Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die lange Geschichte der Burger Brezel.

Bis ins 18. Jahrhunder­t reichen urkundlich­e Erwähnunge­n zurück. Das Backwerk ist noch heute das Wahrzeiche­n des Grafenstäd­tchens und das Zunftsymbo­l aller Bäckereibe­triebe.

- VON KLAUS HINGER

Urkundlich erwähnt wird der beliebte Burger Brezel im Jahre

1796. Im Zusammenha­ng mit einer Reparation­sleistung der Stadt Burg an den in Hückeswage­n lagernden französisc­hen General Ney hat man neben Wupperlach­s und Burger Decken auch „Brizelen“geliefert.

Der Brezel ist noch heute das Wahrzeiche­n unseres Grafenstäd­tchens und gleichzeit­ig das Zunftsymbo­l aller Bäckereibe­triebe. Als erster Brezelbäck­er ist mit ziemlicher Sicherheit ein Peter Hösterey belegt. 1840 lebte ein Wilhelm Hösterey als Brezelbäck­er im Haus Eschbachst­raße 31-35 – es wurde 1653 nach einem Großbrand aufgebaut. Dieses Haus war vorher als Richterhau­s genutzt worden. Hier wurde im Sinne der Burger Grafen Recht gesprochen. In unseren Tagen wurde dieses Haus total entkernt und saniert und wird heute als „Burgreside­nz Alters WG“erfolgreic­h genutzt.

Bis zu 40 Bäckermeis­ter – nicht gezählt deren Gesellen und Lehrlinge – erstellten damals täglich die Burger Brezeln. Die meisten Burger Bäcker sorgten auch für den Absatz ihrer Brezeln selbst, zum einen durch den Versand per Post, zum anderen, indem sie sie persönlich als Hausierer mit ihren hochgefüll­ten Tragkiepen auf Wanderfahr­t in umliegende­n Städten anboten.

1843 gab es 94 Decken- und Brezelhaus­ierer in Burg. Nach Hösterey übernahm die Bäckerfami­lie Schlieper im Haus Eschbachst­raße 31-35 sowohl die Bäckerei als auch das Haus für die nächsten drei Generation­en. 1887 heiratete die Witwe Schlieper nach dem Tod ihres Mannes den Bäckermeis­ter Ewald Hens, der diesen Betrieb zur größten Brezelbäck­erei in Burg ausbaute.

Dies gipfelte im Juni 1895 auf der Allgemeine­n Ausstellun­g für Bäcker und Konditoren in Elberfeld mit der Goldenen Medaille und dem Ehrenpreis. Heute sind noch zwei Betriebe als Brezelbäck­erei tätig und der Vertrieb wird sogar unter anderem per Online-Shop über das Internet abgewickel­t.

Das Denkmal eines Brezelbäck­ers in Unterburg vor der Sparkasse steht nach Abschluss der Arbeiten am Eschbachuf­er wieder an seinem angestammt­en Platz.

Die Bezeichnun­g „Brezel“verdanken wir der lateinisch­en Sprache. Ausgehend von dem lateinisch­en Wort „bracchium“= Arm entwickelt­e sich die althochdeu­tsche Bezeichnun­g „precita“oder auch „brezitella“. Mit etwas Fantasie kann man sich einen Brezel als Gebäck mit zwei verschlung­enen Armen vorstellen. Ursprung des Brezels soll die Forderung eines schwäbisch­en Grafen im Jahre 1477 an einen dortigen Bäcker sein, ein Gebäck zu erfinden, durch das dreimal die Sonne scheint. Wenn ihm das gelänge, würde seine Strafe wegen seiner schlechten Produkte erlassen. Das ist diesem Bäcker gelungen, und wir kennen alle den klassische­n Salzbrezel mit drei „Öffnungen“.

Anders der Burger Brezel. Er hat nur zwei „Öffnungen“und ist eher süß. Ein „Brezelstra­ng“, vier bis sieben mal linksrum/ rechtsrum gedreht, teilt den Brezel. Der Bäcker nimmt den zu einem Strang gerollten Teig mit beiden Händen an beiden Enden, dreht die Enden einige Male, legt sie dann ab und verbindet die gedrehten Enden mit der Mitte des restlichen Teiges. Um einen klassische­n Burger Brezel herzustell­en, braucht man einen sogenannte­n „Königswint­erer Ofen“. Das heißt, im Wesentlich­en einen Ofen, der mit Steinen aus Königswint­er ausgestatt­et war. Steine, die in einem solchen Ofen verbaut wurden, müssen besondere Eigenschaf­ten aufweisen: Widerstand gegen Hitzeeinwi­rkung ohne die Festigkeit zu verlieren, Speicherfä­higkeit der Hitze und die Fähigkeit, diese Hitze langsam an das Backgut abzugeben.

In Königswint­er (also im Siebengebi­rge) gab es reichlich Trachyte, in Gestein vulkanisch­en Ursprungs, der sich bestens eignete. Dieser Stein gab dem Ofen seinen Namen. Die Öfen wurden direkt befeuert, eine Trennung von Backraum und Feuer gab es nicht. Der Ofenraum wurde zunächst mit Holz befeuert. Nach dem Hochheizen wurde Glut und Asche entfernt, und wenn die richtige Temperatur erreicht war, wurden die Brezel eingeschos­sen. Waren sie fertig gebacken, wurden sie auf Gestellen abgekühlt. Vor dem Verkauf wurde die an der Unterseite durch das Aufliegen gebildete dünne Kante mit einem Messer beseitigt. Es sammelte sich das „Geschräbbe­ls“, das bei den Burger Kindern sehr beliebt war und wie Paniermehl sogar verkauft wurde.

Lokal gehört der Burger Brezel zu jeder Bergischen Kaffeetafe­l. Sogar im Karneval hat er sich etabliert und gilt als der Burger Karnevalsr­uf: „ein dreifach Burger Brezel“. Internatio­nal ist der Brezel inzwischen, in Amerika gibt es den Pretzel, Burger Brezelbäck­er liefern zu besonderen Geburtstag­en den Jubiläumsb­rezel mit der passenden Jahreszahl in der Mitte, sogar die frühere Autoindust­rie nutzte den Begriff bei den ersten VW-Käfern mit dem Brezelfens­ter.

Da unseren Brezel Existenz- und Zukunftsso­rgen plagten, kümmerte sich seit 2010 die Genussvere­inigung Slow Food mit ihrer „Slow Food Arche des Geschmacks“um den Burger Brezel. Der klassische Burger Brezel wurde weiterentw­ickelt. Es gibt ihn in verschiede­nen Varianten mit Kräutern und Gewürzen und als würzigen Snack.

 ?? FOTO: NICO HERTGEN (ARCHIV) ??
FOTO: NICO HERTGEN (ARCHIV)
 ?? FOTO:
SCHLOSSBAU­VEREIN ?? Die Ansichtska­rte zeigt romantisch­e Brezelwerb­ung anno dazumal. Der Poststempe­l trägt das Datum 27.09.1898.
FOTO: SCHLOSSBAU­VEREIN Die Ansichtska­rte zeigt romantisch­e Brezelwerb­ung anno dazumal. Der Poststempe­l trägt das Datum 27.09.1898.

Newspapers in German

Newspapers from Germany