Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„In Solingen zu bleiben, habe ich nie bereut“
Der Stadtdirektor spricht über seine rund 20 Jahre in Solingen, warum er noch bis Ende 2021 bleibt und den A3-Anschluss.
Eigentlich hätten Sie seit März 2020 Ihren Hobbys nachgehen können. Sie haben sich entschieden weiterzuarbeiten. Warum?
HOFERICHTER Im Herbst 2019, etwa ein halbes Jahr vor der Pandemie, hatte ich beantragt, dass ich gerne noch ein Jahr länger arbeiten wollte – also bis März 2021. Es war so vieles im Fluss: vom Projekt City 2030 über die Umgestaltungen in Ohligs und Wald bis zum Klimaschutz und dem nächsten Nahverkehrsplan. Da war noch vieles zu veranlassen, nicht zuletzt die Abstimmung der Finanzierung mit den Ministerien.
Jetzt bleiben Sie, nach Beschluss des Stadtrats, sogar noch bis Ende 2021.
HOFERICHTER Ich habe aber darauf bestanden, dass am Ende die Eins stehen muss. Dass es so lange werden würde, das war in einer derart schwierigen Situation wie der Pandemie erkennbar und ich habe dem zugestimmt. Ende 2021 ist aber Schluss. Ich hoffe, dass wir dann über die schwierigsten Zeiten hinweg sind.
Was beschäftigt Sie am meisten, seit Corona grassiert?
HOFERICHTER Am 13. März begann die regelmäßige Arbeit des Krisenstabs. Seitdem mussten wir uns nahezu täglich mit dem Thema Corona und dem Gesundheitsschutz für die Menschen in Solingen befassen und viele Maßnahmen umsetzen. Die technische Entwicklung in dem Dreivierteljahr war rasant; das hat eine ganze Reihe von Arbeitsprozessen weiter möglich gemacht. Die Kommunikation per Videokonferenz – wie sie der Verwaltungsvorstand schon seit zwei Jahren praktiziert – ist fast normal geworden.
Wird die Stadtverwaltung auch künftig oft im Homeoffice sitzen?
HOFERICHTER Ganz so drastisch wird es nicht sein, dass wir demnächst nur noch die Hälfte der Bürofläche brauchen. Längst liegen auch noch nicht alle Daten digital vor. Viele Aufgaben können wir künftig jedoch gut digital und von temporären Arbeitsplätzen erledigen. Es gibt aber weiterhin Situationen, bei denen man sich sehen muss. Bis Anfang 2020 saßen wir beispielsweise in den Baukonferenzen an einem Tisch. Wenn sich dann alle über große Projektunterlagen direkt verständigen können, fallen Entscheidungen noch schneller. Während der Pandemie weiß man auch soziale Kontakte noch mehr zu schätzen.
Die Pandemie hat aber eine deutliche Zäsur gebracht.
HOFERICHTER Wir haben deutlich gesehen, wie abhängig wir sind. Die gesamte Infrastruktur auch in einer
derart schwierigen Situation aufrecht zu erhalten, ist eine der ersten Zukunftsaufgaben. Dabei ist es wichtig, die Auswirkungen auf die Bürger so gering als möglich zu halten. Es geht unter anderem um Gesundheitsschutz, um Ver- und Entsorgung sowie um den wirtschaftlichen Bereich. Dann sind da die Schülerinnen und Schüler, die vermutlich ein ganzes Jahr lang nur eingeschränkt lernen können. Auch im Sozialbereich müssen wir uns auf viele Entwicklungen einstellen. Momentan leidet die Jugendarbeit stark. All dies muss so schnell als möglich wieder intensiviert werden.
In Köln hätte man Sie 2004/05 gerne in den Verwaltungsvorstand zurückgeholt. Warum sind Sie in Solingen geblieben?
HOFERICHTER Ich hatte interessante Aufgaben in Köln, wo ich als Planer für Lindenthal angefangen und als Stadtplanungsleiter aufgehört habe. 2004/2005 ging es im Bergischen gerade um die Regionale 2006. Ich bin hiergeblieben, weil ich gesehen habe, dass ich in Solingen einen großen Gestaltungsspielraum hatte. Ich bin durch den Wechsel nach Solingen aus der zweiten in die erste Reihe gekommen – mit der Möglichkeit mitzugestalten. Das habe ich nie bereut. Vielleicht war es auch ein wenig die Kölner Mentalität, die mich hier zum Bleiben bewogen hat.
Das ist wahrscheinlich eine höfliche Umschreibung für „Kölscher Klüngel“. War die Regionale ein Projekt, das Sie gerne in Erinnerung behalten werden?
HOFERICHTER Die zwei, drei Jahre Vorbereitung auf die Regionale haben viel Arbeit bedeutet. Die Ergebnisse können sich aber sehen lassen – im Südpark und im Müngstener Brückenpark ebenso wie am GrafWilhelm-Platz und am Neumarkt. Was uns sehr geholfen hat, das war die Tatsache, dass die Projekte selten im ernsthaften politischen Streit standen. Die Botschaft, dass die Ratsgremien ihre Unterstützung signalisiert haben, hat die Finanzierung durch Bund und Land sehr erleichtert.
Bei anderen Themen wie dem Verkehr haben auch 20 Jahre nicht gereicht – etwa beim Autobahnanschluss.
HOFERICHTER Es gibt Entwicklungen, die dauern eine ganze Generation. In den letzten 50 Jahren ist im Straßenverkehr so vieles angedacht worden. Die Themen haben sich aber gewandelt, obwohl der Anschluss an die A 3 sicher noch eines ist. Ich kann mir jedoch ernsthaft keine Trasse entlang der Bahn mehr vorstellen. Das passt nicht mehr in die Zeit. Es werden allerdings noch
unterschiedliche Möglichkeiten weiter diskutiert.
Was ist mit der Verkehrsentwicklung in der Stadt?
HOFERICHTER Die Corona-Krise überdeckt vieles: den Klimawandel ebenso wie die Verkehrswende. Im Frühjahr 2020 wurde mit dem neuen Nahverkehrsplan begonnen, um den ÖPNV weiter zu stärken. Der eine oder andere hat jetzt wegen der Pandemie Vorbehalte, Busse zu nutzen. Als wir im April die Transportkapazität für Schüler erhöht haben, nutzten viele lieber ihre Fahrräder. Nicht nur deshalb muss auch der Fahrradverkehr in Solingen eine andere
Qualität erhalten. Das bedeutet neue Routen und die Verbesserung bestehender. Wir werden auch Pop-up-Radwege ausprobieren.
Wie steht es um die Eissporthalle?
HOFERICHTER Es gibt eine erste Machbarkeitsstudie. Wir erwarten einen Rücklauf wahrscheinlich im Februar.
Durch die Pandemie muss sich die Stadt noch stärker verschulden. Müssen die Solinger sich auf höhere Gewerbe- und Grundsteuer-Sätze einstellen?
HOFERICHTER Das plant im Moment niemand. Aber es kommt einiges an
Ausgaben auf uns zu, und es gibt nicht mehr viel Spielraum zu sparen. Als ich plante, im Frühjahr 2021 auszuscheiden, ging ich davon aus, dass Solingen erstmals einen strukturell ausgeglichenen Haushalt haben würde.
Wie kommt Solingen stattdessen aus der Schuldenfalle?
HOFERICHTER Die Ausstattung der kommunalen Ebenen durch Bund und Land ist ein vorrangiges Thema. Sie dürfen uns nicht allein lassen. Auch der Städtetag sagt, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir die Lasten zu tragen haben. Wir können nicht alles einschränken, was
wir für eine funktionierende Stadt brauchen. Es passiert ganz viel, was wir vor Ort umsetzen müssen. Keiner weiß, ob wir eine anteilige Refinanzierung bekommen. Stattdessen gibt es in NRW die Möglichkeit, über 50 Jahre abzuschreiben. Das verlagert das Problem auf die nächsten Generationen.
Wenn für Sie „die Eins stehen muss“: Ist es dann nicht an der Zeit, Ihre Stelle auszuschreiben?
HOFERICHTER Ich gehe davon aus, dass die Ausschreibung noch im ersten Halbjahr erfolgen wird.
Was hätten Sie in Ihrer Dienstzeit gerne noch erlebt?
HOFERICHTER Ich hätte beispielsweise gerne noch an der Baugrube des Hotels am Ohligser Bahnhof gestanden. Aber jetzt wäre es Glaskugel-Lesen, einen Baubeginn vorherzusagen. In Deutschland stehen zurzeit rund 350 geplante Hotels auf der Warteliste. In Ohligs ist aber sicher, dass nach wie vor alle an Bord sind. Es gibt eine Baugenehmigung, einen Investor und einen Betreiber.
Sie wohnen selbst in Ohligs. Werden Sie dem Stadtteil auch als Pensionär erhalten bleiben?
HOFERICHTER Langfristig habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wir haben in Ohligs wunderbare Nachbarn und ein gutes Umfeld und keinen Anlass, das zu ändern.