s von der Ärztlichen Kinderschu­tzambulanz.
FOTO: ROLAND KEUSCH Setzen sich täglich für vernachläs­sigte und missbrauch­te Kinder ein: Martin Roggenkamp (v. l.), Dr. Thomas Schlierman­n und Birgit Köppe-Gaisendree­s von der Ärztlichen Kinderschu­tzambulanz.

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