Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Schweden entfernt sich vom Sonderweg
Erstmals empfiehlt die Regierung Masken im Nahverkehr. Weihnachten gelten Kontaktbeschränkungen.
Die Stimmung in Schwedens Hauptstadt ist deutlich ängstlicher geworden vor dem Weihnachtsfest. Schuld ist die zweite Corona-Welle. Wegen der alarmierenden Infektionszahlen hat die schwedische Regierung zu Weihnachten die härtesten Einschränkungen seit Beginn der Pandemie verhängt. Das Land entfernt sich damit immer weiter von seinem lockeren Sonderweg mit Verzicht auf Lockdown und Maskenpflicht.
Monatelang schien die Rechnung zumindest teilweise aufzugehen. In Schweden lebten die Menschen freier als im Rest der Welt. Die Todeszahlen
waren zwar relativ hoch, aber die Krankenhäuser waren zu keinem Zeitpunkt überlastet. Zwischen Juli und Anfang November fielen die Zahlen der Neuinfizierten, der Intensivfälle und der Toten. Die Stockholmer schienen Corona zeitweise völlig vergessen zu haben; Badestrände, Bars und Restaurants füllten sich wieder. In Metropolen seien 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung immun, sagte der Architekt des Sonderwegs, Staatsepidemiologe Anders Tegnell.
Doch nun steigen die Zahlen wieder rasant. Die Regierung versucht es deshalb mit einem halbherzigen Lockdown. Binnen Kurzem wurde die Maximalgröße von Gruppen von 50 auf acht und nun vier Personen ab Weihnachten reduziert. „Lasst Weihnachten nicht zur Ansteckungsquelle werden. Feiert nur mit den Allerengsten. Haltet aus“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven in einer dramatischen Ansprache.
Ironischerweise können sich dann aber noch immer Vierergruppen in den weiter geöffneten Bars, Restaurants, Fitnessstudios und Geschäften begegnen. Doch ab 20 Uhr darf die Gastronomie ab Weihnachten keinen Alkohol mehr ausschenken, was de facto zur Schließung der meisten Lokale führen dürfte. Museen, Bibliotheken und Schwimmbäder bleiben sogar bis zum 24. Januar geschlossen.
Zudem sind Geschäfte angehalten, freiwillig die Anzahl der Kunden zu begrenzen. Das hatte bislang kaum Effekt. Die Regierung hat bereits gedroht, Geschäfte zu schließen, sollten sie sich nicht selbst Regeln geben. Allerdings gibt es rechtlich noch keine Möglichkeit für Zwangsschließungen. Ein Gesetz, das solche Maßnahmen vorsieht, soll bis März in Kraft treten.
Erstmals überhaupt wird nun in Schweden das Tragen von Masken zumindest im Nahverkehr empfohlen, aber nicht verpflichtend gemacht. Das für den lockeren Kurs verantwortliche staatliche Gesundheitsamt hält den Effekt von Masken weiterhin für fraglich. (mit dpa)