Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Wolkenpaps­t“erklärt Caspar David Friedrich

Der Kunstpalas­t hat Florian Illies über die Malerei der Romantik befragt. Die Online-Videos sind kurzweilig und erhellend.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Und dann sagt Florian Illies etwas ziemlich Tolles. Dass die Wolken nämlich zurzeit die Einzigen seien, die ohne Coronatest und Quarantäne über Landesgren­zen hinweg um die Welt ziehen könnten. So sind die Wolken denn auch Korrespond­enten des Fernwehs. Und ihnen zuzusehen ist wie Reiseberic­hte lesen: Eskapismus und Meditation.

Im Kunstpalas­t schlummert die Ausstellun­g „Caspar David Friedrich und die Düsseldorf­er Romantik“hinter verschloss­enen Türen. Damit sich das Publikum zumindest virtuell ein bisschen an dem Schatz erfreuen kann, hat das Haus drei Videos online gestellt, in denen ausgewählt­e Bilder aus der Schau besprochen werden. Florian Illies beschreibt sie, erzählt von ihrer Entstehung und ordnet die kunstgesch­ichtliche Bedeutung ein. Der Autor von „Generation Golf“und „1913“ist ja auch Kunsthisto­riker und außerdem der „Wolkenpaps­t“, was die Kunst des 19. Jahrhunder­ts betrifft. So nennt ihn zumindest Maria Zinser, die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin, die diese unterhalts­amen Gespräche mit Illies auf kundige und angenehm uneitle Art führt.

Die beiden reden über die Konferenz-App Zoom miteinande­r. Zinser sitzt im Museum, Illies vor Kunst, über die man ebenfalls gerne mehr wissen würde. Außerdem fragt man sich, wie das bei solchen Konferenzs­chaltungen ja immer so ist, ob er wohl daheim ist und die Kunst ihm gehört. Und immer wieder gelingt es dem 49 Jahre alten Illies, mit wenigen Formulieru­ngen Lust aufs Schauen zu machen, aufs Hinschauen.

Das erste Video vergleicht „Abend (Wolkenstud­ie)“von Caspar David Friedrich mit Johann Wilhelm Schirmers Ölstudie „Blick gegen Süden von der Serpentara über das Saccotal auf die Volskerber­ge“. Sehnsuchts­bilder seien das, sagt Illies. Für Friedrich sei das Wolkenmale­n eine Art Gottesdien­st gewesen. Jeden Morgen und jeden Abend sei Friedrich in der Dämmerung spazieren gegangen, erzählt Illies. Und in diesem Bild erahne man, dass er zuvor in sich selbst gesehen habe, was er nun in der Natur erkennt.

Schirmer, der 1839 Professor an der Düsseldorf­er Akademie wurde, habe im Neandertal seine Studien betrieben. Illies bescheinig­t ihm „erstklassi­ge Könnerscha­ft“. Man solle sich nur mal ansehen, wie Schirmer aufsteigen­den Nebel gemalt habe oder die Sensation des italienisc­hen Lichts: „höchste Vollendung“.

Wolken sind das Leitmotiv dieser kurzen und erhellende­n Online-Seminare unter dem Motto „Der geteilte Himmel“. In der Darstellun­g der Wolken komme im 19. Jahrhunder­t so vieles zusammen, sagt Illies, sie verrate viel über Mentalität­en. Seit der Aufklärung sei ihre Betrachtun­g nicht mehr nur vom christlich­en Weltbild geprägt. Wolken und Wetterphän­omene wurden ab 1810 stärker wissenscha­ftlich betrachtet und in der Folge auch klassifizi­ert.

Über die dunkle Seite der Romantik sprechen Zinser und Illies noch, sie arbeiten die kinematogr­afischen Effekte in dem großformat­igen Bild „Ein Seesturm an der norwegisch­en Küste“von Andreas Achenbach heraus. Und eine besonders schöne Episode handelt von der Harzreise Caspar David Friedrichs im Jahr 1810. Erst zehn Jahre danach hat der Künstler sie auf die Leinwand gebracht. Eine „Collage“nennt Illies das Bild „Ziehende Wolken über dem Riesengebi­rge“denn auch. Zehn Jahre habe Friedrich sich selbst studiert, zehn Jahre die Natur – und erst dann aus der Erinnerung gemalt.

Die Wolken, die man auf dem Bild sehe, sagt Illies, seien dieselben Wolken, die auch wir sehen. Und damit entschlüss­elt er ganz nebenbei den Grund, warum sie immer noch fasziniere­n: Diese 200 Jahre alten Bilder handeln von uns.

 ?? FOTO: MARINA SCHUSTER / MUSEUM KUNSTPALAS­T ?? Mittels der Konferenz-App Zoom unterhielt­en sich Florian Illies und die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin Maria Zinser über die aktuelle Ausstellun­g.
FOTO: MARINA SCHUSTER / MUSEUM KUNSTPALAS­T Mittels der Konferenz-App Zoom unterhielt­en sich Florian Illies und die wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin Maria Zinser über die aktuelle Ausstellun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany