Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Wolkenpapst“erklärt Caspar David Friedrich
Der Kunstpalast hat Florian Illies über die Malerei der Romantik befragt. Die Online-Videos sind kurzweilig und erhellend.
Und dann sagt Florian Illies etwas ziemlich Tolles. Dass die Wolken nämlich zurzeit die Einzigen seien, die ohne Coronatest und Quarantäne über Landesgrenzen hinweg um die Welt ziehen könnten. So sind die Wolken denn auch Korrespondenten des Fernwehs. Und ihnen zuzusehen ist wie Reiseberichte lesen: Eskapismus und Meditation.
Im Kunstpalast schlummert die Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantik“hinter verschlossenen Türen. Damit sich das Publikum zumindest virtuell ein bisschen an dem Schatz erfreuen kann, hat das Haus drei Videos online gestellt, in denen ausgewählte Bilder aus der Schau besprochen werden. Florian Illies beschreibt sie, erzählt von ihrer Entstehung und ordnet die kunstgeschichtliche Bedeutung ein. Der Autor von „Generation Golf“und „1913“ist ja auch Kunsthistoriker und außerdem der „Wolkenpapst“, was die Kunst des 19. Jahrhunderts betrifft. So nennt ihn zumindest Maria Zinser, die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die diese unterhaltsamen Gespräche mit Illies auf kundige und angenehm uneitle Art führt.
Die beiden reden über die Konferenz-App Zoom miteinander. Zinser sitzt im Museum, Illies vor Kunst, über die man ebenfalls gerne mehr wissen würde. Außerdem fragt man sich, wie das bei solchen Konferenzschaltungen ja immer so ist, ob er wohl daheim ist und die Kunst ihm gehört. Und immer wieder gelingt es dem 49 Jahre alten Illies, mit wenigen Formulierungen Lust aufs Schauen zu machen, aufs Hinschauen.
Das erste Video vergleicht „Abend (Wolkenstudie)“von Caspar David Friedrich mit Johann Wilhelm Schirmers Ölstudie „Blick gegen Süden von der Serpentara über das Saccotal auf die Volskerberge“. Sehnsuchtsbilder seien das, sagt Illies. Für Friedrich sei das Wolkenmalen eine Art Gottesdienst gewesen. Jeden Morgen und jeden Abend sei Friedrich in der Dämmerung spazieren gegangen, erzählt Illies. Und in diesem Bild erahne man, dass er zuvor in sich selbst gesehen habe, was er nun in der Natur erkennt.
Schirmer, der 1839 Professor an der Düsseldorfer Akademie wurde, habe im Neandertal seine Studien betrieben. Illies bescheinigt ihm „erstklassige Könnerschaft“. Man solle sich nur mal ansehen, wie Schirmer aufsteigenden Nebel gemalt habe oder die Sensation des italienischen Lichts: „höchste Vollendung“.
Wolken sind das Leitmotiv dieser kurzen und erhellenden Online-Seminare unter dem Motto „Der geteilte Himmel“. In der Darstellung der Wolken komme im 19. Jahrhundert so vieles zusammen, sagt Illies, sie verrate viel über Mentalitäten. Seit der Aufklärung sei ihre Betrachtung nicht mehr nur vom christlichen Weltbild geprägt. Wolken und Wetterphänomene wurden ab 1810 stärker wissenschaftlich betrachtet und in der Folge auch klassifiziert.
Über die dunkle Seite der Romantik sprechen Zinser und Illies noch, sie arbeiten die kinematografischen Effekte in dem großformatigen Bild „Ein Seesturm an der norwegischen Küste“von Andreas Achenbach heraus. Und eine besonders schöne Episode handelt von der Harzreise Caspar David Friedrichs im Jahr 1810. Erst zehn Jahre danach hat der Künstler sie auf die Leinwand gebracht. Eine „Collage“nennt Illies das Bild „Ziehende Wolken über dem Riesengebirge“denn auch. Zehn Jahre habe Friedrich sich selbst studiert, zehn Jahre die Natur – und erst dann aus der Erinnerung gemalt.
Die Wolken, die man auf dem Bild sehe, sagt Illies, seien dieselben Wolken, die auch wir sehen. Und damit entschlüsselt er ganz nebenbei den Grund, warum sie immer noch faszinieren: Diese 200 Jahre alten Bilder handeln von uns.