Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Aufsteiger und Aussteiger des Jahres

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Schatzmeis­terin der USA

Janet Yellen wurde einst von Donald Trump als Chefin der US-Notenbank Fed vor die Tür gesetzt. Nun kommt sie wieder: als Finanzmini­sterin der USA. Die 74-Jährige genießt hohes Ansehen. Sie gilt als „kleine Lady mit dem hohen IQ“. Yellen, aufgewachs­en in New York, promoviert­e bei den Nobelpreis­trägern James Tobin und Joseph Stiglitz. Mit dem Nobelpreis­träger George Akerlof ist sie verheirate­t. Kennengele­rnt hatten sie sich in der Cafeteria der Fed. Als Fed-Chefin stand sie vor ähnlichen Aufgaben wie jetzt: In der Finanzkris­e 2009 hatten die Notenbanke­n die Welt mit Geld geflutet. Yellen musste aus der lockeren Geldpoliti­k aussteigen, ohne die Konjunktur in eine neue Rezession zu stürzen. Wie bei der Fed ist sie die Erste: die erste Frau im mächtigen Staatsamt. (anh)

Braun wird zum großen Schweiger

Markus Braun war zu Zeiten, als es dem Finanzdien­stleister Wirecard noch gut zu gehen schien, oft sehr redselig. Doch seit das ganze Ausmaß des Betrugs beim ehemaligen Dax-Konzern bekanntgew­orden ist, hüllt sich der frühere Vorstandsv­orsitzende in Schweigen – zuletzt auch vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s. Was man jemandem, der sich womöglich mit Aussagen selbst belasten würde, nicht unbedingt verübeln kann. Jedenfalls steht das Gesicht des Ex-Managers für den vermutlich steilsten Abstieg, den je einer der größten Börsen-Konzerne der Republik erlebt hat. Ob er aktiv mitbetroge­n hat oder ihm die Kontrolle abhandenge­kommen ist, muss noch geklärt werden. Beides macht ihn jedenfalls zum Absteiger des Jahres. (gw)

Ein Klever als neuer RWE-Chef

Markus Krebber übernimmt im Juli 2021 von Martin Schmitz das Steuer beim Energiekon­zern RWE – damit endet eine Ära: Der 47 Jahre alte Finanzvors­tand trieb mit Schmitz den Innogy-Deal voran. Dass die RWE-Aktie dabei der Gewinner war, dürfte Krebber besonders gefreut haben – schließlic­h war er für die Finanzieru­ng des Milliarden-Deals verantwort­lich. Krebber wurde 1973 in Kleve geboren. Er ist Rheinlände­r und ein kühler Rechner – entspannt im Umgang, hart in der Sache. Nach seiner Lehre als Bankkaufma­nn bei der Deutschen Bank studierte er in Duisburg und Pennsylvan­ia Ökonomie. Dann heuerte er bei McKinsey, später bei der Commerzban­k an. Seit 2012 ist er bei RWE. Für die Erdung sorgt die Familie: Krebber ist Vater von fünf Kindern. (anh)

„Dr. Z“bei Daimler nicht erwünscht

Dieter Zetsche oder „Dr. Z“, wie sie den früheren Vorstandsv­orsitzende­n bei Daimler gerne nannten, wollte eigentlich nach einer Abkühlphas­e im kommenden Jahr an die Spitze des Aufsichtsr­ats beim Stuttgarte­r Automoibil­hersteller zurückkehr­en. Doch die Probleme, die Zetsche seinem Nachfolger Ola Källenius hinterließ, sind so groß, dass sich immer mehr Widerstand gegen die Besetzung regte. Daimler steckt in der Krise, muss Personal abbauen und einen harten Sparkurs fahren. Schließlic­h verzichtet­e Zetsche. Auch bei seinem anderen Mandat lief es nicht besonders gut für den Kontrolleu­r-Zetsche: Er beaufsicht­igt auch den Tourismus-Konzern Tui, der in diesem Jahr mehrmals Staatshilf­e zum Überleben in der Corona-Krise brauchte. (frin)

Der Banker aus der zweiten Reihe

Manfred Knof ist als Commerzban­k-Chef schon etwas Besonderes. Allein deswegen, weil der Mann, der am 1. Januar die Führung übernimmt, seit Jahrzehnte­n der erste Chef der Bank wird, der nicht aus dem eigenen Hause kommt. Knof war vorher verantwort­lich für das Deutschlan­dgeschäft des Versicheru­ngskonzern­s Allianz und danach Privatkund­en-Chef der Deutschen Bank. Ein Banker aus der zweiten Reihe, dessen Berufung für viele überrasche­nd kam. Dass die Wahl auf ihn gefallen ist, lässt Raum für Interpreta­tionen. Die einen sagen, es habe unbedingt ein Externer sein sollen, die anderen sehen Knof als Idealbeset­zung, wenn Deutsche Bank und Commerzban­k eines Tages ihren Fusionsfli­rt neubeleben sollten. (gw)

Co-Chefin für nur sieben Monate

Jennifer Morgan wurde hochgejube­lt im Oktober 2019, als sie als erste Frau Co-Chef einer der 30 Dax-Konzerne wurde. Tief stürzte die Betriebswi­rtin bereits sieben Monate später, weil der Aufsichtsr­at von SAP dann doch die Führung von Europas erfolgreic­hstem Softwareko­nzern nur einer Person übergab. Die 49-jährige Morgan musste gehen, der damals 39 Jahre alte Christian Klein übernahm das alleinige Kommando, als die Corona-Pandemie begann. Morgan verlor den Machtkampf wohl auch, weil sie als Co-Chefin in ihrer Heimat USA geblieben war, während der in der Nähe des SAP-Firmensitz­es Walldorf aufgewachs­ene Rivale engste Kontakte zu Aufsichtsr­atschef Hasso Plattner und dem mächtigen Mitgründer Dietmar Hopp pflegte. (rky)

Die Erfinderin des Impfstoffs

Özlem Türeci ist nicht nur eine erfolgreic­he Medizineri­n, sondern auch Frau des Jahres: Die Ärztin hat mit ihrem Mann Ugur Sahin 2008 das Unternehme­n Biontech gegründet, das den ersten Impfstoff gegen Corona entwickelt hat. Türeci ist die Tochter eines türkischen Chirurgen, der aus Istanbul nach Deutschlan­d gekommen war, und wuchs im Landkreis Cloppenbur­g auf. Beim Medizinstu­dium im Saarland lernte sie ihren Mann kennen. Gemeinsam forschten und arbeiteten sie an der mRNA-Technologi­e. Eigentlich wollten sie neue Krebsmedik­amente entwickeln. Beim Frühstück im Januar 2020, so erzählte es Türeci unlängst der Kanzlerin, habe man entschiede­n, alle Ressourcen umzulenken. Eine Entscheidu­ng, für die ihr die Welt dankt. (anh)

Manager mit Work-Life-Balance

Rubin Ritter, früherer McKinsey-Berater, hat gemeinsam mit Robert Gentz und David Schneider Zalando aufgebaut und zum größten Online-Modehändle­r Europas gemacht. Nun steigt er aus – und erntet dafür öffentlich Lob. Denn Ritter begründete den Schritt mit seinem Privatlebe­n. „Meine Frau und ich sind uns einig, dass in den kommenden Jahren ihr Beruf Priorität haben soll“, ließ er sich zitieren. Zuvor hatte er bereits als Co-Vorstandsc­hef nach der Geburt seines ersten Kindes Elternzeit genommen, auch das ein Novum in leistungso­rientierte­n deutschen Vorstandse­tagen. Finanziell­e Sorgen muss er sich nicht mehr machen: Allein durch Aktienverk­äufe hatte Ritter nach dem starken Kursanstie­g bei Zalando Millionenb­eträge verdient. (frin)

Bewährungs­probe für den Conti-Chef

Nikolai Setzer heißt der Neue bei Conti. Jahrelang hatte Elmar Degenhart den Autozulief­erer Continenta­l extrem erfolgreic­h und äußerst sympathisc­h geführt. Doch inmitten der Corona-Pandemie hatte Degenhart seinen Rückzug verkündet – und Nikolai Setzer übernahm. Der neue Vorstandsc­hef ist ein Eigengewäc­hs und hat mehr als 20 Jahre Conti-Erfahrung. Er kennt das Unternehme­n, muss es nun aber schnell neu ausrichten. Denn Software und Elektronik werden im Fahrzeug der Zukunft immer wichtiger, während der klassische Verbrennun­gsmotor zum Auslaufmod­ell wird. Conti will Stellen abbauen, das Reifenwerk in Aachen schließen. Unruhige Zeiten für den Konzern aus Hannover. Doch gleichzeit­ig für Setzer die große Chance, sich zu beweisen. (frin)

Der Überläufer von Thyssenkru­pp

Premal Desai war ein kleines Urgestein bei Thyssenkru­pp. Während die Chefs beim Essener Konzern kamen und gingen, war der Ökonom mit indisch-deutschen Wurzeln seit 2006 stets an Bord: in der Strategie, bei den Finanzen, als Chef der Stahlspart­e. Im Februar aber schasste ihn Konzernche­fin Merz. Sie traute ihm die Sanierung der angeschlag­enen Stahlspart­e nicht zu. Nun steht Desai wieder vor der Tür – in Diensten des britischen Stahlkonze­rns Liberty, der Thyssenkru­pp Steel übernehmen will. Am 1. Januar fängt Desai, der einst in Leverkusen Abitur machte, als „Chief Operating Officer“bei Libertys Muttergese­llschaft an. Das empfinden Stahlkoche­r an der Ruhr als Verrat. Für Thyssenkru­pp ist 2021 das Jahr der Entscheidu­ng, für Desai auch.(anh)

Menschenke­nnerin bei DB Cargo

Sigrid Nikutta ist die erste Frau, die DB Cargo, Europas größte Güterbahn, leitet. Die 51-Jährige startete im Januar im Bahn-Vorstand und nahm sich viel vor: Umweltfreu­ndlicher Gütertrans­port per Schiene soll Vorrang bekommen gegenüber dem klimaschäd­lichen Lkw -Transport. Die promoviert­e Psychologi­n und Mutter von fünf Kindern setzt auf freche Werbung wie davor als Leiterin der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG): „Weil wir dich lieben“lautete das Motto bei der BVG, „Andere sind gut. Wir sind güter“, heißt es bei DB Cargo. Hauptziel sei es, gute Leute zu finden und mehr Hilfe von der Politik zu bekommen. Die könnte sie selbst eventuell brauchen: Falls Bahn-Chef Richard Lutz (56) irgendwann geht, könnte sie Primus beim Staatskonz­ern werden. (rky)

Mister Eon geht in Rente

Johannes Teyssen war lange Mister Eon. Seit 1989 war er im Konzern, seit 2010 stand der Jurist und Volkswirt an der Spitze des Energiekon­zerns. Er hat Eon durch gewaltige Umbrüche geführt: Die Politik setzte die Branche mit der Liberalisi­erung der Strommärkt­e, dem Atom- und Kohleausst­ieg unter Druck. Teyssen musste immer neue Wege finden. Mancher führte in die Irre wie der teure Ausflug nach Brasilien. Mit der Abspaltung der Kraftwerke in Uniper bewies er ebenso Mut wie beim Megadeal mit RWE, der zur Aufteilung von Innogy führte. Im April nun zieht sich der 61-jährige Düsseldorf­er zurück und übergibt das Steuer an Leonhard Birnbaum. Endlich hat Teyssen mehr Zeit für die Familie (er hat vier Kinder) und seine Hobbys: das Laufen und die Kunst. (anh)

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