Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Höhe- und Tiefpunkte des Corona-Sportjahres
Trotz der besonderen Umstände im Jahr 2020 geschah in der Solinger Sportwelt Einiges, was in Erinnerung bleiben wird.
Die Corona-Pandemie prägt seit März das Sportgeschehen in der Klingenstadt. Trotzdem ist es vielen gelungen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir blicken zurück auf ein Jahr, das sich niemand so hatte ausmalen können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Umbruch des Jahres
Das sportliche Geschehen wird traditionell vom Hallen-Masters des FC Britannia eingeläutet. In der einmal mehr gut besuchten Klingenhalle sicherte sich der TSV Solingen die Siegertrophäe. Dass der Gastgeber-Club nunmehr ohne seine großen Aktivitäten wie Zöppkesmarkt 2020 sowie Masters und Karneval 2021 auskommen muss, ahnte noch niemand. Auch nicht, dass Anfang April einer für immer ging: „Hansel“Tillmanns, Urgestein des FCB und ein prominentes Gesicht des Solinger Sports, starb im Alter von 86 Jahren.
Partner des Jahres
Für eine Saison, die es nicht geben würde, waren die Paladins gut gerüstet. Der Football-Zweitligist hatte seine Hausaufgaben gemacht, um gerade in seiner „Festung Walder Stadion“Festtage feiern zu können. Und das trotz des Weggangs zweier Akteure, die die jüngste Erfolgsgeschichte des Vereins mitgeschrieben haben: Runningback Daniel Rennich (Allgäu Comets) und Quarterback Danny Farley (Cologne Crocodiles) suchten neue sportliche Herausforderungen. Abseits des Spielfeldes überzeugten die Paladins als vierter Partner der Sport-Gala – und durften sich über 9340 Euro freuen.
Zugänge des Jahres
Mit Vorschusslorbeeren kam David Schmidt vom TVB Stuttgart zu Handball-Bundesligist Bergischer HC. Der Linkshänder bestätigte die Erwartungen und wertete die rechte Rückraumseite der Löwen spürbar auf. Gleichzeitig nahm der Norweger Tom Kare Nikolaisen in kürzester Zeit eine steile Entwicklung. Der 23-Jährige ist in seinen ersten Bundesligaspielen bereits zu einer Stütze im Deckungszentrum geworden. Einen spektakulären Zugang meldete zudem Bezirksligist HSV Solingen-Gräfrath. In Gary Hines kam nicht nur ein unfassbar sprunggewaltiger Nationalspieler der USA, sondern auch ein bekannter Teilnehmer der Show „Ninja Warrior Germany“.
Medaille des Jahres
Anfang Februar feierte Niklas Niemczyk überraschend den größten Erfolg seiner Karriere. Im Einzel holte der Badmintonspieler des STC BlauWeiß Solingen die Bronzemedaille bei der Deutschen Meisterschaft.
Karriereende des Jahres
Zweifelsohne war dieser Superlativ Kristian Nippes vorbehalten. Der langjährige Kapitän des Handball-Erstligisten Bergischer HC sagte Aufwiedersehen und wurde mit Lob überschüttet. Stütze des BHC, Deutscher Meister mit der Löwen-A-Jugend, Weltmeister mit den deutschen Junioren – die Vita des 32-Jährigen weist viele Höhepunkte auf. Mittlerweile spielt Nippes für die Zweite in der Oberliga. Ein offizielles Abschiedsspiel wird es, sobald möglich, geben.
Veränderung des Jahres
Der TSV Solingen-Aufderhöhe präsentierte sein Sponsorenschwimmen in neuem Gewand und erwirtschaftete 4260 Euro für Kindergärten und Kindertagesstätten erwirtschaften. Nicht so gut: Die Startgemeinschaft SG Bergisch Land ruht, und Ex-Bundestrainer Henning Lambertz trat nicht so in Erscheinung wie gewünscht.
Gesten des Jahres
Die Zukunft der Eissporthalle über 2022 hinaus bleibt ungewiss. Der EC Bergisch Land als dort beheimateter Eishockey-Verein durfte sich großen Zuspruchs von vielen Seiten gewiss sein. Auch die Düsseldorfer EG sprang zur Seite, kam mit Top-Talenten und Ex-Stars in den Südpark. Das Spiel „Pro Eissport“– auch der STB war mit Eiskunstlaufen eingebunden – gewann die DEG mit 13:10. Wichtiger: 800 Zuschauer sorgten für eine fantastische Atmosphäre. Für den Nachschlag waren einige Wochen später die Eishockey-Legenden Erich Kühnhackl und Erich Weishaupt verantwortlich – als Ehrengäste bei einem Jugend-Training der Raptors.
Geisterspiel des Jahres
Das Wort Geisterspiel sollte später durch die Corona-Pandemie noch häufig Verwendung finden, die Landesliga-Fußballer des VfB avancierten Anfang Februar schon zu Spezialisten. Erneut fand das Derby gegen den FC Remscheid aus Sicherheitsgründen ohne Zuschauer auf neutralem, geheim gehaltenen Platz statt. Dem 4:0 im Vorjahr ließen die Baverter diesmal in der Sportschule Duisburg-Wedau ein 3:1 folgen.
Gegentor des Jahres
Das kassierte sicherlich der Bergische HC beim 20:21 gegen die SG Flensburg-Handewitt in Düsseldorf. Die 60 Minuten waren eigentlich schon vorbei, als es beim Stand von 20:20 noch einen letzten direkten Freiwurf für die Gäste aus dem hohen Norden gab. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher den Weg ins Tor findet, ist traditionell sehr gering. Doch an diesem Februar-Abend passierte es. Jim Gottfridsson warf, und der Ball flog abgefälscht von Csaba Szücs’ Kopf unhaltbar für Torhüter Christopher Rudeck in den Winkel. Ein aus sportlicher Sicht tragisches Ende.
Vorgeschmack des Jahres
Für das, was ab März mit brachialer Wucht kommen sollte, lieferte im Februar Sturmtief Sabine einen Vorgeschmack. Das Risiko für Sport im Freien wie bei den Fußballern war ohnehin zu groß, aber die Anreise war gefährlich, so dass andere Sportarten nachzogen – es hagelte Absagen. Mitte März ruhte der Solinger Sport vorerst vollständig.
Einschnitt des Jahres
Die 24. Solinger Sport-Gala sorgte einmal mehr für einen ausverkauften Konzertsaal. Es war erneut eine großartige Veranstaltung, die aber schon im Zeichen der Bedenken des aufkommenden Coronavirus stand. Welche Ausmaße es nehmen würde, ahnte damals keiner. Schon Anfang März wird die im Klingenbad geplante Schwimm-DM der Senioren abgesagt, ein Aus nach dem anderen – schließlich auch für die Spielzeiten – folgte.
Zwangspausen des Jahres
Glück im Unglück hatte Christopher Rudeck. Der Torhüter des Bergischen HC verletzte sich Anfang März im letzten Spiel vor dem Saisonabbruch. Sein Innenbandriss im Knie hätte weitere Einsätze nicht mehr möglich gemacht, doch so verpasste der Keeper kein Spiel. Beim nächsten Pflichtspiel der Löwen am 1. Oktober war er wieder dabei. Großes Pech hatte hingegen Alexander Weck. Der Solinger zog sich vier Tage vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs einen Kreuzbandanriss zu und konnte in dieser Saison noch gar nicht spielen.
Programm des Jahres
„Moderne Sportstätte 2022“heißt das NRW-Förderprogramm, das landesweit über 300.000 Millionen Euro verfügt und rund 2,2 Millionen Euro in die Klingenstadt spült. Der Eigenanteil an den Kosten ist überschaubar. Bisherige Profiteure auf ihren privaten Sportstätten: TSG Solingen ( Tennishalle, Räume), Höhscheider Schützenverein (Schießanlage), Wald-Merscheider TV (Heizungsanlage, Umzäunung der Tennisanlage), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (Dacharbeiten), 1. Spvg. Wald 03 ( Jugend-Geschäftsstelle), TC Ohligs ( Tennisanlage), Solinger TC (Tennisanlage), Solinger TB ( Tennishalle).
Krisenmanagement des Jahres
Keine Frage, viele Verantwortliche haben einen guten Job gemacht, um ihren Verein durch die Corona-Krise zu führen. In der Baseball-Bundesliga gelang insgesamt allerdings Außergewöhnliches. Der Spielbetrieb begann mit einer verkürzten Saison verspätet – und es kam nicht zu einem einzigen Ausfall aufgrund einer Infektion. Dazu gehört freilich auch etwas Glück, das die Solingen Alligators sportlich diesmal nicht hatten. Nach mäßigem Start drehte der Club auf, schaffte es aber nur noch auf den dritten Platz der Nordgruppe – und verpasste damit die Play-offs.
Improvisation des Jahres
Fantasie ist in Zeiten der Kontaktbeschränkungen gefragt. So bieten zahlreiche Vereine und Fitnessstudios Online-Training an, bei dem die Teilnehmer im eigenen Wohnzimmer dabei sein können. Im ersten Lockdown hatte der Solinger Sportbund in Zusammenarbeit mit vielen Clubs ein ähnliches Programm. Zudem engagieren sich Vereine sozial, bieten beispielsweise Einkaufshilfen an.
Einweihung des Jahres
Etwa sieben Millionen Euro hat Michael Kölker (Forst Technologie) in das Leistungszentrum an der Kanalstraße investiert. Die Bundesliga-Männer des Bergischen HC finden dort ebenso herausragende Trainingsbedingungen vor wie die Frauen – die noch in der Oberliga spielen, aber seit ihrer Gründung Jahr für Jahr aufsteigen und unter dem Sportlichen Leiter Max Ramota die Bundesebene ansteuern. Der Einzug des BHC in das neue Areal musste im Stillen erfolgen – ohne Corona wäre er gewiss ein festlicher Anlass gewesen.
Hoffnung des Jahres
Am 9. Mai erfolgte der Neustart mit der Wiedereröffnung der städtischen Freiluftanlagen. Insbesondere Fußballer, Footballer und Tennisspieler hofften, dass ihre Spielzeiten doch noch in geordneten Bahnen verlaufen – nicht alle Wünsche würden in Erfüllung gehen. Abbruch im Fußball, Nulldiät im Football, immerhin eine abgespeckte Saison im Tennis, so lautet das Ergebnis.
Sanierung des Jahres
Das Kunstrasenprogramm greift: Die Stadt investiert eine Million Euro, um die Qualität des grünen Belags auf Freisportanlagen weiter zu steigern. Bavert, Bernd-Kurzrock-Sportanlage, Weyersberg an der Klingenhalle sowie der Platz am Gräfrather Flockertsholz wurden vornehmlich während der Sommerferien saniert.
Comeback des Jahres
Am 9. Juni, einem Dienstag, um 10 Uhr, geschah an der Widderter Straße Sport-Historisches. Erstmals seit Mitte März fand wieder ein sportlicher Wettkampf auf Solinger Boden statt. Die Tennis-Herren 70 des STC 02 waren im Rahmen der Corona-Auflagen glücklich und gewannen die Partie der 2. Verbandsliga gegen den TC Erkrath mit 4:2 – was eher Nebensache angesichts der langen Durststrecke war.
Ausfall des Jahres
Natürlich gibt es in dieser Kategorie Anwärter ohne Ende. Besonders bitter ist es aber, wenn man nach langer Abstinenz eine Premiere ins Auge gefasst hat und diese dann Corona weichen muss. So geschehen dem Reitverein Gut Jagenberg, der sein 1. Solinger Reitsport-Festival ausfallen und in den August 2021 verschieben musste.
Re-Start des Jahres
207 Tage hat der Spielbetrieb in der Handball-Bundesliga geruht. Der Bergische HC sorgte bei der Wiederaufnahme für den Paukenschlag überhaupt. Zum ersten Mal in ihrer Historie gewannen die Löwen beim SC Magdeburg. Das 31:27 war der Grundstein einer bislang erfolgreichen Spielzeit.
Geburtstag des Jahres
Horst Franz wird 80 Jahre alt. Der frühere Trainer der SG Union Solingen, auch mit hochkarätigen Stationen in Dortmund oder auf Schalke, lebt immer noch seinen Fußball. Und hat mit Sascha Franz, seinem Sohn, einen engen Bezug – er ist als Co-Trainer des FC Erzgebirge Aue ebenso in der 2. Bundesliga unterwegs wie der Südstadt-Junge Adrian Stanilewicz mit Darmstadt 98. Sogar auf der Champions-League-Bühne stehen Christoph Kramer (Borussia Mönchengladbach) und Kevin Kampl (RB Leipzig).
Saisonabbruch des Jahres
Der HSV Solingen-Gräfrath stand auf dem letzten Platz in der 2. Bundesliga, als die Saison coronabedingt abgebrochen wurde. Die Handballerinnen durften in der Spielklasse bleiben – und nutzten diese Chance. In der neuen Saison zeigen die Solingerinnen Woche für Woche herausragende Leistungen. Nach neun Partien hat das Team sensationelle 13:5-Zähler auf dem Konto und steht auf dem fünften Platz.
Sehnsucht des Jahres
15 Bundesliga-Partien hat der Bergische HC in dieser Saison absolviert, doch die eigenen Fans durften noch kein einziges Mal dabei sein. Im Oktober war dies dem in Solingen erhöhten Indzidenzwert geschuldet, ab November ging es aufgrund des Lockdowns nicht mehr. So froh die Profis sind, ihrem Beruf trotzdem nachgehen zu dürfen, so gerne würden sie auch wieder vor Publikum und nicht nur vor Kameras der Bezahlsenders Sky spielen.
Doppelpack des Jahres
Die Tennissportler waren unzufrieden, weil sie mit ihrem kontaktfreien Sport (zu) lange auf den Neustart warten mussten. Sportlich lief es in der Spitze bestens: Die Herren des STC 02 schafften den direkten Wiederaufstieg in die Regionalliga, die des TC Ohligs setzten ihren Durchmarsch Richtung Niederrheinliga fort – das Duo glänzte mit makellosen Bilanzen.
Trainerwechsel des Jahres
Zwölf Pflichtspiele hat der VfB Solingen 2020 in der Landesliga absolviert, dabei aber gleich zwei Mal den Trainer gewechselt. Für André Springob kam im März Necati Ebrem, der die Mannschaft in der Pandemie-Pause betreute, nach zwei Spieltagen aber schon wieder die Nase voll hatte. Seitdem coachen Rossi Tilaro und Erdim Soysal die abstiegsbedrohten Baverter.
Turnier des Jahres
Die unterbrochene Saison in der Schach-Bundesliga wird 2021 fortgeführt und somit ein Deutscher Meister 19/21 ausgespielt. Doch der Titel wurde auch 2020 vergeben – auf einem Achter-Turnier in Karlsruhe unter großen Sicherheitsbeschränkungen. Die SG Solingen wurde Fünfter.