Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Großvaters Krippe: Der kleine Jesus hat wieder Finger
Julius Busch hegt einen weihnachtlichen Schatz. Die Figuren hat er restaurieren lassen. Originalkrippe in der Kapelle St. Josef.
Schon etliche Kinder und deren Eltern haben sich an der hell erleuchteten Krippe erfreut – offenbar ohne zu ahnen, dass diese eine besondere Hintergrundgeschichte hat. Zu sehen ist die Darstellung in einem großen Wohnzimmer-Fenster des Innenhofs der ehemaligen „Zündholzfabrik“Hitdorfer Straße 169, den sich die Kindertagesstätte Rheinpiraten und das Matchboxtheater teilen.
„Mein Großvater hat die Krippe um 1926 gekauft, nachdem er das Original in der Kirche Sankt Stephanus sah und diese ihm so gut gefiel, dass er eine kleinere Kopie anfertigen ließ“, erzählt Julius Busch, der die gute alte Tradition seiner Ahnen fortsetzte und die Krippe jedes Jahr zur Adventszeit im heimischen Wohnzimmer aufbaute, obwohl zuletzt einige Figuren leicht beschädigt waren. „Dem Jesuskind fehlten Finger, der schwebende Engel war ohne Nase, Esel und Hund hatten nur ein Ohr“, nennt Busch einige Gründe, warum er sich entschloss, die lädierten Figuren im Frühjahr renovieren zu lassen.
Das historische Geschehen selbst ist in der Kulisse eines mittelalterlichen Fachwerkhauses angesiedelt. Während Maria und Josef neben der Krippe knien, umringen die Heiligen Drei Könige sowie einige Hirten das Kind. Ochs und Esel, außerdem sieben Schafe und ein Hund vervollständigen das Bild.
Eberhard Schulz, ein Experte, der in Kölns Südstadt eine Porzellanwerkstatt betreibt und die kunstvoll bemalten Gipsfiguren überarbeitete, stellte fest, dass diese um 1900 in Kevelaer hergestellt wurden. In der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts galt Kevelaer als Hochburg der deutschen Gipsfigurenindustrie. Viele Betriebe und Werktätige im Kunsthandwerk waren in und um Kevelaer ansässig. Einige von ihnen spezialisierten sich – wie bei der Krippe von Busch – auf nazarenische Kunst, einer romantisch-religiösen Kunstrichtung. Deren Ziel war es, Kunst im Geiste des Christentums zu erneuern. Alte italienische und deutsche Meister dienten als Vorbilder. Noch heute spielt das Kunsthandwerk in Kevelaer eine bedeutende Rolle, wenn auch mit deutlich weniger Betrieben.
Aber die Krippengeschichte ist damit nicht zu Ende. Denn während der kleinere Krippennachbau alljährlich zur Weihnachtszeit bei Buschs zu Hause im Wohnzimmer aufgebaut war, verschwand irgendwann in den 1970er Jahren das Original aus der Hitdorfer Kirche Sankt Stephanus. Für eine Weile geriet die Krippe in Vergessenheit. Bis Historiker Karl-Heinz Lange vor einigen Jahren entdeckte, dass die Figuren in einem Keller des Hitdorfer Altenwohnheims Kocherstraße eingelagert und stark angeschlagen waren. Zu der Zeit war Lange als Geschäftsführer des Fördervereins aktiv, der sich finanziell an der Renovierung der 300 Jahre alten Monheimer St. Josef Kapelle am ehemaligen Vogtshof beteiligte. Diese kleinste Kirche im Nachbarort von Hitdorf drohte seinerzeit zu verfallen und wurde mit finanzieller Unterstützung des Fördervereins aufwendig restauriert und wiederhergestellt.
Der Vorsitzende des Fördervereins, der Monheimer Bäckermeister Emil Drösser, wiederum sorgte dafür, dass nicht nur Kapelle, sondern auch Krippe runderneuert wurden. Seither ist die Szene der Weihnachtslegende jedes Jahr im Advent in der St. Josef Kapelle zu sehen.