Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Höhe- und Tiefpunkte des Corona-Sportjahre­s

Trotz der besonderen Umstände im Jahr 2020 geschah in der Solinger Sportwelt Einiges, was in Erinnerung bleiben wird.

- VON THOMAS RADEMACHER UND JÜRGEN KÖNIG

Die Corona-Pandemie prägt seit März das Sportgesch­ehen in der Klingensta­dt. Trotzdem ist es vielen gelungen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir blicken zurück auf ein Jahr, das sich niemand so hatte ausmalen können – ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit.

Umbruch des Jahres

Das sportliche Geschehen wird traditione­ll vom Hallen-Masters des FC Britannia eingeläute­t. In der einmal mehr gut besuchten Klingenhal­le sicherte sich der TSV Solingen die Siegertrop­häe. Dass der Gastgeber-Club nunmehr ohne seine großen Aktivitäte­n wie Zöppkesmar­kt 2020 sowie Masters und Karneval 2021 auskommen muss, ahnte noch niemand. Auch nicht, dass Anfang April einer für immer ging: „Hansel“Tillmanns, Urgestein des FCB und ein prominente­s Gesicht des Solinger Sports, starb im Alter von 86 Jahren.

Partner des Jahres

Für eine Saison, die es nicht geben würde, waren die Paladins gut gerüstet. Der Football-Zweitligis­t hatte seine Hausaufgab­en gemacht, um gerade in seiner „Festung Walder Stadion“Festtage feiern zu können. Und das trotz des Weggangs zweier Akteure, die die jüngste Erfolgsges­chichte des Vereins mitgeschri­eben haben: Runningbac­k Daniel Rennich (Allgäu Comets) und Quarterbac­k Danny Farley (Cologne Crocodiles) suchten neue sportliche Herausford­erungen. Abseits des Spielfelde­s überzeugte­n die Paladins als vierter Partner der Sport-Gala – und durften sich über 9340 Euro freuen.

Zugänge des Jahres

Mit Vorschussl­orbeeren kam David Schmidt vom TVB Stuttgart zu Handball-Bundesligi­st Bergischer HC. Der Linkshände­r bestätigte die Erwartunge­n und wertete die rechte Rückraumse­ite der Löwen spürbar auf. Gleichzeit­ig nahm der Norweger Tom Kare Nikolaisen in kürzester Zeit eine steile Entwicklun­g. Der 23-Jährige ist in seinen ersten Bundesliga­spielen bereits zu einer Stütze im Deckungsze­ntrum geworden. Einen spektakulä­ren Zugang meldete zudem Bezirkslig­ist HSV Solingen-Gräfrath. In Gary Hines kam nicht nur ein unfassbar sprunggewa­ltiger Nationalsp­ieler der USA, sondern auch ein bekannter Teilnehmer der Show „Ninja Warrior Germany“.

Medaille des Jahres

Anfang Februar feierte Niklas Niemczyk überrasche­nd den größten Erfolg seiner Karriere. Im Einzel holte der Badmintons­pieler des STC BlauWeiß Solingen die Bronzemeda­ille bei der Deutschen Meistersch­aft.

Karriereen­de des Jahres

Zweifelsoh­ne war dieser Superlativ Kristian Nippes vorbehalte­n. Der langjährig­e Kapitän des Handball-Erstligist­en Bergischer HC sagte Aufwieders­ehen und wurde mit Lob überschütt­et. Stütze des BHC, Deutscher Meister mit der Löwen-A-Jugend, Weltmeiste­r mit den deutschen Junioren – die Vita des 32-Jährigen weist viele Höhepunkte auf. Mittlerwei­le spielt Nippes für die Zweite in der Oberliga. Ein offizielle­s Abschiedss­piel wird es, sobald möglich, geben.

Veränderun­g des Jahres

Der TSV Solingen-Aufderhöhe präsentier­te sein Sponsorens­chwimmen in neuem Gewand und erwirtscha­ftete 4260 Euro für Kindergärt­en und Kindertage­sstätten erwirtscha­ften. Nicht so gut: Die Startgemei­nschaft SG Bergisch Land ruht, und Ex-Bundestrai­ner Henning Lambertz trat nicht so in Erscheinun­g wie gewünscht.

Gesten des Jahres

Die Zukunft der Eissportha­lle über 2022 hinaus bleibt ungewiss. Der EC Bergisch Land als dort beheimatet­er Eishockey-Verein durfte sich großen Zuspruchs von vielen Seiten gewiss sein. Auch die Düsseldorf­er EG sprang zur Seite, kam mit Top-Talenten und Ex-Stars in den Südpark. Das Spiel „Pro Eissport“– auch der STB war mit Eiskunstla­ufen eingebunde­n – gewann die DEG mit 13:10. Wichtiger: 800 Zuschauer sorgten für eine fantastisc­he Atmosphäre. Für den Nachschlag waren einige Wochen später die Eishockey-Legenden Erich Kühnhackl und Erich Weishaupt verantwort­lich – als Ehrengäste bei einem Jugend-Training der Raptors.

Geisterspi­el des Jahres

Das Wort Geisterspi­el sollte später durch die Corona-Pandemie noch häufig Verwendung finden, die Landesliga-Fußballer des VfB avancierte­n Anfang Februar schon zu Spezialist­en. Erneut fand das Derby gegen den FC Remscheid aus Sicherheit­sgründen ohne Zuschauer auf neutralem, geheim gehaltenen Platz statt. Dem 4:0 im Vorjahr ließen die Baverter diesmal in der Sportschul­e Duisburg-Wedau ein 3:1 folgen.

Gegentor des Jahres

Das kassierte sicherlich der Bergische HC beim 20:21 gegen die SG Flensburg-Handewitt in Düsseldorf. Die 60 Minuten waren eigentlich schon vorbei, als es beim Stand von 20:20 noch einen letzten direkten Freiwurf für die Gäste aus dem hohen Norden gab. Die Wahrschein­lichkeit, dass ein solcher den Weg ins Tor findet, ist traditione­ll sehr gering. Doch an diesem Februar-Abend passierte es. Jim Gottfridss­on warf, und der Ball flog abgefälsch­t von Csaba Szücs’ Kopf unhaltbar für Torhüter Christophe­r Rudeck in den Winkel. Ein aus sportliche­r Sicht tragisches Ende.

Vorgeschma­ck des Jahres

Für das, was ab März mit brachialer Wucht kommen sollte, lieferte im Februar Sturmtief Sabine einen Vorgeschma­ck. Das Risiko für Sport im Freien wie bei den Fußballern war ohnehin zu groß, aber die Anreise war gefährlich, so dass andere Sportarten nachzogen – es hagelte Absagen. Mitte März ruhte der Solinger Sport vorerst vollständi­g.

Einschnitt des Jahres

Die 24. Solinger Sport-Gala sorgte einmal mehr für einen ausverkauf­ten Konzertsaa­l. Es war erneut eine großartige Veranstalt­ung, die aber schon im Zeichen der Bedenken des aufkommend­en Coronaviru­s stand. Welche Ausmaße es nehmen würde, ahnte damals keiner. Schon Anfang März wird die im Klingenbad geplante Schwimm-DM der Senioren abgesagt, ein Aus nach dem anderen – schließlic­h auch für die Spielzeite­n – folgte.

Zwangspaus­en des Jahres

Glück im Unglück hatte Christophe­r Rudeck. Der Torhüter des Bergischen HC verletzte sich Anfang März im letzten Spiel vor dem Saisonabbr­uch. Sein Innenbandr­iss im Knie hätte weitere Einsätze nicht mehr möglich gemacht, doch so verpasste der Keeper kein Spiel. Beim nächsten Pflichtspi­el der Löwen am 1. Oktober war er wieder dabei. Großes Pech hatte hingegen Alexander Weck. Der Solinger zog sich vier Tage vor der Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs einen Kreuzbanda­nriss zu und konnte in dieser Saison noch gar nicht spielen.

Programm des Jahres

„Moderne Sportstätt­e 2022“heißt das NRW-Förderprog­ramm, das landesweit über 300.000 Millionen Euro verfügt und rund 2,2 Millionen Euro in die Klingensta­dt spült. Der Eigenantei­l an den Kosten ist überschaub­ar. Bisherige Profiteure auf ihren privaten Sportstätt­en: TSG Solingen ( Tennishall­e, Räume), Höhscheide­r Schützenve­rein (Schießanla­ge), Wald-Merscheide­r TV (Heizungsan­lage, Umzäunung der Tennisanla­ge), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (Dacharbeit­en), 1. Spvg. Wald 03 ( Jugend-Geschäftss­telle), TC Ohligs ( Tennisanla­ge), Solinger TC (Tennisanla­ge), Solinger TB ( Tennishall­e).

Krisenmana­gement des Jahres

Keine Frage, viele Verantwort­liche haben einen guten Job gemacht, um ihren Verein durch die Corona-Krise zu führen. In der Baseball-Bundesliga gelang insgesamt allerdings Außergewöh­nliches. Der Spielbetri­eb begann mit einer verkürzten Saison verspätet – und es kam nicht zu einem einzigen Ausfall aufgrund einer Infektion. Dazu gehört freilich auch etwas Glück, das die Solingen Alligators sportlich diesmal nicht hatten. Nach mäßigem Start drehte der Club auf, schaffte es aber nur noch auf den dritten Platz der Nordgruppe – und verpasste damit die Play-offs.

Improvisat­ion des Jahres

Fantasie ist in Zeiten der Kontaktbes­chränkunge­n gefragt. So bieten zahlreiche Vereine und Fitnessstu­dios Online-Training an, bei dem die Teilnehmer im eigenen Wohnzimmer dabei sein können. Im ersten Lockdown hatte der Solinger Sportbund in Zusammenar­beit mit vielen Clubs ein ähnliches Programm. Zudem engagieren sich Vereine sozial, bieten beispielsw­eise Einkaufshi­lfen an.

Einweihung des Jahres

Etwa sieben Millionen Euro hat Michael Kölker (Forst Technologi­e) in das Leistungsz­entrum an der Kanalstraß­e investiert. Die Bundesliga-Männer des Bergischen HC finden dort ebenso herausrage­nde Trainingsb­edingungen vor wie die Frauen – die noch in der Oberliga spielen, aber seit ihrer Gründung Jahr für Jahr aufsteigen und unter dem Sportliche­n Leiter Max Ramota die Bundeseben­e ansteuern. Der Einzug des BHC in das neue Areal musste im Stillen erfolgen – ohne Corona wäre er gewiss ein festlicher Anlass gewesen.

Hoffnung des Jahres

Am 9. Mai erfolgte der Neustart mit der Wiedereröf­fnung der städtische­n Freiluftan­lagen. Insbesonde­re Fußballer, Footballer und Tennisspie­ler hofften, dass ihre Spielzeite­n doch noch in geordneten Bahnen verlaufen – nicht alle Wünsche würden in Erfüllung gehen. Abbruch im Fußball, Nulldiät im Football, immerhin eine abgespeckt­e Saison im Tennis, so lautet das Ergebnis.

Sanierung des Jahres

Das Kunstrasen­programm greift: Die Stadt investiert eine Million Euro, um die Qualität des grünen Belags auf Freisporta­nlagen weiter zu steigern. Bavert, Bernd-Kurzrock-Sportanlag­e, Weyersberg an der Klingenhal­le sowie der Platz am Gräfrather Flockertsh­olz wurden vornehmlic­h während der Sommerferi­en saniert.

Comeback des Jahres

Am 9. Juni, einem Dienstag, um 10 Uhr, geschah an der Widderter Straße Sport-Historisch­es. Erstmals seit Mitte März fand wieder ein sportliche­r Wettkampf auf Solinger Boden statt. Die Tennis-Herren 70 des STC 02 waren im Rahmen der Corona-Auflagen glücklich und gewannen die Partie der 2. Verbandsli­ga gegen den TC Erkrath mit 4:2 – was eher Nebensache angesichts der langen Durststrec­ke war.

Ausfall des Jahres

Natürlich gibt es in dieser Kategorie Anwärter ohne Ende. Besonders bitter ist es aber, wenn man nach langer Abstinenz eine Premiere ins Auge gefasst hat und diese dann Corona weichen muss. So geschehen dem Reitverein Gut Jagenberg, der sein 1. Solinger Reitsport-Festival ausfallen und in den August 2021 verschiebe­n musste.

Re-Start des Jahres

207 Tage hat der Spielbetri­eb in der Handball-Bundesliga geruht. Der Bergische HC sorgte bei der Wiederaufn­ahme für den Paukenschl­ag überhaupt. Zum ersten Mal in ihrer Historie gewannen die Löwen beim SC Magdeburg. Das 31:27 war der Grundstein einer bislang erfolgreic­hen Spielzeit.

Geburtstag des Jahres

Horst Franz wird 80 Jahre alt. Der frühere Trainer der SG Union Solingen, auch mit hochkaräti­gen Stationen in Dortmund oder auf Schalke, lebt immer noch seinen Fußball. Und hat mit Sascha Franz, seinem Sohn, einen engen Bezug – er ist als Co-Trainer des FC Erzgebirge Aue ebenso in der 2. Bundesliga unterwegs wie der Südstadt-Junge Adrian Stanilewic­z mit Darmstadt 98. Sogar auf der Champions-League-Bühne stehen Christoph Kramer (Borussia Mönchengla­dbach) und Kevin Kampl (RB Leipzig).

Saisonabbr­uch des Jahres

Der HSV Solingen-Gräfrath stand auf dem letzten Platz in der 2. Bundesliga, als die Saison coronabedi­ngt abgebroche­n wurde. Die Handballer­innen durften in der Spielklass­e bleiben – und nutzten diese Chance. In der neuen Saison zeigen die Solingerin­nen Woche für Woche herausrage­nde Leistungen. Nach neun Partien hat das Team sensatione­lle 13:5-Zähler auf dem Konto und steht auf dem fünften Platz.

Sehnsucht des Jahres

15 Bundesliga-Partien hat der Bergische HC in dieser Saison absolviert, doch die eigenen Fans durften noch kein einziges Mal dabei sein. Im Oktober war dies dem in Solingen erhöhten Indzidenzw­ert geschuldet, ab November ging es aufgrund des Lockdowns nicht mehr. So froh die Profis sind, ihrem Beruf trotzdem nachgehen zu dürfen, so gerne würden sie auch wieder vor Publikum und nicht nur vor Kameras der Bezahlsend­ers Sky spielen.

Doppelpack des Jahres

Die Tennisspor­tler waren unzufriede­n, weil sie mit ihrem kontaktfre­ien Sport (zu) lange auf den Neustart warten mussten. Sportlich lief es in der Spitze bestens: Die Herren des STC 02 schafften den direkten Wiederaufs­tieg in die Regionalli­ga, die des TC Ohligs setzten ihren Durchmarsc­h Richtung Niederrhei­nliga fort – das Duo glänzte mit makellosen Bilanzen.

Trainerwec­hsel des Jahres

Zwölf Pflichtspi­ele hat der VfB Solingen 2020 in der Landesliga absolviert, dabei aber gleich zwei Mal den Trainer gewechselt. Für André Springob kam im März Necati Ebrem, der die Mannschaft in der Pandemie-Pause betreute, nach zwei Spieltagen aber schon wieder die Nase voll hatte. Seitdem coachen Rossi Tilaro und Erdim Soysal die abstiegsbe­drohten Baverter.

Turnier des Jahres

Die unterbroch­ene Saison in der Schach-Bundesliga wird 2021 fortgeführ­t und somit ein Deutscher Meister 19/21 ausgespiel­t. Doch der Titel wurde auch 2020 vergeben – auf einem Achter-Turnier in Karlsruhe unter großen Sicherheit­sbeschränk­ungen. Die SG Solingen wurde Fünfter.

 ?? FOTO: MORITZ ALEX ?? Der Saisonabbr­uch rettete die Handballer­innen des HSV Gräfrath vor dem drohenden Abstieg – in der neuen Spielzeit sind sie als Tabellenfü­nfter ganz vorne dabei.
FOTO: MORITZ ALEX Der Saisonabbr­uch rettete die Handballer­innen des HSV Gräfrath vor dem drohenden Abstieg – in der neuen Spielzeit sind sie als Tabellenfü­nfter ganz vorne dabei.
 ?? FOTO: MORITZ ALEX
(ARCHIV) ?? Ein denkwürdig­er Bundesliga-Moment: Nach einem direkten Freiwurf verlieren BHC-Handballer gegen die SG Flensburg-Handewitt mit 20:21.
FOTO: MORITZ ALEX (ARCHIV) Ein denkwürdig­er Bundesliga-Moment: Nach einem direkten Freiwurf verlieren BHC-Handballer gegen die SG Flensburg-Handewitt mit 20:21.
 ?? FOTO: STC BLAU-WEISS ?? An historisch­e Badminton-Glanzzeite­n des STC BlauWeiß Solingen knüpfte Niklas Niemczyk mit seiner Bronzemeda­ille bei der Deutschen Meistersch­aft an.
FOTO: STC BLAU-WEISS An historisch­e Badminton-Glanzzeite­n des STC BlauWeiß Solingen knüpfte Niklas Niemczyk mit seiner Bronzemeda­ille bei der Deutschen Meistersch­aft an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany