Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Wir müssen ganz viel nachholen“

Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz (SPD) spricht über die Herausford­erungen der Pandemie und die Zeit nach Corona.

- HENNING RÖSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Herr Mast-Weisz, in ihrer Grundsatzr­ede im Rat haben sie vor kurzem gesagt, dass Corona die Menschen verändert. Wie sieht es bei Ihnen aus?

BURKHARD MAST-WEISZ Ich hoffe, ich habe mich nicht verändert. Es gibt Tage, da ist es belastend, sehr belastend. Es gibt Tage, da kann ich damit sehr profession­ell umgehen. Im Sinne von; Du musst entscheide­n, du musst Akzente setzen. Es gibt ein Leben jenseits von Corona. Projekte steuern, politische Gespräche führen, eine Verwaltung leiten. Ich glaube nicht, dass ich ängstliche­r geworden bin, vielleicht manchmal nachdenkli­cher.

„Ich freue mich darauf, dass es nach Corona wieder eine Zeit der Begegnung gibt“

Burkhard Mast-Weisz

Oberbürger­meister

Sie haben gesagt, die Pandemie ändere das Handeln der Verwaltung. Was heißt das?

MAST-WEISZ Der Anteil an Homeoffice ist exponentie­ll gestiegen. Viele Kontakte laufen nur noch digital. Es ist eine Gratwander­ung, die nicht immer einfach ist. Wir wollen unsere Mitarbeite­r schützen, müssen aber auch die Betriebsfä­higkeit sicherstel­len. Es gibt Einschränk­ungen im Bürgerserv­ice. Autos können nicht mehr selber angemeldet werden, Bürger kommen ohne Termin nicht mehr so einfach ins Rathaus. Es gab Leute, die darüber fürchterli­ch geschimpft haben, andere zeigen Verständni­s.

Gibt es Dinge, die bleiben werden, auch nach Corona?

MAST-WEISZ Ich werde sicher Dinge mitnehmen. Man muss sich nicht jedes Mal ins Auto setzen, wenn man jemanden sehen will. Das Thema Digitalisi­erung und Homeoffice wird nach Corona einen anderen Stellewert haben. Die Planungen für den Rathausanb­au werden sich verändern. Da muss man noch mal neu denken. Die Arbeitspro­zesse haben sich verändert. Wir bekommen zum Beispiel ein völlig anderes Gesundheit­samt.

Was bedeuten die finanziell­en Einbußen durch die Corona-Pandemie bei den Steuereinn­ahmen für die Zukunftspl­äne der Stadt?

MAST-WEISZ Wir haben schon Ende 2019 gemerkt, dass die Konjunktur eine kleine Delle bekam. Dann kam Corona. Die 200 Millionen Euro Einbußen, die der Kämmerer bis 2025 erwartet, sind ziemlich real. Die werden wir isolieren. Wir werden sie ab 2025 mit jeweils vier Millionen Euro über 50 Jahre abschreibe­n. Das ist nicht unsere Erfindung, sondern eine Erfindung des Landes.

Und wie finden sie diese Erfindung?

MAST-WEISZ Natürlich wäre es mir lieber, wenn Bund und Land diese Einbrüche ersetzen würden. Die Kommunen laufen seit 2009 einer Klärung der Altschulde­nfrage hinterher. Wir haben in den vergangene­n Jahren Schulden abgebaut. Jetzt kämpft jede Kommune alleine, um mit den zusätzlich­en enormen Belastunge­n klar zu kommen. Vier Millionen Euro im Jahr zusätzlich erwirtscha­ften zu müssen, das ist fatal, aber wir werden damit arbeiten müssen.

Was bedeutet das denn jetzt konkret?

MAST-WEISZ Das bedeutet: Liebe Leute, bleibt vernünftig, erlaubt euch keine großen Sprünge, die dauerhafte Mehrausgab­en bedeuten. Wir müssen diese vier Millionen Euro zusätzlich­e Belastung ab jetzt immer mitdenken. Spaß machen wird das nicht.

Gibt es einen Plan B zum Designer-Outlet-Center, wenn es auch bei der nächsten Verhandlun­g vor Gericht scheitert?

MAST-WEISZ Es gibt drei Varianten. Erstens: Wir gehen zum Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig und lassen das Urteil aus Münster prüfen. Zweitens: Wir gucken, ob wir heilen können. Das heißt, wie können wir den B-Plan verändern, so dass Aspekte der Kritik aufgenomme­n werden. Das läuft parallel zu den Vorbereitu­ngen auf die angestrebt­e Revision in Leipzig. Drittens: Ich biete weiterhin den Klägern an, dass wir gemeinsam die Kuh vom Eis bekommen. Die Diskussion um den Sportplatz Hackenberg hat gerade gezeigt, dass es auch noch um andere Dinge geht als um die Schaffung von 800 Arbeitsplä­tzen. Es geht auch um Investitio­nen in die Stadt, Aufträge für die heimische Wirtschaft und um die Sportinfra­struktur. Und es gibt auch noch eine vierte Säule. Wir werden die Flächen in Lennep auch ohne DOC auf keinen Fall unbebaut lassen.

Sie haben bei der Kommunalwa­hl über 60 Prozent der Stimmen bekommen. Was bedeutet diese Zustimmung für ihre Arbeit?

MAST-WEISZ Es bedeutet die Herausford­erung, dass ich möglichst viele Menschen mitnehme, parteiüber­greifend über die Ampel hinaus. 60 Prozent der Stimmen bekomme ich nicht nur durch die Anhänger von SPD, Grünen und FDP. Mir haben einige Menschen, die in der CDU ihre Heimat haben, gesagt: Ich habe sie gewählt. Das ist eine Herausford­erung, aber eine wunderschö­ne. Es geht darum zu schauen, wo das Gemeinsame ist.

Ihre Partei, die SPD, hat positiv überrascht mit ihrem guten Ergebnis bei der Wahl. Ist auch bei der Bundestags­wahl in 2021 was drin für die SPD im Bergischen Land?

MAST-WEISZ In Berlin hängt viel von der Frage ab, wer auf Merkel folgt und wie die SPD in der Regierung arbeitet. Hier vor Ort bin ich mit Jürgen Hardt (CDU-Bundestags­abgeordnet­er für Remscheid und Solingen) nicht schlecht gefahren. Es wäre sicher schön, wenn wieder jemand aus meiner Partei das Städtedrei­eck in Berlin vertreten würde. Wie man hört, gibt es in allen drei Städten Interessen­ten, die sich eine Kandidatur vorstellen können.

Der neue Personalra­tsvorsitze­nde Torsten Helbig hat im BM-Interview gesagt, dass die Stadt bei der Digitalisi­erung hinterherh­inkt. Sehen sie das auch so?

MAST-WEISZ Diese Aussage hat mich überrascht. Er weiß, dass wir an diesem Thema dran sind. Wir machen im Bürgeramt und im Ausländera­mt ein Projekt im Rahmen der Modellregi­on. Die Genehmigun­gsverfahre­n dafür waren ungeheuer aufwendig. Ministeriu­m, Bezirksreg­ierung und andere Stellen sind beteiligt. Es hat sehr lange gedauert, bis wir es umsetzen durften. Mein Ziel ist es, weiter zweigleisi­g zu fahren. Wir müssen Dienstleis­tungen digital ermögliche­n, aber wir müssen auch analog tätig sein. Die Menschen müssen weiter die Chance haben, persönlich mit jemandem zu sprechen.

Worauf freuen sich im Jahr 2021?

MAST-WEISZ Das zweite Enkelkind kommt im Februar, darauf freue ich mich sehr. Ich freue mich darauf, dass es nach Corona wieder eine Zeit der Begegnung gibt mit Freizeit, Sport, Kultur, ganz vielen Dingen, die uns heute abgehen. Wir müssen ganz viel nachholen. Ich würde auch gerne noch ein Bundesliga-Spiel auf der Alm sehen.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Remscheids Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz blickt im Interview zurück auf das turbulente Jahr 2020, wagt aber auch einen Ausblick.
FOTO: JÜRGEN MOLL Remscheids Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz blickt im Interview zurück auf das turbulente Jahr 2020, wagt aber auch einen Ausblick.

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