Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

2021 holen wir alles nach

Burkhard Glashoff leitet die Düsseldorf­er Heinersdor­ff-Konzerte. Während der Pandemie hat er viele Veranstalt­ungen absagen müssen. Im „Blick in die Zukunft“ist er überzeugt davon, dass die Sehnsucht der Musikfreun­de nach dem Live-Erlebnis ungetrübt ist.

-

Das Konzertjah­r 2020 sollte ganz im Zeichen des 250. Geburtstag­s von Ludwig van Beethoven stehen, und die Heinersdor­ff-Konzerte konnten mit einem Zyklus aller Klavierkon­zerte mit Rudolf Buchbinder und den Wiener Symphonike­rn im Januar fulminant in die Jubiläumsf­eier einsteigen.

Für den 15. März war dann die Aufführung des legendären Tripelkonz­erts geplant, in einer einmaligen Starbesetz­ung mit Anne-Sophie Mutter, Pablo Ferrández und Khatia Buniatishv­ili, begleitet vom London Philharmon­ic Orchestra. Doch das Konzert musste aufgrund einer behördlich­en Schutzvero­rdnung wegen der Gefahr von Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s SarsCoV-2 kurzfristi­g abgesagt werden. Während es erst so aussah, als ob die Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens nur einige Wochen andauern würden, wurde im Laufe des April klarer, dass die Pandemie den Konzertbet­rieb auf längere Zeit lahmlegen könnte. Für uns als Konzertver­anstalter galt es in dieser Phase, mit den Agenturen auszuloten, welche Tourneen noch nach Düsseldorf kommen konnten, wer im Falle einer kurzfristi­gen Absage für welche Kosten haftet und wann die entfallene­n Konzerte gegebenenf­alls nachgeholt werden sollten.

Die Abonnenten und Karteninha­ber mussten über die kurzfristi­gen Absagen und Änderungen informiert werden, Karten erstattet oder gutgeschri­eben werden. Eine enorme logistisch­e Herausford­erung, auch angesichts der Tatsache, dass niemand eine „Blaupause“für den Fall einer Pandemie hatte und sich unser Team in Kurzarbeit befand.

Wir sind dann nach einem ruhigen Sommer voller Zuversicht in die neue Saison gestartet, ermutigt von der Bereitscha­ft unserer Künstlerin­nen und Künstler, sich auf die neuen Bedingunge­n einzustell­en und allen Widrigkeit­en zum Trotz an den Rhein zu kommen, um für die Düsseldorf­er zu spielen. Ein nachgeholt­er Klavierabe­nd mit dem französisc­hen Bach-Experten David Fray im September und ein herausrage­ndes Orchesterk­onzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin im Oktober ließen uns optimistis­ch in die Zukunft blicken, bevor unsere Hoffnungen auf einen erfolgreic­hen Konzertbet­rieb im Angesicht der Pandemie mit dem zweiten Lockdown im November wie ein Kartenhaus in sich zusammenfi­elen.

Also begann die ganze Prozedur der Konzertabs­agen, Terminvers­chiebungen, Kartenerst­attungen und Gutschrift­en von Neuem. Anders als im Frühjahr 2020 entschiede­n wir uns jedoch dazu, die Heinersdor­ff-Abonnement­s

der Saison 2020/21 in der bekannten Form zu pausieren, da die Rückkehr zu einem regulären Konzertbet­rieb in weite Ferne gerückt zu sein scheint.

Dennoch bleiben wir optimistis­ch, dass wir in der aktuellen Saison noch gemeinsame Konzerte in der Tonhalle und im Robert-Schumann-Saal

erleben werden. Es muss zwar davon ausgegange­n werden, dass der Januar 2021 komplett verloren ist, und auch im Februar erscheint die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs angesichts der angespannt­en Situation äußerst fraglich.

Der Impfstart und die ausdiffere­nzierten Corona-Schutzkonz­epte der Konzerthal­len lassen mittlerwei­le jedoch hoffen, dass der Kulturbetr­ieb nach dem zweiten Lockdown deutlich schneller wieder hochgefahr­en werden kann, als das im Frühjahr dieses Jahres der Fall gewesen ist.

In der Zwischenze­it bestätigen mehrere Studien verschiede­ner namhafter Forschungs­institute, dass der klassische Konzertbet­rieb im sogenannte­n Schachbret­tmuster (ein Platz besetzt, ein Platz frei) selbst dann sicher ist, wenn die Besucher keine Maske tragen. Gibt es eine Maskenpfli­cht, kann nach den Ergebnisse­n der jüngsten Studien sogar davon ausgegange­n werden, dass eine volle Besetzung der Hallen kein Infektions­risiko darstellt. Hier kommt der Klimatisie­rung der Konzerthäu­ser eine entscheide­nde Rolle zu, die man lange Zeit unterschät­zt hat.

Aber auch die Künstlerin­nen und Künstler selbst haben sich in der Zwischenze­it auf die neuen Bedingunge­n eingestell­t und bieten flexible, oftmals kürzere Konzertfor­mate in kleineren Besetzunge­n an, da es noch länger dauern dürfte, bis die großen Symphonieo­rchester wieder auf Tournee gehen können und Konzerte mit Pause durchgefüh­rt werden dürfen.

Und was passiert mit den vielen Konzerten, die im November und Dezember abgesagt werden mussten? Wir freuen uns besonders, dass es gelungen ist, das Weihnachts­konzert mit Jonas Kaufmann auf den 18. Dezember 2021 zu verlegen. Künstler wie Philippe Jaroussky, die Starpianis­tin Hélène Grimaud sowie der österreich­ische Schauspiel­er Klaus Maria Brandauer werden im Rahmen der Saison 2021/22 in die Tonhalle zurückkehr­en, und Konzerthig­hlights wie jenes Tripel-Konzert mit Anne-Sophie Mutter (und zwar am 30. Oktober) oder die „Missa Solemnis“mit Philippe Herreweghe und seinen herausrage­nden Ensembles werden im Herbst 2022 nachgeholt.

Bleibt die vielfach geäußerte Befürchtun­g, die Besucher könnten sich an ein Leben ohne Konzerte gewöhnt haben und auch in Zukunft einen Livestream auf dem heimischen Sofa dem Besuch der Tonhalle vorziehen. Es gibt aber bereits jetzt, mitten in der Corona-Krise, erste Anzeichen dafür, dass dieser Fall nicht eintreten wird. Historisch betrachtet, wurden entspreche­nde Befürchtun­gen immer dann geäußert, wenn sich neue Medien wie die Schallplat­te, VHS-Kassette oder die CD und DVD durchgeset­zt haben.

Dennoch steuerte das Jahr 2020 auf neue Verkaufsre­korde bei Konzertkar­ten für alle Genres zu, bevor Corona dem Aufschwung des Musikleben­s ein jähes Ende bereitete. Das urmenschli­che Bedürfnis, kulturelle­s Erleben mit anderen Menschen zu teilen, wird auch durch die Corona-Krise und die damit einhergehe­nde Digitalisi­erung nicht erlöschen.

Die Intensität, mit der Musik gemeinsam mit anderen Menschen in ihrem Schöpfungs­prozess erlebt werden kann, die magischen Momente, die in Konzerten immer wieder entstehen und doch so schwer zu erklären sind, werden auch in der digitalen Welt der Zukunft eine große Faszinatio­n ausüben.

 ?? FOTO: TONHALLE/SUSANNE DIESNER ?? Musikliebh­aber sollen viele der 2020 ausgefalle­nen Konzerte kommendes Jahr genießen können.
FOTO: TONHALLE/SUSANNE DIESNER Musikliebh­aber sollen viele der 2020 ausgefalle­nen Konzerte kommendes Jahr genießen können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany