Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Anonyme Spurensicherung im Sana
Opfer von sexuellen Gewalttaten, die sich untersuchen lassen möchten, können sich in Zukunft dem Sana-Klinikum anvertrauen. In Remscheid wird derzeit das Projekt zur anonymen Spurensicherung auf den Weg gebracht.
Eine sexuelle Gewalttat hinterlässt äußere und innere Spuren. Nicht jedes Opfer traut sich, darüber zu sprechen, sich jemandem anzuvertrauen. Die Scham ist oft groß. Und wenn, dann meist erst mit zeitlicher Verzögerung. Dementsprechend hoch ist die Dunkelziffer bei diesen Fällen.
Opfer von sexuellen Gewalttaten – es sind meist Frauen – , die sich medizinisch untersuchen lassen möchten, können sich künftig dem Sana-Klinikum Remscheid anvertrauen. Unter dem Titel „Deine Entscheidung“wird derzeit landesweit das Projekt zur anonymen Spurensicherung (ASS) auf den Weg gebracht. Auch in Remscheid ist dies gerade im Aufbau. Wegen Corona verzögert sich derzeit die Einführung. Vermutlich Anfang 2021 geht das Projekt auch in Remscheid an den Start. Die Ärzte sind bereits geschult, die Untersuchungssets sind da.
Für Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt werden, ist nach der Tat oft die Anzeige des Täters ein weiterer schwerer Schritt. Damit diese Erfolg haben kann, sind jedoch Beweise wichtig. Die ASS soll jetzt ein Weg sein, Frauen dabei zu helfen. Das einheitliche System verbessere die Strafverfolgung und die Befunddokumentation, erklärt Conny Schulte vom Opferschutz in der Region Bonn / Rhein-Sieg, die das Modell auf den Weg gebracht hat. Und dies soll nun landesweit umgesetzt werden. Dabei können die Kommunen von den Erfahrungen der Experten aus Bonn profitieren.
In Remscheid arbeiten das Sana-Klinikum, die Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt Indigo und der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt bei diesem Thema eng mit weiteren Beratungsstellen in der Stadt zusammen. Auch die Polizei ist mit im Boot. Gemeinsam wird ein übergreifendes Hilfsnetzwerk aufgebaut. „Remscheid ist noch ein blinder Fleck auf der Karte, was die ASS betrifft. Es wird Zeit“, betont die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Christel Steylaers: „Wir sind dem Krankenhaus dankbar, dass es sich dazu bereiterklärt.“
Die ASS läuft wie folgt ab: Der Patient meldet sich nach einem sexuellen Übergriff zur Untersuchung im Klinikum. Der diensthabende Assistenzarzt wird informiert. Dieser ist übrigens nicht verpflichtet, Straftaten an die Polizei zu melden – nur, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Bei Kindern und Jugendlichen wird bei einer drohenden Kindeswohlgefährdung das Jugendamt informiert. Das Opfer wird untersucht – Spuren werden gesichert. Dafür steht der jeweiligen Klinik ein sogenanntes Spurensicherungsset im Koffer zur Verfügung. Dieses enthält unter anderem Abstrichtupfer, Verpackungstüten für Kleidung, Blutentnahmeset, Urinbecher, Dokumentationsbogen, Farbbogen und Broschüren von den lokalen Beratungsstellen.
K.o.-Tropfen sind beispielsweise nur kurze Zeit im Blut nachweisbar. Anders sieht es bei Spuren am Körper, zum Beispiel unter Fingernägeln, aus. „Abwehrspuren haben eine hohe Aussagekraft für eine mögliche Gerichtsverhandlung“, erklärt Psychologin Dr. Maria Mensching, die die ASS in Bonn mitentwickelt hat. Der Arzt, der speziell geschult wurde, zeigt dem Opfer auf, wo es Hilfe bekommt.
Anonym bedeutet: Die Spuren werden mit Chiffrenummer beim Chefarzt gelagert und dann mittels Kurier in die Rechtsmedizin gebracht. Bis zu zehn Jahre können die Beweismittel dort gelagert werden. Der Betroffene entscheidet, ob es zur Anzeige kommt. Wenn, dann sind die Beweise schon einmal an einem sicheren Ort. Der Zeitgewinn kann so den Druck aus der Notlage nehmen.