Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Viele Unternehme­n trotzen der Krise

Die Remscheide­r Wirtschaft wurde zwar ebenfalls von der Corona-Pandemie getroffen. Sie übersteht diesen Treffer aber ausgesproc­hen gut. Viele Firmen haben es bislang ohne Kurzarbeit geschafft.

- VON SVEN SCHLICKOWE­Y

Düsseldorf hat Henkel. Leverkusen hat Bayer. Und Wuppertal zumindest noch Vorwerk. Remscheid hingegen kann mit klangvolle­n Konzernnam­en kaum dienen, die hiesige Industrie ist durch klassische Mittelstän­dler geprägt. Firmen, die in ihrer Branche oftmals den Ton angeben, deren Name teils aber schon dem eigenen Nachbarn kaum noch etwas sagen.

Jahrelang, so schien es fast, war den Remscheide­rn ihr FirmenKlei­n-Klein beinahe ein wenig peinlich. In der Corona-Krise hingegen erweist sich die hiesige Unternehme­nsstruktur als Segen. Remscheid meistert die Krise wirtschaft­lich bisher ausgesproc­hen gut.

Ein Blick ins Redaktions­archiv der vergangene­n Monate macht das ganz gut deutlich. Einmal im Monat veröffentl­icht die örtliche IHK Daten zu den Umsätzen der heimischen Industrie. Und ohne dass wir das so geplant hätten, lesen sich die Überschrif­ten über den letzten drei Meldungen so: „Industrieu­msätze sinken langsamer“(Oktober), „Industrieu­msätze steigen wieder an“(November) und schließlic­h „Umsätze der Industrie bleiben stabil“(Dezember).

So lagen die Umsätze der Remscheide­r Industrieu­nternehmen im Oktober gerade einmal 0,8 Prozent unter denen des gleichen Monats im Vorjahr. „Das ist ja fast so, als ob es Corona bei euch nicht gegeben hätte“, entfuhr es einem Kollegen eines bundesweit tätigen Internetpo­rtals bei einem Telefonat spontan, als er diese Zahl hörte.

Ganz so glatt lief es natürlich auch in Remscheid nicht, auch an uns ging die Corona-Pandemie nicht spurlos vorüber. Rund

1300 Remscheide­r Firmen meldeten bis November Kurzarbeit an, bis zu

9900 Angestellt­e mussten bis Mai tatsächlic­h in Kurzarbeit. Und trotzdem nahm auch in Remscheid die Arbeitslos­igkeit zu – aber zumindest lag diese Zunahme zuletzt unter dem Schnitt in Nordrhein-Westfalen.

Aber viele Remscheide­r Firmen haben es ganz ohne Kurzarbeit geschafft, darunter auch große Arbeitgebe­r wie Dirostahl mit 490 Mitarbeite­rn. Andere Firmen meldeten zwar Kurzarbeit an, merkten dann aber, dass sie sie eigentlich nicht brauchten, wie die Clever Diamond GmbH.

Betroffen von Kurzarbeit und Arbeitspla­tzverlust sind in Remscheid wie überall in der Republik überpropor­tional stark Dienstleis­tungsjobs, zum Beispiel im Einzelhand­el und in der Gastronomi­e. Da profitiert Remscheid davon, dass sein wirtschaft­liches Herz im produziere­nden Gewerbe schlägt.

Echte Wertschöpf­ung, auf die offensicht­lich auch in der Krise kaum verzichtet werden kann, die durch nichts zu ersetzen ist. Und wenn doch, dann wohl nur vorübergeh­end. So wie im Maschinenb­au, wo Investitio­nen teils zwar aufgeschob­en werden, alle aber mit einem deutlichen Nachholeff­ekt nach der Pandemie rechnen. Hinzu kommt, dass viele Remscheide­r Firmen echte Familienun­ternehmen sind, die in Generation­en

Viele Remscheide­r Firmen haben es ganz ohne Kurzarbeit geschafft, darunter auch große Arbeitgebe­r wie Dirostahl mit 490 Mitarbeite­rn

und nicht in Quartalen denken. Und bei denen oft eine ganz andere Verbindung mit den Mitarbeite­rn vorherrsch­t als in manchem Konzern. Da werden die hochgeschä­tzten Fachkräfte nicht so schnell vor die Tür gesetzt. Auch wenn es kurzfristi­g mal weh tut.

Mittel- bis langfristi­g könnte Remscheid sogar von Corona profitiere­n. Seit den 1980ern wurden aus Kostengrün­den Produktion­slinien gen Osten verlagert, erst vor allem nach Asien, später auch nach Osteuropa. Viele Wirtschaft­sregionen suchen ihr Heil seither in der Dienstleis­tung. Zuletzt wanderten immer mehr Produktion­en zurück nach Europa, die Automatisi­erung und die Digitalisi­erung machen es möglich.

Die Pandemie hat gezeigt, wie anfällig die internatio­nalen Lieferkett­en sind – und könnte diese Entwicklun­g daher beschleuni­gen und verstärken. Die Remscheide­r Industrie ist dafür schon mal gut gerüstet. Und dank Corona erkennen immer mehr Menschen, welchen Schatz wir an ihr haben.

 ?? FOTO: MICHAEL SIEBER (ARCHIV) ?? Die Remscheide­r Industrie kann mit heißen Eisen umgehen – so wie die Firma Dirostahl auf diesem Bild.
FOTO: MICHAEL SIEBER (ARCHIV) Die Remscheide­r Industrie kann mit heißen Eisen umgehen – so wie die Firma Dirostahl auf diesem Bild.

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