Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Teamwork in der Lehrküche
Die Hilda-Heinemann-Schule hat einen eigenen Kochraum. Darin geht es um das Erlernen von alltäglichen Abläufen mit dem übergeordneten Ziel, das die Förderschule in Lennep ohnehin verfolgt: Selbstständigkeit.
Ein würziger Zwiebel-Knofi-Geruch wabert bereits um 10 Uhr morgens durch das Foyer der Hilda-Heinemann-Schule. Denn hinter der zweiten Tür rechts werkelt die Klasse OC bereits fleißig in der Lehrküche. Zehn Schüler mit besonderem Förderbedarf bereiten hier unter der Anleitung von ihren Lehrerinnen Beate Moog-Killus und Kimberly Baldes ein gemeinsames Mittagessen zu. Das Zwei-Gänge-Menü besteht aus Nudeln mit Schinken-Sahne-Sauce und Paradiescreme in zwei Ausführungen.
„Unsere Schüler möchten erwachsen sein. Und so behandeln wir sie auch“
Kimberly Baldes Lehrerin
Und die hat es besonders Niklas angetan. Der 16-Jährige, der im Rollstuhl sitzt und einen Einzelfallhelfer hat, macht selbstverständlich mit. Denn in der Küche ist Teamarbeit gefragt: Niklas drückt mit ein wenig Hilfe von Kimberly Baldes den „Buzzer“– und löst damit den Dreimix aus, den Nico (17) in die Rührschüssel hält. Der rote Riesenknopf ist ein Stromunterbrecher, ein sogenannter Power-Link-Taster. Wenn er losgelassen wird, geht das Gerät aus. Es bleibt nur an, wenn der Schüler den Druck hält.
Das Prinzip hat Niklas drauf. Er ist mit seinem Rolli unter die extra abgesenkte Arbeitsplatte auf der rechten Seite gefahren worden – hier können er und Olli, der zum Kochen ebenfalls im Rolli sitzt, in Sitzhöhe prima mitmachen – und haben dabei noch ordentlich Platz für ihre Fahrzeuge.
„Nicki, jetzt die zweite Runde, jetzt bist du gefragt!“, feuert Kimberly Baldes den Schüler an. Der lächelt und haut noch mal richtig auf den roten Power-Link-Taster. Alle lachen mit. So hat Nico leichtes Spiel: Die Paradiescreme wird zauberhaft fluffig. Niklas darf auch gleich einen Löffel probieren – das Dessert hat den Geschmackstest bestanden. „Nicki und Olli können so ebenfalls mitmachen. Sie spüren die Vibrationen“, erzählt Kimberly Baldes: „Wir finden hier für jeden Schüler die richtige Ansprache.“
Beim Kochen in der Lehrküche geht es um das Erlernen von alltäglichen Abläufen mit dem übergeordneten Ziel, das die Förderschule in Lennep ohnehin verfolgt: Selbstständigkeit. „Unsere Schüler möchten erwachsen sein. Und so behandeln wir sie auch“, sagt Baldes. Jede Klasse darf die Küche reihum benutzen. Schließlich soll jeder mal in den Genuss kommen. Es gibt drei unterteilte Küchenarbeitsplätze, umringt von vielen Schränken, auf den sich wieder Symbole mit den Zusätzen „großer Schneebesen“oder „Topf“finden.
„Manchen Schülern fällt die Feinmotorik schwer“, erklärt Sonderschullehrerin Beate Moog-Killus. Zum Beispiel Maxi. Der 16-Jährige schneidet mit einem Messer Zwiebeln, hat aber noch Schwierigkeiten, so dass die Zwiebelwürfel recht groß bleiben, was zu Kritik beim Rest der OC führte. Die Lehrer führten Maxi dann langsam an ein anderes Messer mit einer harten Klinge heran. Jetzt benutzt Maxi immer dasselbe Messer, mit dem er sich sicher fühlt – und schneidet nun zur Freude der anderen auch kleinere Zwiebelwürfel.
Noah (15) und Justin (16) aus der Nudelgruppe haben sich dennoch bereiterklärt, Zwiebeln und Knoblauch noch mal ganz fein nachzuhacken. Das Duo hat schon eine gute Routine am Herd eingeübt. Hier sitzt fast jeder Griff perfekt. „Wir machen das immer im Team“, sagt Noah und holt sich eine Schüssel heran. Was mögen die Schüler gar nicht in der Küche? „Spülen!“, sagen Justin und Noah gleichzeitig. Auch hier sind sich die jungen Männer absolut einig. Aber auch das gehört dazu.
Ein Putzplan an der Wand zeigt: Jede Klasse muss reihum bohnern. Daneben hängt der Wunschzettel der Kochteams: eine gute Knoblauchpresse, Apfelzerteiler, Nudelzange, Eismaschine. Dinge, die sonst der Schulverein sponsert. Wegen Corona ist dieses Jahr viel weggebrochen. Daher fehlt dem Schulverein Geld.
Derweil hat Klassensprecherin Seyma (15) schon den Tisch gedeckt – und Hendriks Platz dabei liebevoll mit Kerzen, einer Karte und einem Happy-Birthday-Hut verziert. Denn Hendrik ist am Wochenende 15 geworden – und das soll natürlich ausgiebig gefeiert werden. Um Punkt 12 Uhr bei Schinken-Sahne-Nudeln und Paradiescreme. Plötzlich fliegt die Tür auf, der Nikolaus kommt herein. Unter dem Kostüm steckt Schulleiter Christian Jansen, der an diesem Morgen mit seinem großen Jutesack durch die Klassen zieht. Seyma nimmt die Schokoladen-Nikoläuse, gesponsert vom Schulverein, entgegen – und gibt als allererstes Niklas die Schokolade. „Wir sind hier eine Familie“, sagt Seyma.