Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wie der Weihnachtsbaum ins Bergische Land kam
Weihnachten ohne Christbaum – seit langer Zeit einfach undenkbar. Auch in Solingen hat der geschmückte Baum zum Fest Tradition. Dabei schafften es die Fichten und Tannen erst im 19. Jahrhundert über eine Art Umweg massenhaft in die guten Stuben der Mensc
Keine Frage: Weihnachten 2020 ist anders als all die Festtage zuvor. Seit knapp zehn Monaten beschäftigt das Coronavirus die Menschen auch in Solingen. Und nachdem die Infektionszahlen in den zurückliegenden Wochen auf neue Höchststände gestiegen sind, werden die Feierlichkeiten mit der ganzen Familie bei den meisten wohl entschieden kleiner ausfallen, als dies bislang der Fall war.
Was aber mitnichten bedeutet, dass auf sämtliche Traditionen verzichtet werden muss. Im Gegenteil: Gerade in Krisenzeiten wie diesen suchen viele Menschen Halt in Vertrautem. Und dazu gehört in unseren Breitengraden zu Weihnachten ein festlich geschmückter Baum, der mit bunten Kugeln, Lametta und Lichtern jeder Wohnung einen festlichen Glanz verleiht. Wobei das mit der Tradition natürlich eine Frage der zeitlichen Relation
ist. Denn tatsächlich ist der Brauch, an Weihnachten einen geschmückten Baum in die gute Stube zu stellen, vergleichsweise jung. So tauchten in Deutschland erst im 18. Jahrhundert die ersten Weihnachtsbäume auf. Und selbst danach zogen noch etliche Jahrzehnte ins Land, ehe sich der Christbaum während des 19. Jahrhunderts im ganzen Land – und damit auch im Bergischen Land – einen festen Platz in den Wohnzimmern eroberte.
Der Weg dorthin führte nämlich über einen Umweg. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts benötigte die Industrie immer mehr Holz, weswegen die Forstwirtschaft allmählich dazu überging, Baum-Monokulturen anzulegen. Überall rund um Solingen entstanden damals Fichtenschonungen, die aber nicht allein für die Industrie nützlich waren, sondern überdies dem Weihnachtsbaum zu seinem Durchbruch verhalfen. Denn nun bestand die Möglichkeit, einen Teil der Bäume nach ein paar Jahren zu schlagen und so in mehr Haushalten als früher den Christbaum zum festen Bestandteil von Weihnachten zu machen.
Gleichwohl brachte diese Entwicklung nicht nur Vorteile, wie Bernd Krebs, stellvertretender Vorsitzender im Beirat Untere Naturschutzbehörde sowie früher Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, weiß. „Monokulturen sind die schlechteste Option für einen Wald“, sagt Krebs, der sich schon seit vielen Jahren dafür engagiert, die Wälder in der Region widerstandsfähiger zu machen. Das Ziel ist es, wieder Mischwälder
zu schaffen und so dem Waldsterben entgegenzuwirken, von dem in den vergangenen Jahren hauptsächlich Fichten betroffen waren.
Diese Baumart war den zuletzt trockenen und heißen Sommern nicht gewachsen. Allerdings zeigten sich davon in erster Linie die großen, teils 80 bis 90 Jahre alten Bäume betroffen. „Die jungen Fichten sind robuster“, sagt Bernd Krebs, der ferner zu berichten weiß, dass sich in Sachen Weihnachtsbaum ohnehin bereits seit längerem eine Kehrtwende andeutet. So existieren mittlerweile gesetzliche Regelungen, mit deren Hilfe die Fläche von Monokulturen in Waldgebieten begrenzt ist. Und die Fichte selbst ist darüber hinaus ohnehin längst von der Nordmann-Tanne als beliebtester Weihnachtsbaum abgelöst worden. 80 Prozent der Christbäume sind heutzutage Nordmann-Tannen.
Indes werden auch diese Bäume in Monokulturen gezogen. „Die meisten Weihnachtsbäume in Solingen stammen aus dem Sauerland, während deutschlandweit sehr oft Bäume aus Dänemark verkauft werden“, sagt Wald-Experte Krebs, der 2020 gleichwohl – wie die Mehrheit der Solinger – nicht auf die Tradition des Christbaums verzichten will. Eben mit echtem Tannenbaum, nicht künstlich – und vor allem mit der Hoffnung, dass Weihnachten
2021 wieder so wird wie in all den Jahren zuvor.