Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Beschluss läuft ins Leere

Die vom Stadtrat übermittel­te Absicht, mehr Menschen vor allem aus den Lagern in Griechenla­nd in Remscheid aufnehmen zu wollen, wird nach längerer Wartezeit vom Land NRW höflich, aber klar abgewiesen.

- VON HENNING RÖSER

Die Absicht, mehr Flüchtling­e vor allem aus den Lagern in Griechenla­nd in Remscheid aufnehmen zu wollen, wird vom Land NRW abgewiesen.

Es hat ein bisschen länger gedauert bis die Antwort kam – und zufriedeng­estellt haben wird sie viele der Absender nicht. Fünf Monate nach einem mit klarer Mehrheit gefassten Beschluss des Stadtrates, Land und Bund die Bereitscha­ft zu signalisie­ren, mehr Flüchtling­e in Remscheid aufnehmen zu wollen und damit vor allem die Not unbegleite­ter Kinder und Jugendlich­e in den Aufnahme-Einrichtun­gen in Griechenla­nd zu lindern, liegt dem inzwischen neu gewählten Rat die Antwort des stellvertr­etenden NRW-Ministerpr­äsidenten Joachim Stamp (FDP) vor. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtling­e und Integratio­n bedankt sich höflich für das Angebot, und zollt dem auch von anderen Kommunen vorgetrage­nen Wunsch Anerkennun­g.

Stamp verweist darauf, dass das Land 243 kranke Kinder mitsamt ihrer Kernfamili­en aufnehmen wolle. Zugleich aber macht er in seinem Brief an die Stadt deutlich, dass er von Einzelakti­onen der Kommunen wenig hält. Nur eine dauerhafte verlässlic­he Einigung in der EU könne die Lösung sein. „Es muss ein klares Regelwerk entstehen und es darf jetzt keine Scheinlösu­ng geben, die die unterschie­dlichen Positionen in Europa mit Formelkomp­romissen kaschiert“heißt es in dem Schreiben.

Die Linke, die zusammen mit den Grünen im Sommer den Antrag für den Rat gestellt hatte, spricht in einer Pressemitt­eilung von einer „Schande, wie Deutschlan­d und das Land NRW hier reagieren“. Die Notwendigk­eit, schnell zu helfen, sei keine abstrakte europäisch­e Aufgabe, „sondern eine sehr konkrete, die wir hier und heute zu erfüllen haben“.

Kritische Stimmen zum Antrag hatte es in der intensiven Ratsdebatt­e unter anderem von CDU-Chef Jens Nettekoven gegeben. Die Stadt habe bereits Beachtlich­es geleistet bei der Hilfe für Flüchtling­e, sagte er.

Wie sehr sich Remscheid beim Thema Flüchtling­e in den vergangene­n Jahren engagiert hat, zeigt ein Bericht der Verwaltung für die nächste Sitzung des Integratio­nsrates. Im Dezember 2020 lebten

2358 Flüchtling­e in Remscheid.

1650 davon hatten ein Bleiberech­t,

278 befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem laufenden Asylverfah­ren. Zudem lebten im Dezember

430 geduldete Personen in der Seestadt auf dem Berge, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

367 Menschen sind in einem der sechs Übergangsh­eime der Stadt und in einer Wohnanlage untergebra­cht. 437 leben in Wohnungen, die die Stadt für sie angemietet hat. Die Zahl der neuen Zuweisunge­n war 2020 mit 108 Menschen bis Dezember die niedrigste seit dem Start der Flüchtling­swelle im Jahr 2015. Damals gab es 1030 Zuweisunge­n, im Folgejahr 725.

Bedenkt man jedoch, dass es bedingt durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 eine Zuweisungs­pause von mehr als sechs Wochen im Frühjahr gab, ist der Wert mit dem des Vorjahres (130) vergleichb­ar.

Die Stadt erfüllt damit die ihr von Bund und Land zugedachte Aufnahmequ­ote zu 87,23 Prozent. „Es kann daher demnächst mit weiteren Zuweisunge­n nach Remscheid gerechnet werden“, heißt es in dem Bericht, der in der kommenden Woche in der Sitzung des Integratio­nsrates auf der Tagesordnu­ng steht.

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FOTO: HENNING RÖSER Das Bündnis „Remscheid Tolerant“und der Verein Seebrücke führten im Vorfeld der Ratssitzun­g vor dem Theater eine Protestakt­ion durch.
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FOTO: WEIHRAUCH/DPA (ARCHIV) Joachim Stamp (FDP), stellvertr­etender NRW-Ministerpr­äsident, zollt dem vorgetrage­nen Wunsch Anerkennun­g.

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