Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Selbstständige kämpfen im Antragsdschungel
Veranstaltungstechniker Dirk Pohl hat einen nervenaufreibenden Kampf um finanzielle Unterstützung hinter sich.
130 Milliarden Euro setzen über eine Million Beschäftigte jährlich in der Freizeitbranche in Deutschland um. Dirk Pohl ist einer von ihnen, ein Rädchen im sechstgrößten Wirtschaftszweig dieses Landes. Der 46-jährige Meister für Veranstaltungstechnik ist seit zehn Monaten zur Untätigkeit verdammt. Seit März kämpft der Remscheider um seine Existenz und quält sich durch den Antragswust, der Staatshilfen vorausgeht. Ohne Steuerberater wäre er aufgeschmissen. Pohl hat Glück, denn: „Manche Kollegen von mir finden nicht einmal einen, weil die Steuerberater völlig überlastet sind.“Dennoch bleibt der Erhalt von Hilfen eine mühselige Angelegenheit.
Mit seiner Firma TLV-Events in Farrenbracken ist Pohl seit 24 Jahren im Geschäft, als Profi für Augen und Optik, Beschallung und Ausleuchtung von Veranstaltungen. Viel macht er für den Live-Club Barmen, wird auf Messen und Festen gebucht. Alle Termine im gut gefüllten Kalender wurden nach dem Corona-Ausbruch gekippt. Engagements, die es im Aufwind der rückläufigen Infektionszahlen im Sommer dann doch gab, konnte Dirk Pohl an zwei Händen abzählen.
Seine finanzielle Not haben sie so gut wie nicht gelindert. „Das Minus wird immer größer, meine Rücklagen sind fast aufgebraucht“, sagt er. Die erste Soforthilfe über 9000 Euro im April erhielt Pohl schnell und unbürokratisch. „Der bittere Beigeschmack war, dass die Nutzung nachträglich geändert wurde.“Zunächst galt die Soforthilfe nicht nur für betriebliche Ausgaben, sondern auch für private Kosten. Schließlich galt: 2000 Euro durfte er privat nutzen, 7000 Euro für den Betrieb. „Der größte Knackpunkt war, dass ich Personalkosten nicht angeben durfte.
Von den 7000 Euro hätte ich knapp
3500 zurückzahlen müssen.“Lange war unklar, was geht oder nicht. Erst Anfang Dezember konnte Pohl die beantragte Soforthilfe für sich positiv abschließen. Die Personalkosten dürfen drinbleiben, zurückzahlen muss er nichts. Vorausgegangen waren „viele Bauchschmerzen und schlaflose Nächte“, wie er sagt.
TLV beschäftigt neben dem Chef einen Azubi im dritten Lehrjahr, der
2021 vor dem Abschluss steht und die Ehefrau von Dirk Pohl mit einer geringfügigen Beschäftigung. Die große Komplexität bei der Bewilligung von Zuschüssen erlebte Pohl auch bei einem Prämienprogramm des Bundes für „Bestandsazubis“, das 75 Prozent der Ausbildungsvergütung (970 Euro im Monat) von August bis Ende Dezember gewährt. „Hätte ich mit meiner Frau Christin keine dritte Person als Teilzeitkraft beschäftigt, die ich in Kurzarbeit geschickt hätte, wäre ich nicht antragsberechtigt gewesen.“
Den positiven Bescheid hat Dirk Pohl nach langem Warten vorliegen, ausgezahlt ist der Zuschuss noch nicht. Auf die „November-Hilfe“verzichtete er, weil die Grundlage, der November 2019, für ihn ein umsatzschwacher Monat war. Erhalten hat Pohl im Oktober die Überbrückungshilfe I (Juni bis August), die ihn mit 12.000 Euro über Wasser hielt. Sie setzt sich zusammen aus 3000 Euro monatlich vom Bund sowie einem „NRW plus“in Höhe von je 1000 Euro als Unternehmerlohn. Auch die Überbrückungshilfe II (September bis Dezember) läuft über seinen Steuerberater. Dirk Pohl wird sie im Januar beantragen, wissend, dass er für den Dezember rausfällt, weil er dort Wareneinkäufe und -Verkäufe tätigte. Der Gewinn war gering, gleichwohl wird bei den Hilfen der Umsatz zugrunde gelegt.
Dirk Pohl ist in der privilegierten
Situation, dass er familiär unterstützt wird. Dennoch zerren Stillstand und Hickhack um Unterstützung an den Nerven. Die mangelnde Wertschätzung seiner Tätigkeit trifft ihn obendrein. „Mich stört, dass wir als Spaß-Branche tituliert wurden fern jeder Systemrelevanz. Durch die bundesweite Aktion ,Alarmstufe Rot‘ und den Slogan ,Ohne uns ist Stille‘ haben wir endlich Aufmerksamkeit bei den Entscheidungsträgern erhalten. Dabei konnten die Politiker auch vorher ohne uns vor keine Kamera treten oder in ein Mikro sprechen.“Pohl weiß, dass die Politiker nicht um ihren Job zu beneiden sind, gleichwohl hält er eins fest: „Die Hilfen müssten intelligenter, angepasster, konzentrierter auf die Problematiken der Nutznießer zugeschnitten sein.“