Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eine große „Familie“mit einer besonderen Lebenseins­tellung

Die Kameradsch­aft bei der Freiwillig­en Feuerwehr ist nicht nur Klischee: Das stellen die Wehrleute klar – auch wenn Corona vieles auf die Probe stellt.

- VON ALEXANDER RIEDEL

SOLINGEN Wenn Feuerwehrl­eute im Brandeinsa­tz eine fremde Wohnung betreten und umgeben sind von dichtem Rauch, Hitze und Dunkelheit, ist neben Mut sowie profunden Kenntnisse­n über technische und taktische Abläufe eines unabdingba­r: Zusammenha­lt. „Man sieht manchmal nichts außer dem leuchtende­n Helm des Vordermann­es“, beschreibt Guido Schäfer die beklemmend­e Situation. „Es gibt es einem Sicherheit, wenn man nur die Stimme des anderen hört, oder ein erfahrener Kollege einem auf die Schulter klopft.“Seit 40 Jahren engagiert sich Schäfer in der Freiwillig­en Feuerwehr und ist zugleich Gruppenlei­ter der Jugend. Und wenn der 57-Jährige über die sprichwört­liche Kameradsch­aft spricht, meint er mehr als „nur“das gesellige Beisammens­ein. „Wir sind wie eine Familie“, betont er.

Der opfern die ehrenamtli­chen Einsatzkrä­fte eine Menge Freizeit – und riskieren dabei auch manchen Konflikt mit der besseren Hälfte. Schließlic­h richten sich Brände und andere Notlagen nicht nach Bürozeiten

und nehmen wenig Rücksicht auf Hochzeitst­age, Geburtstag­sfeiern oder geplante Kinoabende. „50 bis 60 Alarmierun­gen bekommen wir normalerwe­ise im Jahr – auch wenn das nicht immer zwingend einen Einsatz nach sich zieht“, sagt Alexander Meifert (40). Er ist stellvertr­etender Leiter der Löscheinhe­it 3 in Mangenberg, in der auch Guido Schäfer seinen Dienst verrichtet – als einer von 27 Feuerwehrl­euten am Standort ausgangs der Viehbachta­lstraße.

Einzige Frau unter ihnen ist Carolin Henn. Die 18-Jährige stieß im September offiziell zur Löscheinhe­it. Das Umfeld ist ihr aber bestens bekannt – schließlic­h sammelte sie zuvor schon auf dem selben Gelände vier Jahre Erfahrung in der Jugendfeue­rwehr. „Da haben wir Fahrzeuge und Geräte kennengele­rnt und viele praktische Übungen gemacht“, berichtet die Chemie- und Physik-Studentin. Über Freunde war sie einst zur Feuerwehr gekommen. Welchen Beruf sie letztlich ergreifen wird, ist noch nicht ganz sicher:

Auch eine Tätigkeit bei der Feuerwehr mag sie nicht ausschließ­en. Eine Seltenheit wäre ein derartiger Weg nicht, wie Meifert verdeutlic­ht: „Etwa 10 bis 20 Prozent unserer Berufsfeue­rwehrleute waren auch schon in der Jugend dabei.“

Vor allem der familiäre Umgang zwischen Menschen mit ganz verschiede­nen Hintergrün­den hat es Carolin Henn angetan: „Wir halten alle zusammen.“

Was das im Einsatz bedeutet, haben ihre älteren Kollegen schon oft erlebt. Anfang des Jahres etwa befreite Schäfer bei einem Atemschutz­einsatz in einer Industrieh­alle den Einsatzfüh­rer aus einer prekären Lage: Der war zuvor ausgerutsc­ht und im Schaumtepp­ich scheinbar verschwund­en.

Corona hat auch den Alltag der Freiwillig­en Feuerwehr verändert: Die wöchentlic­hen Übungsdien­ste können nicht wie sonst stattfinde­n. Die Löscheinhe­it 7 in Wald musste sogar ihr Gerätehaus räumen, weil dort aus Gründen des Infektions­schutzes der Rettungsdi­enst untergebra­cht ist. Sorgen um ihre Sicherheit muss sich die Bevölkerun­g

deshalb aber nicht machen, wie Meifert betont: „Wir haben einen großen Ausbildung­sschatz und viel Erfahrung, so dass im Einsatzfal­l das stärkste Potential ausfährt.“Was zur Aufrechter­haltung der Einsatzfäh­igkeit beiträgt wie zum Beispiel die jährlichen Belastungs­übungen unter Atemschutz, ist ohnehin möglich.

Aber was macht nun die viel gerühmte Geselligke­it im Kreise der Kollegen angesichts strenger Kontaktreg­eln? „Eigentlich sitzen wir immer im Anschluss an die Übungsdien­ste zusammen“, erzählt Meifert. Im Moment bleibt so oft nur der Kontakt per Whats App – wenn man nicht gerade zum Einsatz fährt. Auch das Sommerfest am Mangenberg gab es 2020 nicht – und wird wohl auch 2021 nicht stattfinde­n können. Auf Präsente zu Weihnachte­n müssen die Mitglieder dennoch nicht verzichten, wie Guido Schäfer andeutet. Den Zusammenha­lt bringt er auf eine Formel: „30 Tage kameradenf­rei zu sein ist schwerer als 30 Tage rauchfrei.“Die Tätigkeit bei der Freiwillig­en Feuerwehr, ergänzt Meifert, sei kein Hobby, sondern „eine Lebenseins­tellung.“

 ?? FOTO: PETER MEUTER ?? Guido Schäfer, Carolin Henn und Alexander Meifert (v.l) von der Freiwillig­en Feuerwehr.
FOTO: PETER MEUTER Guido Schäfer, Carolin Henn und Alexander Meifert (v.l) von der Freiwillig­en Feuerwehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany