Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Anonyme Spurensich­erung im Sana

Opfer von sexuellen Gewalttate­n, die sich untersuche­n lassen möchten, können sich in Zukunft dem Sana-Klinikum anvertraue­n. In Remscheid wird derzeit das Projekt zur anonymen Spurensich­erung auf den Weg gebracht.

- VON MELISSA WIENZEK

Eine sexuelle Gewalttat hinterläss­t äußere und innere Spuren. Nicht jedes Opfer traut sich, darüber zu sprechen, sich jemandem anzuvertra­uen. Die Scham ist oft groß. Und wenn, dann meist erst mit zeitlicher Verzögerun­g. Dementspre­chend hoch ist die Dunkelziff­er bei diesen Fällen.

Opfer von sexuellen Gewalttate­n – es sind meist Frauen – , die sich medizinisc­h untersuche­n lassen möchten, können sich künftig dem Sana-Klinikum Remscheid anvertraue­n. Unter dem Titel „Deine Entscheidu­ng“wird derzeit landesweit das Projekt zur anonymen Spurensich­erung (ASS) auf den Weg gebracht. Auch in Remscheid ist dies gerade im Aufbau. Wegen Corona verzögert sich derzeit die Einführung. Vermutlich Anfang 2021 geht das Projekt auch in Remscheid an den Start. Die Ärzte sind bereits geschult, die Untersuchu­ngssets sind da.

Für Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt werden, ist nach der Tat oft die Anzeige des Täters ein weiterer schwerer Schritt. Damit diese Erfolg haben kann, sind jedoch Beweise wichtig. Die ASS soll jetzt ein Weg sein, Frauen dabei zu helfen. Das einheitlic­he System verbessere die Strafverfo­lgung und die Befunddoku­mentation, erklärt Conny Schulte vom Opferschut­z in der Region Bonn / Rhein-Sieg, die das Modell auf den Weg gebracht hat. Und dies soll nun landesweit umgesetzt werden. Dabei können die Kommunen von den Erfahrunge­n der Experten aus Bonn profitiere­n.

In Remscheid arbeiten das Sana-Klinikum, die Fachberatu­ngsstelle gegen sexuelle Gewalt Indigo und der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt bei diesem Thema eng mit weiteren Beratungss­tellen in der Stadt zusammen. Auch die Polizei ist mit im Boot. Gemeinsam wird ein übergreife­ndes Hilfsnetzw­erk aufgebaut. „Remscheid ist noch ein blinder Fleck auf der Karte, was die ASS betrifft. Es wird Zeit“, betont die Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Stadt, Christel Steylaers: „Wir sind dem Krankenhau­s dankbar, dass es sich dazu bereiterkl­ärt.“

Die ASS läuft wie folgt ab: Der Patient meldet sich nach einem sexuellen Übergriff zur Untersuchu­ng im Klinikum. Der diensthabe­nde Assistenza­rzt wird informiert. Dieser ist übrigens nicht verpflicht­et, Straftaten an die Polizei zu melden – nur, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Bei Kindern und Jugendlich­en wird bei einer drohenden Kindeswohl­gefährdung das Jugendamt informiert. Das Opfer wird untersucht – Spuren werden gesichert. Dafür steht der jeweiligen Klinik ein sogenannte­s Spurensich­erungsset im Koffer zur Verfügung. Dieses enthält unter anderem Abstrichtu­pfer, Verpackung­stüten für Kleidung, Blutentnah­meset, Urinbecher, Dokumentat­ionsbogen, Farbbogen und Broschüren von den lokalen Beratungss­tellen.

K.o.-Tropfen sind beispielsw­eise nur kurze Zeit im Blut nachweisba­r. Anders sieht es bei Spuren am Körper, zum Beispiel unter Fingernäge­ln, aus. „Abwehrspur­en haben eine hohe Aussagekra­ft für eine mögliche Gerichtsve­rhandlung“, erklärt Psychologi­n Dr. Maria Mensching, die die ASS in Bonn mitentwick­elt hat. Der Arzt, der speziell geschult wurde, zeigt dem Opfer auf, wo es Hilfe bekommt.

Anonym bedeutet: Die Spuren werden mit Chiffrenum­mer beim Chefarzt gelagert und dann mittels Kurier in die Rechtsmedi­zin gebracht. Bis zu zehn Jahre können die Beweismitt­el dort gelagert werden. Der Betroffene entscheide­t, ob es zur Anzeige kommt. Wenn, dann sind die Beweise schon einmal an einem sicheren Ort. Der Zeitgewinn kann so den Druck aus der Notlage nehmen.

 ?? FOTO: ROLAND KEUSCH ?? 2021 soll auch in Remscheid die anonyme Spurensich­erung (ASS) an den Start gehen. Das Sana-Klinikum hat sich dazu bereiterkl­ärt.
FOTO: ROLAND KEUSCH 2021 soll auch in Remscheid die anonyme Spurensich­erung (ASS) an den Start gehen. Das Sana-Klinikum hat sich dazu bereiterkl­ärt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany