Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Be Yourself“kämpft gegen Diskrimini­erung

Solinger Verein setzt sich für geflüchtet­e Homosexuel­le ein. Er bietet Beratung, juristisch­e Hilfe und Unterstütz­ung an.

- VON TIMO LEMMER

Bei vielen Flüchtling­en herrscht zu Beginn Sprachlosi­gkeit, sagt Kai Schumacher, der mit seinem Verein denen helfen will, die aufgrund ihrer Sexualität verfolgt werden. Wenn mal wieder einer den Verein Be Yourself Solingen aufsuche, fielen oft Sätze wie: „Ich bin krank“, oder „Ich habe ein Problem.“Schumacher macht das traurig. Er erklärt: „Das wurde ihnen so im Heimatland anerzogen.“Und Barbara Ginsberg, die als Rechtsanwä­ltin ehrenamtli­ch mitarbeite­t, gibt ein Beispiel: „In Bangladesc­h gibt es für schwul nicht mal ein Wort.“

Diskrimini­erung

Verfolgung sei in vielen Ländern immer noch an der Tagesordnu­ng, sagt Schumacher, der der hauptamtli­che Mitarbeite­r des Vereins ist, und präsentier­t Zahlen vom Lesben- und Schwulenve­rband: „In über 90 Ländern gibt es Verfolgung.“Erst allmählich habe sich unter geflüchtet­en Homosexuel­len die Überzeugun­g breitgemac­ht, als Gruppe stärker zu sein: 2017 schlossen sich einige von ihnen in NRW mit Helfern zusammen, 2018 gründete sich dann unter Schumacher­s Mithilfe, der als Aktivist deutschlan­dweit vernetzt ist, der Verein Be Yourself in Solingen, in Schumacher­s Heimatstad­t. Er erklärt das Vereinszie­l: „Schwerpunk­t der Arbeit ist der Kampf für ein Aufenthalt­srecht hier für Menschen, die in ihren Ländern schwerster Verfolgung und teilweise der Todesstraf­e ausgesetzt sind.“

Das gelte für fast den gesamten afrikanisc­hen und einen Großteil des asiatische­n Raums.“Inzwischen laufe schon viel über Mund-zu-Mund-Propaganda, und einige Flüchtling­e wenden sich an den Verein, ehe sie erstmals um ein Bleiberech­t kämpfen. Der häufigere Weg ist aber immer noch der, dass ein Flüchtling, der keinen anerkannte­n Status erhalten hat, über Freunde oder andere Ehrenamtli­che den Weg nach Solingen findet – der Verein agiert landesweit und will bundesweit ausstrahle­n, da es kein vergleichb­ares Angebot für Flüchtling­e gebe.

Das Angebot

In Solingen gibt es dann Rechtsbera­tung, bei Anhörungen Rechtsbeis­tand. Ginsberg verweist darauf, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f Homosexual­ität bei Verfolgung als zulässigen Grund, Asyl zu beantragen, bestätigt hat: „Im Endeffekt wollen wir nur, dass das Recht angewendet wird.“Allzu oft erlebe der Verein, dass Homosexuel­le eben kein Aufenthalt gewährt werde – fünf Ablehnunge­n habe man mittlerwei­le aber vor dem Verwaltung­sgericht umkehren können, sagen die Vereinsmit­glieder stolz. Sie erwarten weitere, positive Entscheide.

Asylrecht

Ginsberg führt dazu Paragraf 3 des Asylgesetz­es und Artikel 16 des Grundgeset­zes an: „Wir fordern, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, die Gerichte und die Ausländerb­ehörden nach Recht und Gesetz handeln und sie als Flüchtling­e anerkennen, weil sie sich aus begründete­r Furcht vor Verfolgung

wegen der Zugehörigk­eit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb ihres Herkunftsl­andes aufhalten.“

Positivbei­spiel

Leuchtende­s Beispiel für gelungene Vereinsarb­eit sei der Vorsitzend­e Damian Mkporogwu aus Velbert. Der habe sich damals kaum getraut, seine Geschichte zu erzählen, als er auf Schumacher traf.

Inzwischen strotze Mkporogwu nur so vor Selbstvert­rauen. Er verweist auf eine weitere Problemati­k: „Das Asyl von Homosexuel­len wird fast immer abgelehnt. Wenn die Dolmetsche­r bei den Anhörungen aus dem Heimatland kommen, haben diese Geflüchtet­en bereits Angst, dass sie mit derselben Homophobie wie früher konfrontie­rt sind.“

Das Ziel Im Endeffekt ist das Ziel der Vereinsarb­eit über den rechtliche­n Status hinaus den Geflüchtet­en ein Selbstwert­gefühl zu vermitteln, und sie voll in eine liberale Gesellscha­ft zu integriere­n, in der sie sich dann wiederum engagieren. Rund zwei Dutzend Ehrenamtli­che helfen, momentan werden 20 bis 30 Flüchtling­e betreut – mit seelischer

Hilfe oder rechtlich.

Die Pandemie unterlaufe auch ihre Vereinsarb­eit, erzählen die Be-Yourself-Ehrenamtli­chen. Beinahe wöchentlic­h würden Mithelfer oder Geflüchtet­e fragen, wann denn mal wieder der monatliche Treff stattfinde, und auch Rechtsbera­tung wird weiter nachgefrag­t. Die Beratung findet – getrennt durch eine Glasscheib­e – immerhin weiter statt.

Corona

Ausblick

Wenn das alles einmal überstande­n sei, sagt Schumacher, wolle man die Vereinsarb­eit noch weiter ausweiten, den Fokus auch auf die Solinger Bevölkerun­g legen. „Eine richtige Anlaufstel­le für Homosexuel­le gibt es in Solingen nicht mehr“, sagt Schumacher. Der Verein wolle junge Männern und Frauen (seelisch) unterstütz­en und beim Coming-Out helfen. Das sei wichtig, denn Sprachlosi­gkeit herrsche oftmals auch hierzuland­e: „Die Suizidrate unter jungen Homosexuel­len ist doppelt so hoch wie unter jungen Heterosexu­ellen“, hat der 37-Jährige weitere Zahlen parat. Auch hier könne die Lage bedrückend sein.

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FOTO: CHRISTIAN BEIER Kai Schumacher vom Verein Be Yourself setzt sich für LGBTQ-Geflüchtet­e und deren Rechte ein.

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